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Als wäre es nie weg gewesen

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Die erfolgreichen Kultureinrichtungen widerlegen die Mär vom „Kaufschloss mit vorgehängter Fassade“

Auf den Tag genau zehn Jahre nach der Eröffnung des neuen Braunschweiger Residenzschlosses und der Schloss-Arkaden am 6. Mai 2007 hat die überragende Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger mehr als ihren Frieden mit dem Projekt geschlossen. Das Jubiläum ist ein Grund zu feiern. Und das passiert auch mit einem bunten Programm auf dem Schlossplatz von 11 bis 17 Uhr. Schon bei der Eröffnung im Jahr 2007 waren 70.000 Besucher gekommen, um das Schloss mit seinen Kultureinrichtungen zu besichtigen. Der Realisierung vorausgegangen war allerdings eine der heftigsten politischen Debatten der städtischen Nachkriegsgeschichte, vergleichbar wohl nur mit jener, die 1960 zum Abriss des kriegsbeschädigten Schlosses geführt hatte.

Mittlerweile steht das Schloss aber wieder so selbstbewusst und selbstverständlich da, dass junge Bürger Braunschweigs und auswärtige Besucher meinen könnten, es sei nie weg gewesen. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest-dimap bewerteten bereits im Mai 2011 rund 85 Prozent der Befragten die Rekonstruktion als „sehr positiv“ oder „eher positiv“. Die Stadtbibliothek zählt zu den erfolgreichsten in Deutschland, bessere Bedingungen, als es sie im Braunschweiger Stadtarchiv gibt, finden Historiker wohl kaum.

Die Kultureinrichtungen im Schloss widerlegen jene Stimmen eindrucksvoll, die in der kontroversen Diskussion des ECE-Projekts stets von einem „Kaufschloss mit vorgehängter Fassade“ gesprochen hatten. Das Schloss ist ein Besuchermagnet geworden. Dank der rekonstruierten Räume des Schlossmuseums hat die Stadt eine weitere touristische Attraktion erhalten. Sie komplettiert mit dem wieder aufgebauten Residenzschloss der Welfen, Europas größter freistehenden Quadriga und den historischen Reiterstandbildern der Herzöge Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (1735-1806) und Friedrich Wilhelm (1771-1815) ein einmaliges Ensemble.

Die Schlossgegner hatten seinerzeit ohnehin weniger die Schloss-Rekonstruktion selbst gemeint, als  vielmehr die Ansiedlung der Schloss-Arkaden mit ihren enormen Verkaufsflächen. Wenn heute ausgewiesene Gegner in öffentlichen Diskussionen sagen, dass sie die Stadtbibliothek und den Roten Saal im Schloss sehr gerne nutzen, dann darf das als Beleg dafür gelten. Die Kritiker befürchteten die Verödung der Fußgängerzone, einbrechende Umsätze und wegbrechende Investitionen auf breiter Front. Weit gefehlt, die überzeugende Entwicklung zeigt, dass Stadt und Einzelhandel die Herausforderung Schloss und Schloss-Arkaden gemeistert haben. Dank der städtebaulichen Aufwertung und begleitender Konzepte zählt Braunschweig heute zu Niedersachsens attraktivsten Einkaufsstädten.

Die damals in manchen Feuilletons geübte Kritik an der Verbindung aus Kultur und Handel ist weitgehend verhallt, weil Schloss und Schloss-Arkaden sie architektonisch ehrlich zeigen und die Trennung klar ist. Handel ist übrigens nichts Schlechtes. Er fand schon immer im Umfeld von Schlössern statt. Schloss und Schloss-Arkaden sind eine moderne Interpretation von Althergebrachtem.

Während einer Podiumsdiskussion des RBB in Berlin sprach Braunschweigs früherer Oberbürgermeister Gert Hoffmann in diesem Zusammenhang von einer „Sonderlösung Braunschweig“. Anders wäre die Rekonstruktion nicht realisierbar gewesen, meinte er. Gleichwohl erfülle das Schloss die Aufgabe, die Mitte der Stadt neu zu beleben. Auf dem Podium gab es keinerlei Widerspruch. Allein die Tatsache, dass mit Hoffmann ein Braunschweiger Vertreter in Berlin mit auf dem hochkarätigen Podium saß, ist Ausdruck der gewonnenen Akzeptanz, die der Braunschweiger Weg zur Rekonstruktion des Residenzschlosses mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus genießt.

Den Anfang machte seinerzeit Chefreporter Gunnar Schupelius von der Berliner Zeitung. Er schrieb schon 2007: „Seitdem ich das rekonstruierte Schloss in Braunschweig gesehen habe, sind mir die letzten Zweifel daran geschwunden, dass es eine gute Idee ist, auch das Berliner Schloss wieder aufzubauen“, schrieb er nach seinem Besuch in Braunschweig. Seinen Beitrag hatte er vollmundig mit „Ich war in Braunschweig und habe die Zukunft Berlins gesehen“ überschrieben. Und ja, mittlerweile wird auch in Berlin das Schloss tatsächlich wieder aufgebaut.

 

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