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Die starken Frauen von Gandersheim

Die Bauherrin des Sommerschlosses Brunshausen, Elisabeth Ernestine Antonie (Foto), symbolhaft mit ihren engsten Beratern am Tisch. Foto: Meike Buck
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Eindrucksvolle Frauen und ihre Geschichten stehen im Mittelpunkt des Museums „Portal zur Geschichte“. Drei Ausstellungsteile in der Stiftskirche Bad Gandersheim und der Klosterkirche und dem Sommerschloss Brunshausen erzählen die besondere Geschichte des Ortes und ihrer Bewohnerinnen.

Majestätisch erhebt sich das Portal der ehemaligen Klosterkirche Brunshausen auf dem Klosterhügel. Hier gründeten die ottonischen Stammeltern Liudolf und Oda 825 ein Stift, fast 1000 Jahre prägten Frauen den Ort: als einflussreiche Äbtissinnen, bekannte Dichterinnen, Mystikerinnen, Politikerinnen und Handwerkerinnen. Hinter den rohen Steinmauern verbergen sich heute feine Stoffe und textile Schätze aus mehreren Jahrhunderten. Die Ausstellung „Starke Frauen – Feine Stiche“ zeigt die kostbaren Textilien, die entweder für oder in dem Frauenstift gefertigt wurden. Dazu werden auch spannende Biographien einiger Frauen vorgestellt. „Wir erzählen auch die Geschichten des 20. Jahrhundert. Die Verbrechen des Nationalsozialismus machten auch vor Brunshausen nicht halt“, erklärt Maria Julia Hartgen, die Leiterin des Museums. „1944 wurde im Kloster eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald eingerichtet.“

Als in den 1990er Jahren die Stiftskirche in Bad Gandersheim renoviert wurde, war noch nicht klar, welche Schätze dabei zu Tage kommen würden. Die Kirche war bis zur Auflösung des Stifts 1810 der Mittelpunkt der Frauengemeinschaft, der eindrucksvolle Bau zeugt von der hohen Bedeutung des Stifts. Hier wurde auch der Gandersheimer Kirchenschatz aufbewahrt, der bei den Arbeiten wiederentdeckt wurde. Zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der mittelalterlichen Objekte wurde zudem ein umfangreiches Forschungsprojekt der Universität Göttingen initiiert. „Die Eröffnung der Ausstellung in der Stiftskirche 2006 war der Beginn des ,Portals zur Geschichte‘“, erzählt Hartgen. Die Ausstellung in Brunshausen öffnete 2007 ihre goldene Tür.

Der dritte und bisher letzte Ausstellungsteil wurde 2013 im Sommerschloss Brunshausen eröffnet. Im Mittelpunkt steht wieder eine Frau, Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen, eine Enkelin von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg, die 1713 Äbtissin von Gandersheim wurde. Sie ließ neben der gotischen Kirche und dem „Damenhaus“ eine Sommerresidenz errichten, in dem sich neben Wohnräumen und einer Privatkapelle auch ein Kunst- und Naturalienkabinett befand. Für den barocken Garten wurde sogar das hügelige Gelände eingeebnet und ein Springbrunnen angelegt. Auch wenn sie als Äbtissin eine repräsentative Stellung in der Gesellschaft einnahm, war ihre Sammlung von Statuen, Münzen, Gemälden und Büchern äußerst ungewöhnlich für eine geistliche Fürstin.

Jeden der rund 20 Räume des Schlosses stellte sie unter ein Thema und ließ ihn passend dazu mit Wandmalereien gestalten. Auch wenn das Gebäude bereits im 19. Jahrhundert als landwirtschaftliches Lager genutzt wurde, sind einige der Malereien erhalten geblieben und wurden in den 1990er Jahren freigelegt und restauriert. So war ein Raum der Perspektive gewidmet, ihn schmücken Darstellungen vom Kapitolsplatz in Rom und von der persischen Stadt Schiras. Mit der Darstellung des Gartens und des Schlosses von Salzdahlum setzte Elisabeth Ernestine ihrem kurz vorher verstorbenen Großvater Anton Ulrich ein Denkmal.

Die Vorbilder für die Motive fand Hartgen bei damals bekannten Kupferstechern wie Hans Vredeman de Vries und Cornelius de Bruin. „Manchmal ganz schön mühsam und nicht einfach, sie zu identifizieren, wie bei einer Straße in Persien“, erzählt Hartgen. Wer die Bilder gemalt hat, weiß sie allerdings nicht. „Aber man sieht, dass der Maler hier Probleme mit der Perspektive hatte – trotz Vorlage“, sagt sie und deutet auf die Darstellung der Palastanlage von Persepolis, wo die Treppe seltsam verzerrt wirkt. Auf der Wand daneben erheben sich die ägyptischen Pyramiden, dazwischen seltsame Wesen. „Der Autor der Vorlage, Olfert Dappers, war nie wirklich in Afrika und hat die Geschichten und Legenden von anderen einfach abgeschrieben und gemischt. Dabei herausgekommen ist auch eine Sphinx mit barocker Lockenperücke“, lächelt Hartgen.

Die Räume der Ausstellung sind durch wenige Objekte und Ausstellungseinbauten ergänzt. Hartgen erläutert das Konzept: „Die Ausstellung sollte sehr zurückhaltend gestaltet werden, so dass die Malerei das Hauptobjekt ist.“ Die Beleuchtung setzt die Wandgestaltung zusätzlich in Szene.

Nicht erhalten haben sich die Sammlungen der Elisabeth Ernestine, mehr als 150 Skulpturen schmückten unter anderem den „Raum der Götter“, auch eine umfangreiche Mineraliensammlung gab es. Wie die Wandmalereien dienten sie wohl vor allem Studienzwecken, ob die Äbtissin hier auch ihren Besuch empfing, ist ungewiss – schließlich baute sie kurze Zeit später die Abtei in Gandersheim in eine repräsentative Barockresidenz um.

Seit 2016 leitet Hartgen das „Portal zur Geschichte“, zuvor hat sie sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit der Stiftsgeschichte beschäftigt. Der Verein, der das Museum betreibt, wird hauptsächlich von der Kreis-Sparkasse Nordheim und der Kultur- und Denkmalstiftung des Landkreises Northeim getragen. Von Anfang an sind auch die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und die Braunschweigische Stiftung als Förderer dabei. Neben allen Teilen der Dauerausstellung unterstützen sie auch die Sonderausstellungen und Projekte wie den jährlich stattfindenden Textilmarkt des Museums oder Veranstaltungen im Rahmen des Harzer Klostersommers. „Und es gibt noch viele Themen, mit denen wir uns beschäftigen wollen“, macht Hartgen Lust auf mehr Geschichte. Und auch da stehen oft Frauen im Mittelpunkt – so ist im nächsten Jahr zusammen mit der Braunschweigischen Landeskirche eine Sonderausstellung zu „50 Jahre Frauenordination“ geplant.

Informationen

Stiftskirche Bad Gandersheim

Öffnungszeiten:
März bis Oktober dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr
November bis Februar dienstags bis sonntags 12 bis 16 Uhr
Da die Stiftskirche kein rein musealer Ort ist, sind Einschränkungen in den Öffnungszeiten möglich.

Eintrittspreise:
3 Euro, ermäßigt 2 Euro

Adresse:
Stiftskirche Bad Gandersheim
Stiftsfreiheit 1
37581 Bad Gandersheim

Klosterkirche und Sommerschloss Brunshausen

Öffnungszeiten:
März bis Oktober dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr
November bis Februar dienstags bis sonntags 12 bis 16 Uhr
Öffentliche Führungen durch das Kloster Brunshausen samstags und sonntags, 14 Uhr.

Eintrittspreise:
5 Euro, ermäßigt 4 Euro
Der Audioguide ist im Eintrittspreis enthalten.

Adresse
Klosterkirche Brunshausen
Brunshausen 7
37581 Bad Gandersheim

Kombikarte für alle drei Ausstellungsbereiche
6 €, ermäßigt 5 €
Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre haben freien Eintritt

Fotos

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