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Arbeiter und Soldaten an der Macht

Die Delegation des Arbeiter- und Soldatenrats mit August Merges (3.v.l.) nahm die Abdankung des Herzogs entgegen. Foto: IBR
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Das Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und das Stadtarchiv Braunschweig veranstalten am 21. und 22. September ein regionalgeschichtliches Symposium zur Zeit der November-Revolution in Braunschweig.

Am 8. November 1918, also einen Tag früher als Kaiser Wilhelm II., dankte Herzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg ab. „Ich erkläre, dass ich für mich und meine Nachfahren auf den Thron verzichte und die Regierung in die Hände des Arbeiter- und Soldatenrates lege“, heißt es im Wortlaut. Die Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates  mit August Merges, Friedrich Schubert, Henry Finke, Paul Gmeiner, Hermann Schweiß und Hermann Meyer hatte sie entgegengenommen. Zwei Tage später wurde die „Sozialistische Republik Braunschweig“ ausgerufen. Am 22. Dezember 1918 fanden in Braunschweig die ersten Wahlen überhaupt nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs statt. Es war der Beginn der Demokratie in Braunschweig.

100 Jahre nach den dramatischen Ereignissen beschäftigt sich das Regional-Symposium, das das Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und das Stadtarchiv Braunschweig in Kooperation ausrichten, mit den in Braunschweig entscheidenden Persönlichkeiten der November-Revolution. Die Biographien der wichtigsten Handlungsträger des Umbruchs, der schon 1916 mit ersten Streiks wegen der durch den Ersten Weltkrieg ausgelösten Wirtschaftskrise begonnen hatte und am 8. November 1918 im Massenprotest vor dem Schloss mit rund 20.000 Teilnehmern gipfelte, werden von verschiedenen Experten in Einzelvorträgen im Kontext beleuchtet (Termine s.u.). Die Teilnahme ist kostenfrei.

„Dieser biographische Zugriff erlaubt es, die unterschiedlichen politischen Strömungen der Zeit, mit ihren jeweils eigenen Motivationen und Zielsetzungen beispielhaft herauszuarbeiten“, sagt Prof. Gerd Biegel, Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte. „Unser Ansatz war,  Protagonisten aller damaligen sozialen Schichten zu berücksichtigen, um ein ausgewogenes Bild jener Zeit zeichnen zu können“, ergänzt Dr. Henning Steinführer, Leiter des Stadtarchivs Braunschweig.

Historiker Hans-Ulrich Ludewig schildert in seinem Kapitel „Der erste Weltkrieg und die Revolution“ des Standardwerks „Die Braunschweigische Landesgeschichte – Jahrtausendrückblick einer Region“ den Übergang von der Monarchie zur Demokratie wie folgt: Die weitgehende Deckungsgleichheit in den Vorstellungen der im November 1918 spontan entstandenen Massenbewegung mit der Revolutionsführung erleichterte die revolutionäre Machteroberung ganz wesentlich. Dass sie so reibungslos ablief, hing mit dem gänzlichen Autoritätsverlust der bisherigen Machthaber zusammen. Das alte System verfügte in diesen Novembertagen über keinen einsatzfähigen Machtapparat mehr. Kampflos besetzten die Revolutionäre das Polizeipräsidium, aus den Kasernen strömten die Soldaten den Demonstranten zu. Noch entscheidender war, dass das alte System bei seinen Anhängern alle Sympathie, Autorität und Legitimation verloren hatte. Es hatte sich als unfähig erwiesen, den erwarteten militärischen Sieg zu erringen und die vielfältigen kriegsbedingten sozialen und wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen. Die staatliche Autorität war bereits vor der Revolution zerfallen.“

Weiter schreibt Ludewig: Die Revolution in Braunschweig wurde nicht `gemacht`, weder von fünf Matrosen und der Harfen-Agnes, wie die bürgerlichen Parteien später höhnisch meinten; auch nicht von einer zu allem entschlossenen, von Moskau gesteuerten Kadergruppe. Sie war auch nicht nur das Ergebnis der militärischen Niederlage und der alles beherrschenden Friedenssehnsucht. Es gab gerade in Braunschweig langfristig wirkende Fehlentwicklungen in Staat und Gesellschaft. Es bedurfte nur noch des zündenden Funkens, um die Massen auf die Straße zu bringen mit der Forderung einer umfassenden Umgestaltung der politischen und sozialen Ordnung. Diese Umgestaltung nahm die neue Regierung in den ersten Revolutionswochen in Angriff.“

Nachdem die Gründung einer selbständigen sozialistischen Nordwestdeutschen Republik gescheitert war, eskalierte die Situation in Braunschweig zusehends. Die Streiks der Linksradikalen und die Gegenstreiks des Bürgertums drohten zu eskalieren. Deswegen verhängte die Reichsregierung am 13. April 1919 den Belagerungszustand über Braunschweig. Freikorpstruppen rückten in die Stadt ein und inhaftierten Spartakisten. Die Absetzung der Regierung und Neuwahlen folgten. Unter Ministerpräsidenten Heinrich Jasper gelang der Weg zur parlamentarischen Demokratie.

Die Protagonisten, die während des Symposiums beschrieben werden:

Herzog Ernst August: Der letzte regierende Herzog von Braunschweig musste am 8. November abdanken. Bereits einen Tag später verließ er Braunschweig zusammen mit seiner Familie ins österreichische Exil nach Gmunden.

August Merges: Der Kommunist war einer der Hauptakteure der Novemberrevolution in Braunschweig. Er wurde Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig, Abgeordneter der Weimarer Nationalversammlung und des Braunschweigischen Landtags.

Sepp Oerter: Der Politiker zählte nach der Spaltung der SPD zur  Führungsspitze der USPD. Er wurde Vorsitzender des Rates der Volkskommissare und anfangs sehr einflussreich. Später schloss er sich der NSDAP an.

Minna Faßhauer: Sie war die einzige Frau im achtköpfigen Rat gehörten acht „Volkskommissare“. Das Mitglied der Spartakusgruppe war zuständig für Volksbildung und erste Ministerin in Deutschland.

Karl von Wolff: Als Staatsminister unter Herzog Ernst August trug er Verantwortung für die Zustände in Braunschweig von 1914 bis 1918.

Heinrich Jasper: Der Gegenspieler von Sepp Oerter wurde nach der Wahl am 10. Februar 1919 zum Präsidenten der Landesversammlung gewählt. Der Sozialdemokrat wurde mehrfach zum Ministerpräsidenten des Landes Braunschweig gewählt.

Otto Grotewohl: Der gebürtige Braunschweiger und spätere Ministerpräsident der DDR gehörte von 1918 bis 1922 der USPD an. 1920 wurde er in den zweiten Braunschweigischen Landtag des Freistaates Braunschweig gewählt, dem er später für die SPD bis 1926 angehörte.

Heinrich Büssing:  Als einer der führenden Unternehmer in Braunschweig war sein Betrieb erheblich von Streiks betroffen. Seine Mitarbeiter hatten sin in großer Zahl den Protesten angeschlossen. Er reagierte unter anderem mit Aussperrung.

Käthe Buchler: Die Fotografin war eine Vertreterin des gehobenen Bürgertums jener Tage. Ihre Fotografien sollten den Durchhaltewillen des Bürgertums an der sogenannten Heimatfront des Ersten Weltkriegs untermauern.

Hugo Retemeyer: Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig wollte seine Beamten an der Teilnahme von Streiks hindern. Vergeblich. Die Beamten wollten dem Treiben der spartakistischen Seite ein Ende bereiten.

Das Programm

Freitag 21. September

9.30 Uhr: Begrüßung und Einführung (Gerd Biegel/Henning Steinführer)

10 Uhr Herzog: Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (Hans Georg Aschoff, Hannover)

10.40 Uhr: August Merges (Bernd Rother, Berlin)

11.40 Uhr Sepp Oerter (Hans Ulrich Ludewig, Braunschweig)

12.20 Uhr: Minna Faßhauer (Frank Erhardt, Braunschweig)

15 Uhr: Karl von Wolff (Brage Bei der Wieden, Wolfenbüttel)

15.40 Uhr: Heinrich Jasper (Gerd Biegel, Braunschweig)

16.40 Uhr: Otto Grotewohl (Dierk Hoffmann, Berlin)

Sonnabend 22. September

10 Uhr:  Heinrich Büssing (Eckhard Fischer, Nordsteimke)

10.40 Uhr: Käthe Buchler (Angela Klein, Braunschweig)

11.40 Uhr: Hugo Retemeyer (Henning Steinführer, Braunschweig)

12 Uhr:  Schlussworte Gerd Biegel

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