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Büssings erste Erfindung war ein Fahrrad

Autor Thomas Ostwald war bereits mehrfach mit Büssings Fahrrad unterwegs. Foto: Archiv Thomas Ostwald
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Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 42: mit Stadtfrack und Zylinder unterwegs.
Wenn in diesem Jahr an Heinrich Büssing erinnert wird, so geschieht das anlässlich seines 175. Geburtstages. Bei seinem Namen fallen natürlich immer wieder Begriffe wie Lastkraftwagen, Omnibusse und vielleicht auch Hinweise auf die Signaltechnik. 1873 gründete Büssing zusammen mit Max Jüdel die „Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co“ an der Wolfenbütteler Straße.

Aber das war nicht seine erste Firmengründung in Braunschweig. Schon im Jahre 1869 gründete Heinrich Büssing die „Velocipedes-Fabrik“, in der das erste deutsche Niedrigfahrrad in Serie gefertigt wurde. Dieses Fahrrad zeichnete sich durch zwei gleich große Räder aus Holz aus, die mit einem eisernen Ring beschlagen. Zusammen mit einigen Arbeitern baute er diese Fahrräder, bis ihm der Deutsch-französische Krieg 1870/71 einen Strich durch die Rechnung machte. Im Feld sah man keine Verwendungsmöglichkeit für die Fahrräder, und Material wurde nur noch für kriegsverwendungsfähige Produkte bewilligt.

So wurde eine im Grunde sehr gelungene Erfindung mitten in ihrer Entwicklung gestört, die zunächst wohl vielversprechenden Verkäufe mussten eingestellt werden. Ein originalgetreues Modell dieses Fahrrades befindet sich in der Sammlung des Schlosses Salder, und ich hatte vor einiger Zeit die Gelegenheit, auf diesem Nachbau zu fahren. Anlass war ein Film, der für den „PS-Speicher“ in Einbeck gedreht wurde, um damit diese Erfindung des Mannes, der fast 250 Patente an seinem Lebensende besaß, zu würdigen.

Ich hatte keine Ahnung, auf was ich mich da eingelassen hatte, als ich an einem herrlichen Sommertag am Löwenwall vor dem Fahrrad stand. Erleichtert war ich darüber, dass es sich nicht um eines der Hochräder handelte, die vom Fahrer einiges Können abverlangen. Aber auch dieses Modell war nicht einfach zu bewegen.

Der ganz besondere Fahrspaß beginnt schon beim Aufsteigen. Büssing hatte die Tretpedale direkt im Vorderrad angebracht, und das bedeutet: Man tritt mit dem einen Fuß auf die Pedale, schwingt sich in den Sattel und versucht dabei, das Gleichgewicht so lange zu halten, bis auch der andere Fuß seinen Platz auf dem Pedal gefunden hat – es geht also alles nur in rollender Bewegung. Dazu kommt die zeitgemäße Bekleidung – also „Stadtfrack“ und Zylinder.

Doch nicht nur das Aufsteigen ist gewöhnungsbedürftig – auch das schwere Rad zu lenken und über Unebenheiten sicher zu lenken, ist eine Herausforderung. Erst recht jedoch das Anhalten. Der geniale Konstrukteur hatte eine Vorrichtung am Lenker erdacht, die durch eine Drehung einen Seilzug betätigt, der den Bremsklotz doch ziemlich heftig an das Hinterrad führt.

Nun – wer hier nicht mit Gefühl arbeitet und vor allem vorausschauend fährt, lernt die Tücken des Objektes rasch kennen. Doch nach kurzer Eingewöhnungszeit war ich begeistert von dieser Konstruktion. Büssing verstand etwas von dem, was er konstruierte. Ob er sich bei seiner Erfindung an der Konstruktion von Vater und Sohn Michaux orientierte, die 1867 ein Fahrrad mit Tretkurbelantrieb auf der Pariser Weltausstellung vorstellten, kann vermutet werden. Doch die kriegsbedingte Pause hatte für Heinrich Büssing auch ihr Gutes, denn schon bald folgten aus England die neuen Fahrräder mit Dunlop-Luftreifen und Freilauf.

Ein weiteres Modell seiner Erfindung ist im Büssing-Haus in Nordsteimke zu sehen, aber ein Original dieses Fahrrades kehrte vor einiger Zeit nach Braunschweig zurück. Der Büssing-Sammler Carsten Behring konnte eines der raren Exemplare aus einer Sammlungsauflösung erwerben. Vermutlich gibt es weltweit nur zwei Originale. 1985 würdigte die Deutsche Bundespost mit einer Briefmarke die Erfindung Büssings.

Wer einmal nach Einbeck kommt, sollte einen Besuch im PS-Speicher unbedingt einplanen, denn dort gibt es noch mehr als nur den Film über Büssings Fahrrad zu sehen.

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