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Die glücklose Erbprinzessin

Friederike Luise Wilhelmine von Johann Heinrich Schröder um 1800 porträtiert. Foto: Schlossmuseum Braunschweig
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Eine neue Reihe beleuchtet Schicksale am einstigen Braunschweiger Hof: Folge 1 beschäftigt sich mit Friederike Luise Wilhelmine.

Die Heirat der 19jährigen Friederike Luise Wilhelmines Prinzessin von Nassau-Dietz-Oranien mit Karl Georg August Prinz von Braunschweig-Wolfenbüttel war 1790 keine Überraschung. Die Verbindungen zwischen den Familien waren eng. Doch was so hoffnungsfroh begann, endete für die junge Frau letztlich in Enttäuschung und Einsamkeit. Die Ehe blieb kinderlos, was in der damaligen Zeit als erheblicher Makel galt. Der jüngere Bruder ihres Ehemanns, der „Schwarze Herzog“, dominierte schließlich, wurde Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Anfangs sah die Welt für sie noch völlig anders aus. Die guten Bande ihrer Familie zum Braunschweiger Hof sollten ihr eigentlich eine gute Zukunft eröffen: Ludwig Ernst Herzog zu Braunschweig und Lüneburg war der Vormund ihres Vaters gewesen (Wilhelm V. Batavus Prinz von Oranien), der bereits als Kind Statthalter der Niederlande wurde. Ihre Großmutter war eine geborene Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Was sich heute kompliziert anhört, war zur damaligen Zeit üblich für den Hochadel: Familienbeziehungen wurden über Generationen hinweg immer wieder durch Heiraten gefestigt, denn nur auf diese Weise konnten Einflussnahmen gesichert werden und freundschaftliche Verbindungen der Fürstenfamilien bestehen bleiben. Ob sich ein junges Paar mochte oder sogar liebte, war keine relevante Frage. Für junge Mädchen und Frauen konnte eine Eheschließung zwischen großer Einsamkeit bis hin zur Möglichkeit politischer Mitbestimmung alles bereithalten. Ersteres war sicher häufiger als letzteres.

Für Friederike Luise Wilhelmine standen die Zeichen zunächst gut. Sie wurde 1770 als ältestes Kind ihrer Eltern geboren. 1772 und 1774 kamen ihre Brüder zur Welt. Wie für Mädchen des Hochadels üblich, war ihre Kindheit und Jugend auf das Ziel einer guten Verheiratung ausgerichtet. Ihre Mutter (Wilhelmine Prinzessin von Preußen) konnte Friederike Luise Wilhelmine diesbezüglich als Vorbild einer starken Ehefrau dienen. Als Lieblingsnichte Friedrichs des Großen war diese stark an Politik interessiert und setzte sich – im Gegensatz zu ihrem Mann – vehement für den Machterhalt in den Niederlanden ein. Auch in diesem Zusammenhang wurden die Beziehungen nach Braunschweig gefestigt, denn ihr Neffe, der braunschweigische Herzog Carl Wilhelm Ferdinand stellte als preußischer Offizier 1787 die kurzzeitig gebrochene Macht der Oranier wieder her. Drei Jahre später wurde er Friederike Luise Wilhelmines Schwiegervater.

Durch die engen Beziehungen zur Familie ihres Ehemannes blieb Friederike Luise Wilhelmine eine allzu kritische Aufnahme in Braunschweig erspart. Als Erbprinzessin bekleidete sie darüber hinaus nach ihrer Schwiegermutter den zweithöchsten Rang der Frauen am Hof und konnte auf eine positive Zukunft hoffen.

Friederike Luise Wilhelmine wusste, dass ihre Aufgabe nun die Geburt eines Sohnes war, um auch für die folgende Generation die Erbfolge sicherstellen zu können. Das gemeinsame Ziel einer Fürstenfamilie war immer deren Fortbestand, deshalb zählten nach der damals geltenden Erbfolge Jungen mehr als Mädchen. Eine adlige Frau, die nur Töchter zur Welt brachte, sank unausweichlich im Ansehen, da sie ihrer Aufgabe, die Erbfolge zu sichern, nicht nachkam. Eine adlige Frau, die überhaupt keine Kinder zur Welt brachte, hatte in den Augen ihrer Zeitgenossen völlig in ihrer Rolle versagt.

Nach der Hochzeit des Erbprinzenpaares wartete auch das Fürstentum Braunschweig auf den ersehnten Nachfolger. Noch war die Situation hoffnungsvoll, denn der regierende Herzog Carl Wilhelm Ferdinand hatte neben dem Erbprinzen Karl Georg August weitere drei Söhne. Doch bald wurde deutlich, dass alle außer dem jüngsten durch Krankheiten belastet waren. Friederike Luise Wilhelmine wurde nicht schwanger und aus heutiger Sicht ist zu vermuten und für die junge Frau zu hoffen, dass nicht nur die Familie den Grund in der schwachen Konstitution des Erbprinzen erkannte.

In der Regel gab man jedoch den Ehefrauen die Schuld an Kinderlosigkeit. Auch Friederike Luise Wilhelmine litt in mehrfacher Hinsicht unter dieser Situation: Neben dem persönlichen Schicksal kinderlos zu bleiben, wurde bald deutlich, dass auch ihre Stellung am Hof davon beeinflusst wurde. Offiziell war sie die Erbprinzessin, inoffiziell übernahm diese Rolle jedoch ab 1802 ihre Schwägerin Marie, die Frau Friedrich Wilhelms, des späteren „Schwarzen Herzogs“. Bereits 1804 brachte diese den ersehnten Nachwuchs zur Welt und Familie sowie Bevölkerung feierten den neugeborenen Karl als Hoffnung des Fürstentums. Im April 1806 wurde der zweite Sohn Wilhelm geboren.

Während sich Maries Rolle in Braunschweig auch für die Zukunft festigte, wurde diejenige von Friederike Luise Wilhelmine schwächer. Persönliche Schicksalsschläge und politische Ereignisse führten schließlich dazu, dass alle Hoffnungen auf eine positive Zukunft in Braunschweig im Jahr 1806 zerplatzten. Im gleichen Monat, in dem sich Braunschweig über die Geburt Wilhelms freute, starb Friederike Luise Wilhelmines Vater in ihrer unmittelbaren Nähe. Er hatte sich zu dieser Zeit in Braunschweig aufgehalten und wurde dort im Dom bestattet.

Nur wenige Monate später und völlig unerwartet verstarb im September desselben Jahre auch Karl Georg August. Friederike Luise Wilhelmine wurde zur kinderlosen Witwe und verlor mit ihrem Mann auch jede Chance auf eine einflussreichere Stellung am Hof.

Gleichzeitig ließ der Krieg zwischen Preußen und Frankreich kaum Zeit für persönliche Trauer. Mitte Oktober wurde ihr Schwiegervater Carl Wilhelm Ferdinand in der bekannten Schlacht bei Jena und Auerstedt schwer verletzt. Ihr Schwager Friedrich Wilhelm geriet während des Rückzugs in Gefangenschaft. Es wurde deutlich, dass auch die in Braunschweig zurückgebliebenen Frauen nicht mehr sicher waren: Die Flucht wurde unausweichlich. Wie auch ihre Schwiegermutter Augusta verließ Friederike Luise Wilhelmine am 17. Oktober 1806 Braunschweig. Sie reiste zu ihrer Mutter, der einzigen Zuflucht, die ihr geblieben war.

Doch auch ihre Mutter Wilhelmine lebte im Exil, hielt sich vorrangig in England auf und beide konnten erst 1813 in die Niederlande zurückkehren. Friederike Luise Wilhelmine starb 1819 im Alter von 48 Jahren, ein Jahr vor ihrer Mutter.

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