Ehrenbürger der Stadt Braunschweig, Folge 3: Walter Schmidt.
In der Geschichte der Braunschweiger SPD hat niemand so lange Führungspositionen innegehabt wie Braunschweigs Ehrenbürger Walter Schmidt, der ein „personifiziertes Stück Arbeitergeschichte“ darstellte. 40 Jahre – mit kleinen Unterbrechungen – war er Mitglied des Kreis‑, später Unterbezirksvorstandes der Braunschweiger SPD, davon 12 Jahre 2. Vorsitzender und 8 Jahre 1. Vorsitzender, fast 16 Jahre stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Braunschweig, 14 Jahre direkt gewählter Landtagsabgeordneter, 11 Jahre ebenfalls vom Wahlkreis entsandter Bundestagsabgeordneter.
Walter Schmidt wurde am 27. Februar 1907 in Braunschweig geboren. Sein Vater Wilhelm war Schlosser von Beruf und starb bereits 1914, so dass die Mutter Emma in einer Fabrik für Nähmaschinenzubehör arbeiten musste, um die Familie (vier Söhne) zu versorgen. So machte der Sohn schon früh Erfahrungen der Armut und sozialen Not. Sie sollten bereits den jungen Walter Schmidt in seinem sozialen Bewusstsein prägen. Seit 1918 lebte die Familie im Magniviertel.
Schon als Kind politisch interessiert
Bis in diese Zeit reichten die ersten politischen Erinnerungen von Walter Schmidt zurück, von denen er gerne im Freundeskreis erzählte. Nach dem Sturz der Monarchie am 8. November 1918 gehörte Walter Schmidts Onkel, der Matrose und Schmied Gustav Rosenthal, der neuen Regierung als Volkskommissar für revolutionäre Verteidigung an. Sehr oft traf er sich mit Gesprächspartnern und Parteifreunden in der Wohnung seiner Schwägerin Emma in Ölschlägern. An diesen Gesprächsrunden nahm auch der damals zwölfjährige Walter neugierig und mit wachsendem Interesse teil.
Nach dem Besuch der Volksschule begann Walter Schmidt 1921 bei der MIAG eine Lehre als Maschinenbauer. Entsprechend der Maxime, dass Bildung und Lernen die Zukunft bestimmt. besuchte er ab 1923 im Abendunterricht die Fachschule für Maschinenbau, die er nach sechs Semestern erfolgreich als Techniker abschloss. Noch während seiner Lehrzeit trat er 1924 dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV), dem Vorläufer der IG-Metall, bei, und wurde 1926 Mitglied in der SPD.
Kurs bei Otto Grotewohl belegt
Im Winter 1932/33 nahm er an einem Lehrgang der Braunschweiger SPD zum Thema „Wissenschaftlicher Sozialismus“ teil. Leiter des Kurses war Otto Grotewohl, damals SPD-Bezirksvorsitzender, ab 1949 Ministerpräsident der DDR. Seine Mitgliedschaften verstand Walter Schmidt stets als Verpflichtung zu aktiver Beteiligung, was sich in zahlreichen Amtspflichten und Ehrenämtern niederschlagen sollte. So war er bereits mit 23 Jahren Betriebsratsvorsitzender in den Braunschweiger Hüttenwerken, ein Amt, das er bis 1933 aktiv wahrnahm. In der Freizeit galten die Hauptaktivitäten von Walter Schmidt jedoch dem Sport: Wandern bei den Naturfreunden, Fußball bei der Spielvereinigung Wacker, deren Ehrenmitglied er später werden sollte.
Walter Schmidt erlebte unmittelbar den Terror und Schrecken der Nazis ab 1930, insbesondere den Sturm auf das Volksfreundgebäude, die Besetzung der AOK und die Riesebergmorde. Trotz vielfacher Repressalien wurde Walter Schmidt in dieser Zeit nie verhaftet, obwohl er aktiv im Widerstand gegen das Naziregime engagiert war. Zeitweise tauchte er in Gifhorn unter. 1936 legte er sogar noch die Maschinenbau-Meisterprüfung ab und wechselte zur Firma Karges und Hammer. Vom Kriegsdienst war Walter Schmidt wegen seiner betrieblichen Aufgaben freigestellt. In der Firma wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter unter entwürdigenden Umständen eingesetzt, für die Schmidt mit kleineren Hilfen das Leid zu lindern versuchte. Nicht verwunderlich, dass er mehrere Male wegen zu loyaler Haltung gegenüber den Ausländern von der Gestapo verwarnt wurde.
Starke Wahlergebnisse
Nach Kriegsende organisierte Walter Schmidt erfolgreich die Wiederaufnahme der Produktion seiner Firma und trat am 14. September 1945 erneut in die SPD ein. Er engagierte sich intensiv für die Parteiarbeit, so etwa als Ortsvereinsvorsitzender (Wendentor) und als Kandidat seiner Partei bei den Wahlen. 1946 und 1947 waren wichtige Jahre, in denen Walter Schmidt für die SPD wichtige Aufgaben übernahm. Am 9./10. November 1946 wurde er vom Landesparteitag Braunschweig als Kandidat für die Landtagswahl am 20. April 1947 benannt. Im Wahlkreis 41, der Innenstadt und dem Westen der Stadt erhielt er 48,6 Prozent der Stimmen. Mit Walter Schmidt wurden damals Ernst Böhme und Otto Bennemann gewählt, die SPD gewann damals alle drei Braunschweiger Wahlkreise.
Auch in der Landes ‑und Bundespolitik wurde und war in den folgenden Jahren aktiv. Von 1947 bis 1961 war Walter Schmidt Mitglied des Niedersächsischen Landtags und von 1961 bis 1972 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. 1951 bis 1970 war er Stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Braunschweig und von 1964 bis 1970 Vorsitzender des Unterbezirks Braunschweig der SPD. Stets engagierte sich der äußerst populäre Kandidat auch vor Ort in den politischen Gremien seiner Partei.
Im Bundestag war er Mitglied im Verkehrs- und Wirtschaftsausschuss und betrieb erfolgreich eine verbesserte Verkehrsanbindung Braunschweig. Aber nicht nur die großen politischen Fragen waren Anliegen von Walter Schmidt, sondern stets setzte er sich für die Belange der sogenannten kleinen Leute ein, was sich 1969 in seinem Wahlergebnis von 54,1 Prozent Erststimmen bei der Bundestagswahl niederschlug.
„Braunschweig im Mittelpunkt“
Die Aufzählung der Vielzahl der Ehrenämter, aber auch der Ehrungen (so zum Beispiel das Große Verdienstkreuz des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland), die Walter Schmidt erhielt, würde den Beitrag sprengen. Als er 1972 aus der Politik ausschied, war Walter Schmidt weiter im Interesse seiner so geliebten Vaterstadt Braunschweig tätig. Legendär wurden seine Stadtführungen und Diavorträge, die sich mit dem Bild der Stadt vor und nach der Zerstörung beschäftigten. Er selbst meinte an seinem 85. Geburtstag: „Für meine politische Arbeit stand Braunschweig immer im Mittelpunkt“.

1987, zum 40-jährigen Jubiläum in der Braunschweiger SPD hielt Staatssekretär Holger Börner die Laudatio und meinte, Schmidt habe stets ein kämpferisches Herz für die soziale Gerechtigkeit gehabt und Solidarität denen gegenüber geübt, die auf seine Hilfe angewiesen waren. Im Namen der Partei dankte er Walter Schmidt für dessen „hervorragende Lebensleistung“. Daher war es nur konsequent und verdient, dass der Rat der Stadt Braunschweig am 14. Juni 1988 einstimmig beschloss, Walter Schmidt mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweig auszuzeichnen.
Als Oberbürgermeister Gerhard Glogowski am 17. August 1988 die Auszeichnung in der Dornse des Altstadtrathauses vornahm, meinte er: „Walter Schmidt ist ein Mensch, der für viele Braunschweiger eine oft letzte Hilfsmöglichkeit gewesen ist“. Er habe die Belange Vieler vertreten, ohne auf deren Parteizugehörigkeit zu achten. Ehrenbürger Walter Schmidt starb am 17. Oktober 1997 in seiner Heimatstadt Braunschweig.
Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung an der TU Braunschweig.