Alles nur Fassade?

Das Schlossmuseum Braunschweig zeigt ein Porträt August Wilhelms mit seiner Ehefrau Elisabeth Sophie Marie.
Das Schlossmuseum Braunschweig zeigt ein Porträt August Wilhelms mit seiner Ehefrau Elisabeth Sophie Marie.

Folge 4 der Reihe „Schick­sale am einstigen Braun­schweiger Hof“: August Wilhelm.

Das Motto August Wilhelms „parta tueri“ – Erwor­benes erhalten – wirkt in der heutigen Zeit, in der Begriffe wie „Nachhal­tig­keit“ benutzt werden, erstaun­lich modern. Leider verwal­tete er die Finanzen des Fürsten­tums nicht in diesem Sinne. Trotzdem hat der braun­schwei­gi­sche Fürst nachhal­tiges geschaffen: Baupro­jekte, wie die barocke Fassade des Schlosses Wolfen­büttel, erinnern an einen Menschen, dessen Inneres kaum zu fassen ist, da die prunk­volle Hülle alles weitere überstrahlte.

August Wilhelm wurde 1662 als fünftes Kind und dritter Sohn Anton Ulrichs und Elisabeth Julianes (einer geborenen Prinzessin von Schleswig-Holstein-Norburg) in Wolfen­büttel geboren. Regie­render Herzog war sein Großvater, der für seine Bücher­samm­lung bekannte August der Jüngere. Da auch August Wilhelms Vater kein Erstge­bo­rener war, schien die Übernahme des Fürsten­tums zunächst weit entfernt. August Wilhelm führte also das Leben eines Prinzen, der nicht zwingend für die Regierung ausge­bildet werden musste, sondern eine allge­mei­nere Ausbil­dung erhielt, die auch das Drechseln von Elfenbein beinhal­tete – ein typischer Zeitver­treib für Fürsten­söhne seiner Zeit. Eine feste Aufgabe oder ein Lebens­ziel hatte er zunächst nicht.

Seit August Wilhelm im Alter von 15 Jahren in Genf studierte, entdeckte er für sich das Reisen. Die Kavaliers­tour führte ihn in weitere Gegenden der Schweiz, nach Frank­reich und in die Nieder­lande. Diese Reisen junger Männer dienten neben Bildungs­zwe­cken auch dazu, sich die „Hörner abzustoßen“, was bei August Wilhelm laut einzelner Quellen zur Folge hatte, dass er sein Interesse an homose­xu­ellen Affären entdeckte.

Da Eheschlie­ßungen zur damaligen Zeit jedoch politisch motiviert waren und Gefühle für die Auswahl der Partner keine Rolle spielten, stand dies einer Heirat nicht im Weg. 1681 wurde die Ehe zwischen August Wilhelm und seiner Cousine Christine Sophie geschlossen. Diese war eine Tochter Rudolf Augusts, der 1666 die Regierung übernommen hatte. Da das Verhältnis dieses Onkels zu August Wilhelms Vater Anton Ulrich stark angespannt war, beein­träch­tigte die Eheschlie­ßung das Vater-Sohn-Verhältnis. August Wilhelms Position hatte sich aller­dings beträcht­lich verbes­sert. Durch Tod seiner älteren Brüder war er einer­seits mittler­weile zum Erbe seiner Eltern geworden und da sein Onkel keine männli­chen Nachkommen hatte wirkte sich auch die Ehe mit dessen Tochter positiv auf die Chancen, einmal selbst regieren zu können, aus.

Vor ihm in der Erbfolge stand jedoch noch sein Vater, der erst an der Seite Rudolf Augusts und schließ­lich ab 1704 allein regierte. August Wilhelm übernahm diplo­ma­ti­sche Reisen, die ihn nach Dänemark und Schweden führten. Zwischen Preußen und Hannover vermit­telte er. Weitere Reisen führten ihn nach Italien und in die Heimat seiner Mutter Schleswig-Holstein – gleich­zeitig die Heimat seiner zweiten Ehefrau. Christine Sophie war 1695 verstorben und noch im Jahr ihres Todes durch Sophie Amalie Prinzessin von Schleswig-Holstein-Gottorf ersetzt worden. Diese Vorge­hens­weise wieder­holte sich 1710 nach dem Tod Sophie Amalies, als August Wilhelm seine dritte Sophie, Elisabeth Sophie Marie Prinzessin von Schleswig-Holstein-Norburg heiratete, eine Nichte seiner Mutter.

Auch sie war bereits einmal verhei­ratet gewesen. Da sie bereits einen Sohn zur Welt gebracht hatte, der aber früh verstorben war, hielt Elisabeth Sophie Marie für Familie und Fürstentum die Hoffnung auf einen Erben aufrecht. Dass aber auch diese dritte Ehe August Wilhelms kinderlos blieb, spricht – neben den Gerüchten über Affären mit seinen Höflingen – dafür, dass das Leben der Ehepartner mitein­ander nicht leicht war. Bezie­hungen des 17. und 18. Jahrhun­derts, die eine gute Position sowie die entspre­chende Versor­gung brachten, führten aber dazu, dass man sich zu Gunsten beider Partner arran­gieren konnte. August Wilhelm brach nicht aus der Rolle aus, die für ihn vorge­sehen war. Eine Frau an seiner Seite und die derart nach außen kommu­ni­zierte Bereit­schaft, einen Erben zu zeugen, gehörten zu dieser Rolle dazu.

Ebenfalls wesent­li­cher Bestand­teil seines Verständ­nisses als Erbprinz und Fürst war die Entfal­tung höfischer Reprä­sen­ta­tion. Durch Mutter und Vater hatte er umfas­sende Kunst­samm­lungen ererbt, und der kritische Vater hatte ihn kurz vor seinem Tod in einer Nieder­schrift dazu ermahnt, sich um diese sorgfältig zu kümmern. Obwohl familiäre Spannungen, sowohl zu seinem Vater als auch zu seinem Bruder, sein Leben prägten, und er sich beispiels­weise in Fragen der Religion konse­quent vom Weg seines Vaters abwandte, teilten beide das Interesse an präch­tigen Bauten. Bereits als Prinz hatte er sich in Lange­leben im Elm ein Jagdschlöss­chen bauen lassen. Später ließ er das Schloss in Braun­schweig, den so genannten „Grauen Hof“, ausbauen und dort kostbare Galerie­räume einrichten. Er inter­es­sierte sich für Kunst­ge­werbe, aber nicht die Sammel­lei­den­schaft, sondern die zusam­men­ge­tra­gene Pracht war seine Motiva­tion. Er trug Objekte aus Salzdahlum und kostbare Ankäufe (wie beispiels­weise die berühmten Silber­möbel, die sich heute im Schloss Marien­burg befinden) in Braun­schweig zusammen. Auch Theater- und Opern­auf­füh­rungen sollten vor allem aufwendig sein, ebenso wie große Hoffeste.

Trotz einiger Maßnahmen, wie dem Versuch, die medizi­ni­sche Versor­gung zu regeln und der Reduzie­rung des Militärs sowie der Förderung des einhei­mi­schen Tabak­han­dels, überließ er die Regierung weitge­hend anderen, so dass sich eine Günst­lings­wirt­schaft entwi­ckeln konnte, die zusammen mit seiner Reprä­sen­ta­ti­ons­lust zu großen finan­zi­ellen Schwie­rig­keiten des Fürsten­tums führten. Er selbst zog sich gern zu mathe­ma­ti­schen Studien zurück, die ihn bereits seit seiner Kavaliers­tour inter­es­sierten. Als August Wilhelm 1731 verstarb, hinter­ließ er enorme Schulden, die größten Teile seiner Sammlungen wurden im Verlauf des 18. Jahrhun­derts verkauft.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Herzog­li­cher Hochzeits­korso durch die Residenz­land­schaft

    Herzog­li­cher Hochzeits­korso durch die Residenz­land­schaft

    Im Zeitalter des Barock prägten die Braunschweiger Herzöge nicht nur ihre Residenzstädte. Historiker Sebastian Mönnich zeigt am Beispiel einer Hochzeit, wie der Weg zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig zur regelrechten Feststraße wurde. Weiterlesen

  • Die glücklose Erbprin­zessin

    Die glücklose Erbprin­zessin

    Eine neue Reihe beleuchtet Schick­sale am einstigen Braun­schweiger Hof: Folge 1 beschäf­tigt sich mit Friede­rike Luise Wilhel­mine. Die Heirat der 19jährigen Friede­rike Luise Wilhel­mines Prinzessin von Nassau-Dietz-Oranien mit Karl Georg August Prinz von Braun­schweig-Wolfen­büttel war 1790 keine Überra­schung. Die Verbin­dungen zwischen den Familien waren eng. Doch was so hoffnungs­froh begann, endete für die junge Frau… Weiterlesen

  • Das erste öffent­liche Museum des Konti­nents

    Das erste öffent­liche Museum des Konti­nents

    Braunschweigische Museen, Folge 16: Das Herzog Anton Ulrich Museum wurde 1754 wenige Monate nach dem Britischen Museum in London eröffnet. Weiterlesen