Altwerden lohnt sich

Die Journalistin Margaret Heckel referierte über die positiven Aspekte des Altwerdens. Foto: Haus der Braunschweigischen Stiftungen
Die Journalistin Margaret Heckel referierte über die positiven Aspekte des Altwerdens. Foto: Haus der Braunschweigischen Stiftungen

Margaret Heckel skizzierte in ihrem Vortrag „Die Midlife-Boomer – Warum es nie spannender war, älter zu werden“ neue Möglich­keiten eines positiven und chancen­rei­chen Lebens im Alter.

„Kinder an die Macht“, brüllte der Popmu­siker Herbert Gröne­meyer voller Leiden­schaft ins Mikrofon. Mitte der 80er Jahre ein Hit in den deutschen Charts. Ein Mantra. Doch angesichts des demogra­fi­schen Wandels rückt immer mehr das Thema „Poten­ziale der älteren Genera­tion“ in den Fokus von Wissen­schaft und Öffent­lich­keit. Heraus kommen dabei häufig nicht erwartete Ergeb­nisse und neue Chancen, wie die bekannten Wirtschafts­jour­na­listin Margaret Heckel beim Vortrag „Die Midlife-Boomer – Warum es nie spannender war, älter zu werden“ vor Augen führte. Im Haus der Braun­schwei­gi­schen Stiftungen disku­tierte Heckel im Anschluss lebhaft mit den vielen, häufig über 50 Jahre alten Zuhörern.

Die frühere Politik­chefin der Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgen­post macht keinen Hehl daraus, dass sie nicht viel von den Thesen des Buches „Das Methu­salem-Komplott“ hält. Der 2014 verstor­bene Autor Frank Schirr­ma­cher hatte in diesem Bestseller eine düstere Zukunft voraus­ge­sagt. „Da hat mich einiges aufgeregt“, gibt die seit 2009 als freie Publi­zistin tätige gebürtige Schwäbin offen zu. Sie sagt: „Was für ein Geschenk ist es doch, dass wir immer länger und vor allem auch immer länger gesünder leben.“ Die Lebens­er­war­tung steige für jeden Menschen Tag für Tag. „Wenn heute der Tag zu Ende geht, hat sich Ihre Lebens­er­war­tung schon um fünf Stunden erhöht“, gibt die in Potsdam lebende Autorin mit auf den Weg.

Die vom Thema Demografie gefes­selte Journa­listin holte sich vor zehn Jahren noch eine blutige Nase bei ihren Vorge­setzten, wenn sie positiv über die Zukunft des Alterns berichten wollte. Handfeste Beweise sammelte sie in den letzten Jahren auf einer Recher­che­tour für ihr gleich­na­miges Buch „Die Midlife-Boomer – Warum es nie spannender war, älter zu werden“ in ganz Deutsch­land. Die Zahl der Älteren steige: 2069 gebe es in China erstmalig über eine Million 100-Jährige. 2100 sei die Marke auch in den USA, in Indien, in Brasilien und in Japan geknackt.

Besonders auf dem Arbeits­markt hätten die Älteren immer bessere Karten. Margret Heckel lieferte Beispiele: Ein Ingenieur bei der Firma Trumpf in Ditzingen bat seinen Chef um eine fünfmo­na­tige Auszeit. Er plante eine Motor­rad­tour durch Mexiko. Ein Lebens­traum. Früher undenkbar. Die auf die Produk­tion von hochwer­tigen Lasern spezia­li­sierte Firma ließ die Reise ihres Ingenieurs zu. Denn ein Umdenken findet auch bei Arbeit­ge­bern angesichts des steigenden Fachkräf­te­man­gels in Deutsch­land statt. Die Folge ist eine in Unter­nehmen zunehmend an Lebens­phasen orien­tierte Perso­nal­po­litik. Immer häufiger können die Arbeit­nehmer selbst die Wochen­stun­den­zahl indivi­duell festlegen.

In einem süddeut­schen Bäcke­rei­un­ter­nehmen wurden viele Senior-Azubis und Senior-Trainees einge­stellt. Auch Alters­ge­mischte Teams würden immer hoffä­higer, berichtet Heckel. Der Effekt: Die Neugierde und die hohe Technik­af­fi­nität der Jungen ergänzen sich mit dem Erfah­rungs­schatz der Älteren. Balsam für die Seele der Alten. Bei Stiftungen und Vereinen geschehe viel Positives, um das Thema kreativ anzugehen, weiß Heckel. Und die Automo­bil­branche sorgt für einen demogra­fie­festen Umbau des Produk­ti­ons­pro­zesses. Autokon­zerne wie Volks­wagen, BMW und Mercedes-Benz forcieren den Ausbau ergono­mi­scher Arbeits­plätze, darunter viele indivi­du­elle Lösungen. „Der vielleicht wichtigste Aspekt ist jedoch die Wertschät­zung der Arbeit eines jeden Einzelnen“, betont Heckel.

Auch alte Menschen seien in der Lage, schwere Denkauf­gaben zu lösen, unter­streicht die studierte Volks­wirtin. Ein wichtiger Faktor sei es, auch im Alter Sport zu treiben. Heckel: „Wer körper­lich fit ist, dessen Gehirn altert langsamer.“

Am Schluss der lebhaft geführten Diskus­sion blieben, trotz aller positiven Zukunfts­sze­na­rien, einige Zuhörer skeptisch, ob es angesichts schwere Krank­heiten und großer Beschwer­lich­keiten im Alter wirklich gut sei, über 100 Jahre alt zu werden. Andere indes gingen hochmo­ti­viert aus der sehr inter­es­santen und kurzwei­ligen Veran­stal­tung, darunter viele heute erst Mitte-40-Jährige. Muss Gröne­meyer seinen Hit umschreiben? Die Alten an die Macht? Auf jeden Fall wurde die Ausein­an­der­set­zung mit dem wichtigen Thema angestoßen…

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