Über das heutige Nimmer­land

Klara spricht für die junge Generation. Foto: LOT-Theater
Klara spricht für die junge Generation. Foto: LOT-Theater

100 Inter­views als Basis: Das Theater­pro­jekt „WERDEN“ von Marie-Luise Krüger und Christian Weiß beschäf­tigt sich mit dem Erwachsen- und dem Altwerden.

Wie fühlt es sich an erwachsen zu werden? Wie fühlt es sich an alt zu werden? Das Projekt „WERDEN“ von Marie-Luise Krüger und Christian Weiß beschäf­tigt sich intensiv mit der Gefühls­welt der jungen und der alten Genera­tion, spart die mittlere aus, weil die ohnehin gerade mitten im Hamsterrad des Lebens rotiert. Erstes, spannendes Ergebnis dieser Langfrist-Produk­tion ist das Theater­stück „Werden“. Es feiert am Mittwoch im LOT-Theater von 20 Uhr an Premiere.

„WERDEN ist ein Theater­er­lebnis, bei dem es sich lohnt, mit verschie­denen Genera­tionen gemeinsam hinzu­gehen. Es ist ein Stück für die ganze Familie, weil man auch Dinge erfährt, über die es sich lohnen würde, einmal in der eigenen Familie zu sprechen“, meint Regisseur Christian Weiß, der Lehrbe­auf­tragter für Darstel­lendes Spiel an der Hochschule für Bildende Künste ist. Er und Marie-Luise Krüger, die neben ihrer Tätigkeit als Regis­seurin auch als Theater­päd­agogin arbeitet, empfehlen das Stück für Zuschauer von 10 Jahren an.

Auf der Bühne werden sich  die 15-jährige Klara und die 75-jährige Christina begegnen. Sie erfor­schen vergan­genes und zukünf­tiges Leben – Jungsein und Altwerden. Die Aussagen der beiden basieren auf ihren Biogra­fien und 100 jeweils rund 45-minütigen Inter­views, die die beiden Regis­seure und ihr Team mit Kindern und Jugend­li­chen bis zu einem Alter von bis zu 18 Jahren und Senioren von 65 Jahren an anhand eines ausge­ar­bei­teten Frage­bo­gens geführt haben. Klara und Christina geben in der Theater­per­for­mance jeweils ihrer Genera­tion stell­ver­tre­tend eine Stimme. Neben eigenen Aussagen tragen sie auch Stand­punkte der anderen Inter­view­partner vor, die sie per Kopfhörer hören und simultan sprechen. Die langen Gespräche haben Christian Weiß und Marie-Luise Krüger in schrift­li­cher Form kompri­miert und pointiert.

Da sagt zum Beispiel Alt über Jung: “Erwach­sen­werden ist eine Sache der Existenz. Es ist eine unvor­her­ge­sehen Situation, die auf einmal vor dir auftaucht. Wie kommst du damit zurecht, mit dieser Situation? Man erwartet von dir, dass du ein bestimmtes Verhalten bringst und in dem Moment, wo du das geschafft hast, bist du erwachsen geworden – auf einmal. Bis dahin hast du in den Tag hinein­ge­lebt, alles war rosa. Und dann ist auf einmal, die Welt, das Leben da.“

Oder Jung über Alt: „Als uralt würde ich Leute bezeichnen, die so hutzelig sind, so urig. Sie haben fizzel­lige Haare und dünne Finger. Ich glaub die sind nett. Und ein bisschen verrückt.“

„Die beiden Genera­tionen haben anfäng­lich und isoliert betrachtet offen­sicht­lich nicht viel mitein­ander zu tun. Es sei denn, es handelt sich um Enkel oder Großel­tern. Wenn die Genera­tionen aber mehr vonein­ander erfahren, dann kommt es zur Annähe­rung. Genau das wird auch beim Bühnen­stück heraus­ge­ar­beitet und deutlich“, erzählt Christian Weiß.

Im Ankün­di­gungs­text für die Theater­pro­duk­tion heißt es dazu ergänzend: Erwachsen sein heißt, die eigenen Träume auf dem Meeres­boden zu versenken. Im heutigen Nimmer­land ist Jungsein erstre­bens­werter Dauer­zu­stand. Überlegt man sich jedoch, dass ein Mensch, der 2016 geboren wird, gute Chancen hat mit der modernen Medizin 100 Jahre alt zu werden, scheint es an der Zeit zu sein das Alter zu umarmen.

Die dem Stück zugrun­de­lie­genden Inter­views werden in anderen Medien weiter verar­beitet. „WERDEN“ wird zusätz­lich ein Inter­net­ar­chiv. Unter www.werden.click entsteht ein umfäng­li­ches Audio­ar­chiv. Dort wird das Material aus den Inter­views mit den Vertre­tern der jungen und alten Genera­tion von Menschen aus der Genera­tion dazwi­schen einge­spro­chen. Die Präsen­ta­tion der Website ist für Ende Februar 2017 geplant.

Vorge­sehen ist zudem noch eine Buchpu­bli­ka­tion mit den Texten aus den Inter­views, die kostenlos an inter­es­sierte Schulen und Hochschulen ausge­geben werden, damit daraus künst­le­risch wieder Neues entstehen kann.

Vorstel­lungen: 12., 13., und 15. Oktober, jeweils 20 Uhr.

Doppel­abend mit WERDEN und Die Paten: 14. Oktober, 19.30 Uhr. Antritts­vor­le­sungen der Vertre­tungs­pro­fessur: Kunst in Aktion. Seit dem 1. Oktober verwalten die beiden Theater­ma­cher Frank Oberhäußer und Christian Weiß für ein Jahr die Professur Kunst in Aktion im Studi­en­gang Darstel­lendes Spiel der HBK Braun­schweig. An diesem Doppel­abend geben sie mit jeweils einer Insze­nie­rung einen künst­le­ri­schen Impuls in der Frage nach einer zeitge­nös­si­schen Theater­päd­agogik.

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