Die Museums-Förderung und der Sparef­fekt

Das Städtische Museum Braunschweig. Foto: Braunschweig Stadtmarketing GmbH / Gerald Grote
Das Städtische Museum Braunschweig. Foto: Braunschweig Stadtmarketing GmbH / Gerald Grote

Der Neubau wurde so geplant, dass zum Löwenwall hin ein Erwei­te­rungs­grund­stück vorge­halten wurde.

Nichts ist so dauerhaft, wie durch Sparmaß­nahmen geschaf­fene Provi­so­rien, wie etwa der Haupt­ein­gang des Städti­schen Museums, der eigent­lich die pracht­volle Mitte der Museums­fas­sade am Stein­tor­wall bilden sollte. Ausgangs­punkt für diesen Museumsbau war der am 27. Oktober 1828 in Braun­schweig geborene Kaufmann und Forschungs­rei­sende Carl Julius Barthold Götting. Dieser hatte sich nach seiner Berufs­aus­bil­dung entschlossen, nach Amerika auszu­wan­dern, um den braun­schwei­gi­schen Militär­dienst zu umgehen. Aus späteren Tagebuch­auf­zeich­nungen geht hervor, dass sich Götting insbe­son­dere von Schriften Friedrich Gerstä­ckers anregen ließ, Amerika als Auswan­de­rungs­ziel zu wählen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 04.06.2019. (Bezahl-Artikel)

In späteren Jahren folgte Götting in Südame­rika bei seinen Reisen daher vielfach den von Gerstä­cker in seinen Werken beschrie­benen Routen. Haupt­wohn­sitz wurde für den Kaufmann Santiago de Chile. Götting war als Geschäfts­mann überaus erfolg­reich, so dass er sich ab 1870 seine Reise- und Entde­ckungs­wün­sche erfüllen konnte. Darüber hat Götting Tagebü­cher geführt, in denen er seine Erfah­rungen und Erkennt­nisse über Land und Leute notierte. Syste­ma­tisch betrieb er Studien und lässt sich ohne Zweifel dem Kreis derje­nigen zuordnen, die im weitesten Sinne als Forschungs­rei­sende einzu­ordnen sind. Götting suchte Kontakt zu Wissen­schaft­lern, z. B. Archäo­logen vor Ort, erwarb Artefakte der indigenen Völker sowie Fotogra­fien der Reiseorte. Korbweise sammelte er „Antiqui­täten“, die von banalen Reise­an­denken bis zu mehrheit­lich wichtigen und bedeu­tenden archäo­lo­gi­schen sowie ethno­gra­fi­schen Objekten reichten. Einzig­artig auch die Sammlung von Fotogra­fien von Land und Leuten, auf denen gelegent­lich Götting selbst zu sehen ist.

1882 machte er seine letzte Reise nach Europa, zugleich auch Rückkehr in seine Heimat, verbunden mit dem Wunsch, wieder in den braun­schwei­gi­schen Staats­ver­band aufge­nommen zu werden. Sein Antrag wurde positiv beschieden. Die „Wieder­auf­nahme-Urkunde für den Kaufmann Herrn Carl Julius Barthold Götting zu Hamburg“ trägt das Datum 28. März 1892. Götting lebte seitdem in Hamburg und mit Schreiben vom 22. März 1899 an den Magistrat der Stadt Braun­schweig, schlug er vor, seiner Geburts­stadt Braun­schweig „seine gesammten ethno­gra­phi­schen und andere Sammlungen zu vermachen“, aller­dings mit Auflagen zur Präsen­ta­tion für die Öffent­lich­keit. Sein „Angebot mit Auflagen“ kam zu einem für die Geschichte des Städti­schen Museums Braun­schweig günstigen Moment. Jahrelang war das Museum von dem inter­na­tional anerkannten Geologen, Geografen und Volks­kundler Richard Andree ehren­amt­lich und mit viel Erfolg geleitet worden, aber seit 1898 war Franz Fuhse erster haupt­amt­li­cher Museums­di­rektor. Die Stadt Braun­schweig war also auf dem besten Weg, die Museums­ar­beit zu profes­sio­na­li­sieren und Götting war bestrebt, dem Museum, das über zahlreiche Gebäude und Räume in der Stadt verteilt war, nachhaltig zu helfen.

Göttings „Auflagen“ betrafen daher auch die Präsen­ta­tion der Sammlung und am 12. Mai 1899 bot er der Stadt neben den Sammlungen zusätz­lich den Betrag von 40.000 Mark an, als „Beitrag zum Neubau eines ausschließ­lich für dieses Museum bestimmten Gebäudes“. In seinem Testament erhöhte er diesen Betrag noch auf 50.000 Mark. Bereits am 10. März 1898 hatte Fuhse einen Antrag für einen Museums­neubau gestellt und unter dem Eindruck von Legat und Geldspende Göttings entschloss sich Braun­schweig dazu. Dieser Neubau wurde am 6. Mai 1906 eröffnet. Gesamt­kosten: 469.329,20 Mark (ursprüng­lich ca. 600.000 Mark, so die Kosten­schät­zung von Stadt­baurat Ludwig Winter vom 8. April 1896).

Der Neubau wurde so geplant, dass zum Löwenwall hin ein Erwei­te­rungs­grund­stück vorge­halten wurde. Dies erklärt, warum der pracht­volle Haupt­ein­gang noch heute an der Seite zum Stein­tor­wall wie in eine Ecke gedrückt liegt, war er doch in der Mitte der zukünf­tigen kompletten pracht­vollen Haupt­front vorge­sehen: „Aller­dings beginnt man während des Baus zu sparen, so daß 1906 hier (am Löwenwall) nur 2/3 des Baus eröffnet werden und, bis heute, das fehlende 1/3 zum Löwenwall hin noch als Bauplatz zur Verfügung steht!“, so eine Notiz zu den Gründen der Bausi­tua­tion im Eröff­nungs­jahr. Noch heute hat die Impro­vi­sa­tion aufgrund von Sparmaß­nahmen ihre sichtbare Dauer­haf­tig­keit bei der Betrach­tung des Museums­ge­bäudes. Seiner Verbun­den­heit mit seiner Heimat­stadt und „seinen Sammlungen“ gab Carl Götting, der Kaufmann, Forschungs­rei­sende, Sammler und Mäzen, schließ­lich in besonders sinnfäl­liger Weise Ausdruck, wie im ersten Museums­führer des Museums 1906 zu lesen war: Zwischen zwei Schränken die Aschen­urne Göttings, darüber sein Bild.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 04.06.2019 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/kolumnen/article225925851/Die-Museums-Foerderung-und-der-Spareffekt.html (Bezahl-Artikel)

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