Die Savoy-Story von Bärbel Mäkeler

Bärbel Mäkeler in ihrem Savoy, 1988. Foto: Screenshot aus 1.000 Tage Savoy/Thomas Ammerpohl

Die frühere Geschäfts­füh­rerin bringt in ihrer Dokumen­ta­tion über ihr einstiges Varieté in der Braun­schweiger Leopold­straße 7 das Lebens­ge­fühl der 1980er Jahre zurück.

Willkommen, bien venue, welcome… diese ersten Worte in Joel Greys Lied aus dem Musical „Cabaret“ und auch das dort propa­gierte Ambiente hielten 1986 Einzug in das damals so piefig-spießige Braun­schweig. In der alten Lager­halle Leopold­straße 7 war das Savoy entstanden. Nicht zu glauben, ein echtes Varieté. So wie es sein muss: rauch­ge­schwän­gerte Luft, schumm­riges Licht, Jazz, Kabarett, bisweilen auch leicht frivole Travestie-Shows. Mit dem Buch „1.000 Tage Savoy“ hat die ehemalige Geschäfts­füh­rerin und heutige Lektorin Bärbel Mäkeler eine profunde Dokumen­ta­tion über das bis 1989 existie­rende Lokal vorgelegt und ein gutes Stück Braun­schweiger Zeitge­schichte aufge­schrieben. Angeregt dazu hatte sie ihre Tochter, die sich für die verwe­genen Geschichten von damals brennend inter­es­sierte.

Am Tag der Eröffnung 1986: Bärbel Mäkeler mit Peter Lindemann. Foto: Screen­shot aus 1.000 Tage Savoy/David Taylor

Am 16. Juli 1986 wurde also die „Savoy Varieté GmbH“ gegründet. Die letzte Show lief nur drei Jahre später am 3. Juni 1989. Es war eine von Christian Eitner organi­sierte Benefiz­ver­an­stal­tung, die half, den aufge­bauten Schul­den­berg ein wenig zu minimieren. Das Ende, so schreibt Bärbel Mäkeler, die das Savoy mit erstaun­li­chem Enthu­si­asmus betrieben hat, sei wirklich schmerz­haft gewesen, aber unter dem Strich stünden neben den bitteren Momenten viele schöne Erinne­rungen und vor allem nicht endende Freund­schaften. In Teilen liest sich die Geschichte des Savoy spannend wie ein Krimi. Besondere Erwähnung finden auch die verstor­benen Thomas Ammerpohl als Haus- und Hof-Fotograf und Rezensent Hans-Jürgen „Charles“ Bennecke, deren Arbeiten vielfältig Nieder­schlag in der Dokumen­ta­tion finden.

Paris, London oder New York?

„War das wirklich Braun­schweig? Oder doch eher Paris, London oder New York? Was für ein Ambiente, da mitten im Friedrich-Wilhelm-Kiez. Gerne erinnere ich mich an Champa­gner­creme­suppe im Schimmer der Tisch­lämp­chen nachts um 3 Uhr, wunder­bare Konzerte und geile Partys mit einer arsch­coolen Theken­crew“, erinnert sich Christian Eitner, Chef der Jazzkan­tine, in seinem Gastbei­trag „Ein Juwel mit Strahl­kraft“. Bärbel Mäkeler hatte gemein­samen mit Peter Lindemann und Finanzier Anselm Dupuis mit dem „Savoy“ einen wahren Paradies­vogel in der Braun­schweiger Kneipen- und Kultur­szene zum Leben erweckt, aber es war eben auch ein großes Wagnis. Später führte sie das „Savoy“ alleine weiter.

Der „kultu­relle Bauch­laden“ kam an beim Publikum, jeden­falls meistens, aber am Ende eben nicht oft genug. Der Auftakt jeden­falls gelang glänzend. Schon die Eröffnung mit dem damals schwer angesagten Clown, Panto­mimen und Akrobaten Eisi Gulp geriet zum rauschenden Fest über zwei Tage. Es folgten 496 öffent­liche Veran­stal­tungen mit insgesamt 1900 Künst­le­rinnen und Künstlern, darunter Größen wie Musiker Bill Ramsey, Kabaret­tist Hanns Dieter Hüsch, Schau­spie­lerin Lisa Fitz oder die Band Element of Crime, und auch local heroes wie die Booze Band, Clever oder G‑Point.

1900 Künst­le­rinnen und Künstler

Insgesamt gab es in den 1000 Tagen Savoy 496 öffent­liche Veran­stal­tungen. Dabei standen insgesamt 1900 Künst­le­rinnen und Künstlern auf der Bühne. Darunter waren auch Tanztee, Motto-Partys und Moden­schauen. Dominant war aber die Musik mit 310 Konzerten, gefolgt von 45 Kabaret­t­auf­tritten und 45 Shows. Die Künst­le­rinnen und Künstler kamen aus aller Welt, aus den USA, aus Austra­lien, aus Japan, aus Brasilien und sogar aus der DDR, die damals noch hinter dem Eisernen Vorhang existierte. Bärbel Mäkeler lässt in ihrem Buch viele Auftritte Revue passieren, mit eigenen Erinne­rungen, mit jenen von Zeitge­nossen und Wegge­fährten, mittels Zeitungs­aus­rissen und auch mit neu geführten Inter­views.

Blick in das Savoy. Foto: Screen­shot aus 1.000 Tage Savoy/Thomas Ammerpohl

Beim Schmökern im Buch fühlen sich all jene, die in den 1980er Jahren in Braun­schweigs Szene unterwegs waren, an die vermeint­lich guten, alten Zeiten erinnert. Da hilft die Liste der seiner­zeit angesagten Kneipen und Disko­theken wie Bullerbü und Expertise, Jolly Joker und Knuff, Leuko­plast und Panop­tikum oder Rizz und Viertel Nach schon sehr. „Meine große Begeis­te­rung galt dem Funk und Soul. Level 42, Shaka Khan, die Neville Brothers oder James Brown brachten mich in Wallung“, erinnert sich die Autorin.

Nicht nur rosige Zeiten

Aber es waren eben nicht nur rosige Zeiten. Zwar „hing der Himmel voller Geigen“, wenn sich Hanns Dieter Hüsch für drei Tage ansagte, im Alltag liefen aber die Fixkosten für Miete, Personal und mehr unver­drossen weiter. Das Unkal­ku­lier­bare blieben die Gäste, ihr Durst und ihre Lust auf Toretl­lini und Co. Schon Ende 1986 hatten sich die Kosten von geschätzten 200.000 D‑Mark auf sehr reale 350.000 D‑Mark angehäuft. Am Ende blieben davon „nur“ 175.000 D‑Mark übrig, auch weil sich Geldgeber Anselm Dupuis „vorbild­lich verhielt. Großes Kino!“. Vom früheren Savoy-Partner Peter Lindemann fehlt Bärbel Mäkeler, die das Savoy von 1988 an im Allein­gang weiter­führte, jede Spur.

In ihrem Buch verdeut­licht Bärbel Mäkeler die am Ende verhäng­nis­volle Crux weniger erfolg­rei­cher Abende: „Eine relativ unbekannte Band, Annette Cimiotti und Combo Cobana, hatte 1.200 D‑Mark Gage ausge­han­delt. Bei einem Eintritt von 11 D‑Mark hätten sich rund 110 Gäste durch die Tür drängen müssen, damit sich das Konzert rechnete. Dem war nicht so: Es kamen rund 30 Gäste, dann lagen 330 D‑Mark DM in der Veran­stal­tungs­kasse.“ Und Löhne für Küchen- und Service­per­sonal, Techniker und weitere Kosten kamen noch oben drauf. „Die Fehlkal­ku­la­tion war hausge­macht: Man hätte wissen können, dass never ever 100 Leute zu diesem Event kommen würden“, blickt die frühere Savoy-Geschäfts­füh­rerin selbst­kri­tisch zurück.

Das könnte Sie auch interessieren