Ein Original, wie es im Buche steht

Carl Heinz „Ente“ Stiddien und Thomas Baader im Beiwagen. Foto: Sammlung Stiddien
Carl Heinz „Ente“ Stiddien und Thomas Baader im Beiwagen. Foto: Sammlung Stiddien

Der Wolfen­büt­teler Motorrad-Enthu­siast Carl-Heinrich „Ente“ Stiddien

Allent­halben wird beklagt, dass die heutige Zeit keine wirkli­chen Originale mehr hervor­bringen würde. Vielleicht stimmt das sogar angesichts des konfor­mis­ti­schen Einflusses von Social Media. Aber wir wollen das hier nicht verteu­feln, sondern uns einem Menschen widmen, der so eigen gelebt hat und lebt, wie es ihm die finan­zi­ellen Möglich­keiten ermög­lichten und es ihm in den Sinn kam. Die Rede ist von Carl-Heinrich Stiddien, besser bekannt unter dem Spitz­namen „Ente“, jeden­falls bei den Motor­rad­fah­rern im Braun­schwei­gi­schen und darüber hinaus. Ja, der 77 Jahre alte gebürtige Wolfen­büt­teler ist ein Original wie es im Buche steht – liebens­wert, bescheiden, authen­tisch.

Episoden aus seinem bewegten Leben von den Anfängen des Motor­rad­fahrer-Daseins mit Unfällen und Touren im strömenden Regen über die Zeit als Rennfahrer, den Rückkauf seines Eltern­hauses bis hin zum Motorrad-Laden in Wolfen­büttel hat er mit einer guten Prise Humor aufge­schrieben und in seinem Buch „Motorrad Ente – eine wahrlich schräge Geschichte“ veröf­fent­licht. Aktuell wird die zweite Auflage des reich­haltig bebil­derten Buches mehr oder weniger im Selbst­ver­trieb unter das Zweirad-Volk gebracht. Wer es liest, kommt ums Schmun­zeln nicht herum. Beim 55. Enten­treffen vom 10. bis 12. Oktober im Falken­heim bei Groß Denkte gibt es Geschichten frei Haus. Die Zufahrt mit Autos ist übrigens nicht möglich.

„Kinds­köp­fig­keit bewahrt“

„Die Liebe zum Motorrad ist bei Papa gewaltig und die Liebe zu seiner Familie … noch gewal­tiger. Ente, als der er allseits bekannt ist – also Papa – hat ein riesiges Herz und hat sich seine Verrückt­heit und Kinds­köp­fig­keit (im besten Sinne) bewahrt“, so charak­te­ri­siert Sohn Jarno, eines von „Entes“ drei längst erwach­senen Kindern, seinen Vater im Schluss­wort treffend. Und er erinnert sich: „Das Motorrad gehört zur Familie. Es ist immer da. Natürlich auf dem Hof und in der Werkstatt und auch im Garten. … Papa im blauen Overall – ölver­schmiert und mit Zigarette im Mund, an einer Maschine schrau­bend in der Werkstatt – auch hier ein aufheu­lender Motor und ein Grinsen in seinem Gesicht.“

Carl Heinz „Ente“ Stiddien an seinem Verkaufsstand im Gifhorner Mühlenmuseum. Foto: Der Löwe
Carl Heinz „Ente“ Stiddien an seinem Verkaufs­stand im Gifhorner Mühlen­mu­seum. Foto: Der Löwe

Wir treffen „Ente“ an einem wunder­schönen Samstag im Gifhorner Mühlen­mu­seum und dort im Hof des Glocken­pa­lastes. Er sitzt hinter einem langen Tapezier­tisch, hat einen Stapel seines Buches vor sich. Es hat einen guten Grund, warum er sich dort nieder­ge­lassen hat. Einer­seits ist im Glocken­turm das Classic Super­bikes Museum mit etwa 100 Motor­rad­klas­si­kern von 1970 bis Anfang der 2000er Jahre unter­ge­bracht und anderer­seits hatten sich Motorrad-Gespann­fahrer aus Norddeutsch­land dort zu einem Treffen verab­redet. Reichlich Kundschaft also und kaum einer kann so lebhaft über Motorrad-Geschichten erzählen wie „Ente“. Das motoviert zum Kauf und eine persön­liche Widmung gibt es noch dazu: „Was fährt immer unser Vati? Natürlich Ducati! Viel Freude mit diesem Buch wünscht der Enterich“.

Vom Motorrad-Virus erfasst

„Nachdem ich mit 18 in der glück­li­chen Lage war ein neues Automobil zu besitzen, zu bewegen und sonst auch kernge­sund war, befiel mich ungefähr zum 19. Wiegen­fest, ganz urplötz­lich ein verteu­felt krank­hafter Virus. Ich konnte nichts dagegen tun. Weder Arzt noch Apotheker, Physio­the­ra­peut sowie Psych­iater, Orthopäde, Kranken­pfleger und Sozial­ar­beiter, besorgte Eltern und Verwandte wussten keinen Rat mehr. Dieser böse Virus verlei­tete mich zu vielen abenteu­er­li­chen Taten, die teilweise echt komisch waren. Bei vielen Motor­rad­fah­rer­treffen am Lager­feuer oder an der Theke erzählt, wurde es Zeit all diese Histör­chen mal aufzu­zeichnen“, schreibt „Ente“ Stiddien.

Thomas Baader (links) und „Ente“ Stiddien nach einem Sieg. Foto: Sammlung Stiddien
Thomas Baader (links) und „Ente“ Stiddien nach einem Sieg. Foto: Sammlung Stiddien

Einen Namen gemacht hat sich „Ente“ vor allem als Rennfahrer in der Motorrad-Seiten­wa­gen­klasse. Sechs Jahre lang war er zunächst mit Thomas Baader und später mit Hans Mainka, dem damaligen Wirt der Braun­schweiger Studen­ten­kneipe „Expertise“, auf den Rennstre­cken in Deutsch­land und dem nahen Ausland unterwegs. Beide „Schmier­maxe“ waren guter Freunde, leben heute nicht mehr, sind viel zu früh gestorben.

Cromwell-Helm mit Samtüberzug

Der große Erfolg blieb aus und der Start bei der legen­dären Tourist Trophy auf der Isle of Man nur ein schöner Traum. Aber als schil­lernde Figur, lange Zeit mit seiner markanten Halbschale mit Samtüberzug als Kopfschutz am Start, berei­cherte er die Fahrer­lager. Von 1975 bis 1980 fuhr er Rennen, auch einige WM-Läufe. Dann war das Geld alle, alles verkauft, was es zu verkaufen gab, darunter auch Oldtimer-Motor­räder, und die Karriere zu Ende. Wenn „Ente“ heute mal ein Rennen besucht, bleibt er im Fahrer­lager, an der Rennstrecke selbst ergreift ihn noch immer die Wehmut, dort nicht mehr selbst am Gashahn drehen zu können. Privat fährt er selbst­ver­ständ­lich noch immer mit größter Freude Motorrad.

In seiner langen Zeit als Motor­rad­fahrer hat „Ente“ rund 60 verschie­dene Motor­räder aller Marken und Länder besessen. Davon und von waghal­sigen Touren sowie unerwar­teten Pannen, von unver­gess­li­chen Begeg­nungen und witzigen Anekdoten sowie seiner kultigen Werkstatt in Wolfen­büttel handelt dieses Buch. Viele Motor­rad­fahrer werden sich bei der Lektüre wieder­ent­de­cken und an eigene Erleb­nisse zurück­denken.

Infos zum Buch

Motorrad Ente – eine wahrlich schräge Geschichte
Carl-Heinrich Stiddien
Verlag 79oktan oHG
2. aktua­li­sierte Auflage 2025
ISBN: 978–3‑9823852–9‑7
112 Seiten
18,90 Euro.

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