Waldwan­de­rung ums Kloster – Wie Pflanzen uns den Weg weisen

Pflanzenwanderung mit Burkhard Bohne. Der Botaniker erklärt rund um das Kloster Riddagshausen, was wir von der Natur lernen können. Foto: Peter Sierigk
Pflanzenwanderung mit Burkhard Bohne. Der Botaniker erklärt rund um das Kloster Riddagshausen, was wir von der Natur lernen können. Foto: Peter Sierigk

Botaniker und Buchautor Burkhard Bohne schärft den Blick für die Kreis­läufe der Natur und die Botschaft der Pflanzen.

Zehn Minuten Stille. Kein mensch­li­cher Laut, kein Wort. Himmli­sche Ruhe. Burkhard Bohne versteht es, die Teilneh­me­rinnen seiner Führung aus dem Alltag zu lösen, zu entschleu­nigen, den Sinn auf die Sinne zu richten. Natur. Vogel­ge­zwit­scher, Blätter­rau­schen, Wasser­plät­schern. Augen, Ohren, Nasen auf für das große Wunder da draußen!

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.06.2021 (Bezahl-Artikel)

Bohne ist ein ein beseelter Fürspre­cher. Vor einigen Monaten hat der Leiter des TU-Arznei­pflan­zen­gar­tens und geistiger Vater des Kloster­gar­tens in Riddags­hausen sein Buch „Die Botschaft der Pflanzen“ heraus­ge­geben. Kein Ratgeber, sondern eine sehr persön­liche Analyse, wie die Natur uns uns näher bringen kann. „Wenn wir die Gesetze der Pflanzen auf uns Menschen übertragen, werden auch wir glück­li­cher“, sagt Bohne. Sein Motto: „Grün tut gut!“

Wir sammeln uns vor dem Eingang der Kloster­kirche. Drei Stunden wollen wir mit Bohne auf Wander­schaft gehen. Der Gärtner­meister will uns die Intel­li­genz der Natur nahebringen, aufzeigen, wie alles zusam­men­hängt, will uns die natür­li­chen Lebens­rhythmen lehren und uns helfen, die Zeichen der Natur zu deuten.

Nachhil­fe­stunde in Sachen Nachhal­tig­keit

Ein perfekter Nachmittag für eine Nachhil­fe­stunde in Sachen Nachhal­tig­keit. Der Wald hält die Hitze ab, die Wärme entlockt den Pflanzen feinste Düfte. Bohne steigt ein mit einer Zeitreise zu den Zister­zi­en­sern. Jenen Mönchen, die im 11. Jahrhun­dert von Burgund auszogen, neue Klöster zu gründen vor den Toren von Städten. Ein Orden der Rückbe­sin­nung, der wieder Demut, Armut und Askese leben wollte.

Bohne preist die Erfolgs­ge­schichte der Zister­zi­enser, ihren durch­dachten Landbau, der bis heute Gültig­keit besitze. Wie ein Spinnen­netz lagen am Ende ihre rund 350 Klöster über der Landkarte Europas. Das Verdienst der Zister­zi­enser war es, dass die Hungers­nöte nun ausblieben. Auch die medizi­ni­sche Versor­gung verbes­serte sich dank des Wissens um die heilende Kräuter.

Mehr Achtsam­keit im Umgang mit der Natur, bitte!

So wurden die Mönche reich, begannen mit Geld zu handeln – und leiteten damit ihren Untergang ein. „Nachdem sie sich von ihren Prinzi­pien verab­schiedet hatten, dauerte es gerade einmal 100 Jahre, bis der Orden in sich zusam­men­brach“, berichtet Bohne trocken.

Der Botaniker plädiert für mehr Achtsam­keit im Umgang mit der Natur. „Wir sollten uns wieder mehr daran erinnern, dass wir Teil der Natur sind und auch die nicht mensch­liche Natur ein Teil von uns ist.“ Die Natur kann ohne uns, wir aber können nicht ohne die Natur.

Pflanzen existieren niemals nur zum Selbst­zweck

Gärtner­meister Bohne, 1962 in Northeim geboren, gründete 2011 die erste Kräuter-Schule Braun­schweig, die seit 2016 einen Ableger auch in Berlin hat. „Pflanzen existieren niemals ausschließ­lich zum Selbst­zweck; sie können nur überleben und sich entwi­ckeln, wenn sie mit anderen Lebewesen inter­agieren und kommu­ni­zieren“, sagt er. Es sei eben nur das wirklich gut, was allen gut tue.

Bohne geht kritisch mit der Mensch­heit ins Gericht: „Vielleicht ist es an der Zeit zu erkennen, dass wir mit unserem Konsum­ver­halten den Bogen weit überspannt haben und dass wir unser Verhältnis zu anderen Menschen und besonders zur Natur neu denken müssen.“ Bohne verweist auf den sich immer stärker beschleu­ni­genden Klima­wandel, auf Grund­wasser, das in atembe­rau­bendem Tempo verbraucht werde, auf das erschre­ckende Ausmaß des Arten­ster­bens.

Eine Buche braucht 500 Liter Wasser am Tag

Der Borken­käfer kann nur so verhee­rend wirken, weil die Bäume kein Wasser mehr haben, um das nötige Harz produ­zieren zu können, das die Brut ihrer Zerstörer in Schach hält. Wir staunen: „Eine ausge­wach­sene Buche Bohne braucht 500 Liter Wasser am Tag“, erklärt Bohne. Er verweist auf den Raubbau des Menschen an der Natur. Mit der Indus­tria­li­sie­rung kam die Maßlo­sig­keit. Er beklagt: „Großflä­chig angelegte landwirt­schaft­liche Monokul­turen, versie­gelte Flächen, Bauwut und Schot­ter­gärten drängen die Natur immer weiter zurück.“ Schon in jungen Jahren war ihm klar geworden: „Irgend­wann mussten die Menschen die Verbin­dung zur Natur vollständig gekappt haben.“ Das will er wieder ändern.

Pflanzenwanderung mit Burkhard Bohne: Der Botaniker erklärt, dass Löcher im Inneren eines Blattes auf Raupenfraß schließen lassen. Foto: Peter Sierigk
Pflan­zen­wan­de­rung mit Burkhard Bohne: Der Botaniker erklärt, dass Löcher im Inneren eines Blattes auf Raupen­fraß schließen lassen. Foto: Peter Sierigk

Und so erzählt vom Werden und Vergehen. Er weist uns darauf hin, dass eine Pflanze nur am rechten Ort gedeiht. Wenn alle Bedin­gungen für sie optimal sind. Ansonsten stirbt sie ab und überlässt sich als Nahrung dem Wohlergehen anderer. Ein funktio­nie­rendes Gesamt­system, das für ein natür­li­ches Gleich­ge­wicht sorgt und für Arten­viel­falt. „Das Vergehen ist so wichtig, wie das Werden“, sagt Bohne. Diese Erkenntnis helfe, auch den eigenen Tod unauf­ge­regt zu betrachten.

Bohne macht uns klar, dass der Wald der Zukunft anders aussehen wird. Weil die meisten Bäume den sinkenden Grund­was­ser­spiegel und den Anstieg der Tempe­ra­turen nicht verkraften werden. Der Harz ist ein mahnendes Beispiel vor der Haustür. Möglich, dass der Ahorn in die Bresche springt für Fichten und Buchen. Weil er Trocken­heit und Hitze besser trotzen kann. Bohne nennt ihn den Forstbaum der Zukunft in Misch­wäl­dern.

Wir lernen hinzu­schauen. Lernen, den giften Schier­ling vom harmlosen Wiesen­kerbel zu unter­scheiden, hören, dass dem Holunder einst nachge­sagt wurde, dass er Dämonen fernhalte, und staunen, als Bohne uns erklärt, dass von innen angefres­sene Blätter auf Raupen­be­fall hindeute, von außen angenagte auf Schne­cken­fraß.

Es gibt so viel zu entdecken und zu verstehen. Drei Stunden reichen nicht aus. Am Ende gibt uns Bohne noch seinen innigen Wunsch mit auf den Heimweg: „Weisheit statt Ego!“ Und bevor wir mit wertvollem Wissen gesättigt ausein­an­der­gehen, bittet er erneut um 10 Minuten der Stille. Himmlisch.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.06.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article232564931/Waldwanderung-ums-Kloster-Wie-Pflanzen-uns-den-Weg-weisen.html (Bezahl-Artikel)

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