Eine virtuelle Aufer­ste­hung

Die Befestigungsanlagen der Werla von oben. Rekonstruktion: AG Gebautes Erbe.
Die Befestigungsanlagen der Werla von oben. Rekonstruktion: AG Gebautes Erbe.

Die Burg Werla beschäf­tigt seit mehr als 70 Jahren Archäo­logen, Histo­riker und Geologen. Nun soll die einstige Kaiser­pfalz wieder aufgebaut werden, zumindest digital am Computer.

Bereits im späten Mittel­alter war die Kaiser­pfalz Werla aus der Landschaft verschwunden. Nur die noch im Boden verbor­genen Spuren geben Aufschluss über ihr einstiges Aussehen. Die Pläne der Natio­nal­so­zia­listen, die Burg sichtbar, dauerhaft zugäng­lich zu machen und zu einem wichtigen Erinne­rungsort des Dritten Reiches auszu­bauen, wurden – zum Glück – nie umgesetzt. Zum Glück auch deshalb, weil die Grabungen der nachfol­genden Jahrzehnte eine Fülle von neuen Erkennt­nissen, im wahrsten Sinne des Wortes, an die Oberfläche gebracht und das Bild der Werla immer wieder verändert haben.

Bezirks­ar­chäo­loge Michael Geschwinde ist faszi­niert von der Forschungs­ge­schichte um die Burg, die auf dem Heilig­kreuz­berg bei Schladen stand. Heute ist eine Toranlage rekon­stru­iert und großflä­chige Grabungen haben anhand von Überresten die Standorte der Kernburg, einer Kapelle, zweier Wohnge­bäude sowie zwei weiterer Toran­lagen freige­legt. Die komplette Anlage ist zu besich­tigen. Für das neue Buch über die Befes­ti­gungs­an­lagen, an dem Geschwinde gerade schreibt, hat er die Ergeb­nisse der Grabungen seit den 1930er Jahren einbe­zogen.

Auf einer DVD, die dem Buch beigelegt werden wird, wird neben dem Plan mit allen Grabungs­er­geb­nissen auch ein virtu­elles Modell zu sehen sein, das die Arbeits­ge­mein­schaft Gebautes Erbe auf Grundlage der archäo­lo­gi­schen Ergeb­nisse erstellt hat. Die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz ist schon lange ein wichtiger Partner für die Forschungen um die Werla. Auch das Entstehen des neuen Buches und des dazuge­hö­rigen Modells unter­stützt sie.

Die Digita­li­sie­rung und Verein­heit­li­chung der Daten war enorm aufwendig. „Aber nun steht ein CAD-Plan zur Verfügung, mit dem man sämtliche Grabungen und ihre Ergeb­nisse nachvoll­ziehen kann“, freut sich Geschwinde. Jeder Grabungs­schnitt, jede Zeichnung, jeder Befund seit 1936 kann einzeln betrachtet werden. Dass man die Schlüsse nachvoll­ziehen kann, die er aus den Grabungs­er­geb­nissen zieht, ist Geschwinde wichtig. In der Forschungs­ge­schichte gab es bereits einige Thesen, die aufgrund von späteren Grabungen und anderen Inter­pre­ta­tionen früherer Ergeb­nisse widerlegt wurden.

Und die Beschäf­ti­gung mit den neuen Methoden brachte auch für Geschwinde neue Einblicke. Erstmals konnten Daten eines Airborne-Laser­scans ausge­wertet werden. Daraus lässt sich erkennen, wie ideal der Standort für eine Burg gewählt war. Das Hochpla­teau der Werla liegt wie eine Insel im Feucht­ge­biet der Oker, das regel­mäßig vom Hochwasser überspült wurde. Da es nur von zwei Seiten zugäng­lich war, konnte es von der Besatzung der Burg gut kontrol­liert werden.

Für die Reali­sie­rung des virtu­ellen Modells benötigen Elmar Arnhold und Frank Ziehe in ihrer Werkstatt kein Papier, Holz und Kleber, auch keine Scheren und Sägen. Dafür eine Unmenge an Daten, ihre Modelle entstehen am Rechner. „Die Schwie­rig­keit bestand darin, aus dem, was unter der Erde ist, das zu rekon­stru­ieren, was über der Erde zu sehen war“, beschreibt Bauhis­to­riker Arnhold die Arbeit. Die Stärke der Funda­mente, der Verlauf der Mauern, die Beschaf­fen­heit des Geländes, alles war Grundlage für die digitale Rekon­struk­tion. Auch Ergeb­nisse anderer Grabungen, zum Beispiel von der Burg Tileda und zeitge­nös­si­sche Buchma­le­reien dienten zur Absiche­rung. Doch trotz aller Grund­lagen und Recher­chen bleibt das Modell doch immer eine Hypothese. „Wir werden nie wissen, ob wir Recht haben mit unseren Annahmen, vielleicht war auch alles ganz anders und spätere Forscher kommen zu ganz anderen Ergeb­nissen“, meint Arnhold schmun­zelnd.

Und das Projekt Werla ist auch nach mehr als 70 Jahren Forschungs­ge­schichte noch lange nicht zu Ende. Elmar Arnhold hat noch viele Ideen. „Die Technik der virtu­ellen Realität macht große Fortschritte. Eine Reise in die mittel­al­ter­liche Werla ist schon jetzt möglich, zumindest digital.“ Michael Geschwinde konzen­triert sich in seinem Buch auf die Befes­ti­gungs­an­lagen. Aber auch die Bebauung des Innen­raumes wartet noch auf eine nähere Betrach­tung. „Das kommt dann 2018“, stellt er in Aussicht. Und weitere Grabungen, um noch offene Fragen zu beant­worten? „Bestimmt! Doch je mehr wir forschen, desto mehr Fragen stellen sich…“

Bücher über die Burg Werla:

Markus C. Blaich, Michael Geschwinde (Hrsg.): Werla 1. Die Königs­pfalz. Ihre Geschichte und die Ausgra­bungen 1875–1964, Mainz 2015.

Markus C. Blaich (Hrsg.): Werla 2. Die Menschen von Werla­burg­dorf. Ein Beitrag zur Geschichte des Nordharz­vor­landes im 8. bis 10. Jahrhun­dert, Mainz 2013.

Werla 3 von Michael Geschwinde erscheint im Frühjahr 2017 inkl. DVD mit Plan und digitalem Modell.

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