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Eine Zeitung für die Seele

Das Cover einer Ausgabe der Zeitung „Selbstbewusst (und) Anders“. Foto: AWO / Heike Hohrenk
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Hinter dem Zeitungstitel „Selbstbewusst (und) Anders“ verbirgt sich ein inklusives Publikationsprojekt von Menschen mit und ohne Handicap.

Man muss nicht ein großer Verleger sein, um eine gute Zeitung ins Leben zu rufen. Vor fünf Jahren erkannte Heike Hohrenk bei der täglichen Arbeit als Ergotherapeutin der AWO Arche Tagesstätte, eine Einrichtung für Erwachsene mit seelischen Erkrankungen, das große kreative Potenzial der von ihr betreuten Menschen. Bei Heike Hohrenk reifte eine geniale Idee. In ihrer Freizeit konzeptionierte sie ein inklusives Zeitungsprojekt. Gedacht – und getan: Seit nunmehr fünf Jahren erscheint „Selbstbewusst (und) Anders“, bei dem Menschen mit und ohne Handicap die Redaktion stellen und journalistische Texte verfassen. Eine Hürde gibt es jedesmal trotzdem zu nehmen: Jede Zeitungsausgabe ist auf die Unterstützung externer Sponsoren angewiesen.

„Diese Zeitung entwickelte sich zu einem sehr spannenden Projekt. Sie ist nicht nur eine Plattform für Betroffene, sondern auch für Menschen, die Informationsbedarf über soziale Themen haben“, so Hohrenk. Die erste Ausgabe erschien 2011, das Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Ausgabe zog, lautete damals: „Was ist schon normal?“. Ehrenamtliche, Betroffene und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen arbeiten Hand in Hand. Die acht Redaktionsmitglieder haben im Laufe der Jahre immer mal wieder gewechselt. Die Gründe hierfür seien unterschiedlich, so Hohrenk. Einige Redakteure sind seit Beginn mit anhaltender großer Begeisterung dabei.

Die Zeitungspionierin erwähnt die positiven Effekte: „Die psychisch Erkrankten und nicht selten Stigmatisierten werden durch ihre Arbeit unheimlich in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt.“

Ziel ist es, soziale Einrichtungen in Wolfenbüttel, im Landkreis und in den angrenzenden Gebieten vorzustellen. Mal kommen Betroffene zu Wort, die diese Einrichtungen nutzen, mal Außenstehende. Die Zeitung gestaltet sich stets nach der gleichen Struktur. Die Rubriken: Wortspiel“, „Begegnungen“, „Aus der Textwerksstatt“, „Rat & Hilfe“, „Zu Guter Letzt“ und „Vorschau & Tipp“. Während anfangs die ausgebildete Redakteurin Babette Burgtorf die Erstellung der journalistischen Texte begleitete, steht die achtköpfige Redaktion heute auf eigenen Füßen. Nach wie vor hilft der Grafiker Chris Collet professionell bei der Gestaltung des vielseitigen Heftes.

„Wichtig bei der Erstellung ist, dass alle beteiligten Redakteure viel Freiraum haben und gemeinsam die Themen gesucht und festgelegt werden“, so Hohrenk. Die Blattpionierin ergänzt: „Der Gewinn des Projektes liegt unter anderem im gegenseitigen Kennenlernen mit unterschiedlichsten Menschen und sich Schätzenlernen.“

Ein Interview ist tief im Gedächtnis geblieben. 2014 erhielten drei Redakteure von „Selbstbewusst und Anders“ die Gelegenheit, in der JVA Wolfenbüttel zwei Gefängnisinsassen zu treffen – und ausgiebig zu befragen. Hinter den Mauern gewannen sie unter anderem einen Einblick in den Häftlingsalltag, in das Seelenleben der Insassen und deren Zukunftsperspektiven. All dies verarbeiteten sie zu einem Artikel. In der JVA erscheint das von Häftlingen gestaltete Magazin „Alcatraz“. Man tauschte sich aus, Kontakte bestehen bis heute.

Mittlerweile ist die fünfte Ausgabe mit dem Thema „Miteinander – im Gespräch bleiben“ in Bearbeitung mit Beiträgen über Selbstbestimmung in einem sozialpsychiatrischen Wohnheim, über ein Fotoprojekt mit Demenzkranken, über Gedanken über Kommunikation zwischen „Jungen“ und „Alten“, über Erfahrungen mit „Pokemon Go“ und über die Ausbildung zum Genesungsbegleiter von EX/IN. Beteiligt an der neuen Ausgabe sind heute das AWO Wohn- und Pflegeheim im Kamp in Wolfenbüttel, die Senioren-Betreuung Schloss Schliestedt, die AWO Arche Tagesstätte in Wolfenbüttel, das Sozialpsychiatrische Zentrum in der Parkstraße, für das Heike Hohrenk heute tätig ist, in Braunschweig und die Tagesklinik Wolfenbüttel.

Gesponsert wird die neue Ausgabe, die in sozialen Einrichtungen und in Praxen erhältlich ist, von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigische Sparkassenstiftung.

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