Letzte Hinrich­tung im Hof des Aegidi­en­klos­ters

Der Verurteilte Anton Giepß steht mit zum Gebet gefalteten Händen im Hof des Aegidienklosters kurz vor seiner Hinrichtung. Foto: Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte

In den Braun­schwei­gi­schen Anzeigen Nr. 90 vom 18. April 1885 war zu lesen: „Die Vollstre­ckung des in der Sitzung des Herzog­li­chen Schwur­ge­richtes vom 17. März über den Arbeiter Anton Giepß und die Witwe Koczmider wegen Mordes gefällten Todes­ur­teils hat heute Morgen 7 Uhr im Kloster­ge­fängnis statt­ge­funden.“ Von 1840 an dienten die Kloster­räume von St. Aegidien als Landes­straf­an­stalt. Dort, wo heute der Brunnen noch zu sehen ist, befand sich die offizi­elle Hinrich­tungs­stätte. Die letzte der zahlrei­chen vollzo­genen Todes­strafen war jene vom 17. April 1885.

Ehemann stand im Weg

Beteiligt waren an dem grausamen Geschehen der Arbeiter Anton Giepß (28 Jahre), der Arbeiter Caspar Koczmider (35 Jahre) und die Witwe des Arbeiters Koczmider (35 Jahre). Angeklagt waren Anton Giepß und die Witwe Koczmider, beide aus der Provinz Posen und zuletzt in Meynkoth im Amt Vorsfelde wohnend. Es war der klassi­sche Fall eines Liebes­ver­hält­nisses, bei dem schließ­lich der Ehemann im Weg stand. 

Die schwie­rigen Ehever­hält­nisse des Ehepaares Koczmider hatten ihren Ausgangs­punkt in der Armut des Arbei­ter­haus­haltes, da zur Aufbes­se­rung des Lebens­un­ter­haltes Kostgänger in Unter­miete in der kleinen Wohnung unter­ge­bracht wurden. Immer wieder scheint – so steht es in den Proto­koll­akten der Schwur­ge­richts­ver­hand­lung – die Witwe näheren Kontakt zu diesem Unter­mieter besessen zu haben, und zwar sowohl im Sinne des Ehebruchs als auch dahin­ge­hend, dass sie diese zu straf­baren Handlungen (Diebstahl und anderes) angestiftet und ausge­nutzt hatte.  

Diese Verhal­tens­weise der Ehefrau belastete das Ehever­hältnis enorm, und sie gab daher auch an, dass sie schon längere Zeit in einer nicht glück­li­chen Ehe gelebt habe, wobei sie alleine daran die Schuld trüge, ehe sie dann den Arbeiter Anton Giepß kennen­lernte und als Unter­mieter aufnahm. Er stammte aus dem gleichen Ort in der Provinz Posen wie das Ehepaar Koczmider. Auf jeden Fall verliebte sie sich in ihn und unter­hielt über längere Zeit ein inten­sives Verhältnis. Dies führte zu einem ständigen Streit mit dem Ehemann.

Streit und Mordkom­plott

Immer wieder hatten die Nachbarn von lautem Streit, heftigen Ausein­an­der­set­zungen und wilden Trink­or­gien berichtet, so dass auch des Öfteren die Polizei hatte eingreifen müssen. Diese unhalt­baren Zustände weckten offen­sicht­lich bei der Ehefrau Koczmider den Gedanken, sich von ihrem Mann zu trennen, um sich ganz ihrem Geliebten widmen zu können. Dies sollte jedoch keines­wegs auf legale Weise durch eine Scheidung erfolgen, sondern immer stärker gewann die Idee Konturen, den Ehemann auf irgend­eine Weise gewaltsam zu besei­tigen. Für diese Idee gewann sie ihren Liebhaber Anton Giepß, und mit ihm überlegte sie, wie dieser Plan am besten gelingen könne.  

Die Ideen waren offen­sicht­lich vielfältig, ebenso vielfältig die Versuche. Am 27. Oktober 1884 überre­dete die Ehefrau Koczmider ihren Geliebten, nun endlich Schluss mit dem Ehemann zu machen und legte ihm zu diesem Zweck ein Beil bereit. „Bring weder den Mann noch das Beil mit nach Hause“, hatte sie gesagt. Worauf Anton Giepß geant­wortet hatte: „Ich will sehen, was sich machen lässt“. Auf einem Feldweg nahm er schließ­lich das versteckte Beil und schlug mit einem heftigen Schlag von hinten auf den Kopf seines Opfers, das daraufhin sofort zu Boden stürzte. Den am Boden liegenden und schwer verletzten Arbeiter schlug er noch zweimal heftig mit dem Beil auf den Kopf und ließ die entstellte Leiche auf dem Feld liegen. Anschlie­ßend lief er nach Hause. Unterwegs warf er das Beil in einen nahege­le­genen Bach.

Erst Lügen, dann Geständnis

Bereits am nächsten Morgen wurde die Leiche gefunden, und sehr schnell hatte die Polizei das Pärchen in Verdacht. Giepß behaup­tete, dass Koczmider von zwei Leuten erschlagen worden sei, die sie beim Rüben­stehlen erwischt hätten und festhalten wollten. Er selbst habe noch recht­zeitig die Flucht ergreifen können. 

Hof von St. Aegidien. Foto: Thomas Ostwald

Nach einigen Tagen wurde aber das Beil im Bach gefunden, und nachdem der Verdäch­tige damit konfron­tiert wurde, gestand er seine Schuld ein und beschul­digte seine Geliebte der Anstif­tung zu diesem Mord. Nachdem die Vorun­ter­su­chungen abgeschlossen waren, fand am 16. und 17. März 1885 in Braun­schweig die Schwur­ge­richts­ver­hand­lung statt. Von Anfang an war die Sache klar, da Anton Giepß und die Witwe Koczmider ein volles Geständnis abgelegt hatten.  

Nach kurzer Beratung des Gerichts erfolgte der Schuld­spruch, und das Urteil lautete auf Todes­strafe, Verlust der bürger­li­chen Ehren­rechte und Übernahme der Kosten des Verfah­rens, und zwar für Anton Giepß wegen Mordes und für die Witwe Koczmider wegen Anstif­tung zu diesem Mord.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung, TU Braun­schweig. 

Mehr zum Thema: Der Henker im Richthof von St. Aegidien 

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