Lücken­schluss in der NS-Geschichte

Auf dem Burgplatz 1935: Hinter Hitler Jeckeln, links neben ihm Klagges und ganz rechts im Hintergrund Alpers. Foto: Arbeitskreis Andere Geschichte
Auf dem Burgplatz 1935: Hinter Hitler Jeckeln, links neben ihm Klagges und ganz rechts im Hintergrund Alpers. Foto: Arbeitskreis Andere Geschichte

Projekt des Arbeits­kreises Andere Geschichte nennt im Buch „Hitlers Braun­schweiger Personal“ Täter und Mitläufer des Nazi-Regimes in Braun­schweig beim Namen.

Mit „Hitlers Braun­schweiger Personal“ haben sich Heraus­geber Reinhard Bein und Autoren des Arbeits­kreis Andere Geschichte an ein dunkles Kapitel braun­schwei­gi­scher Vergan­gen­heit gewagt. Nach anfäng­li­chen Zweifeln, ob das Buch überhaupt verlegt werden sollte, hat es sich als besonders nachge­fragt beim geschichts­in­ter­es­sierten Publikum erwiesen. In Kurzbio­gra­fien werden Täter und Mitläufer des Nazi-Regimes in Braun­schweig beim Namen genannt. Das Buch schließt eine Lücke in der regio­nalen Geschichts­schrei­bung.

Es ordnet die Lebens­ge­schichten lokaler und regio­naler Nazi-Größen in histo­ri­sche Zusam­men­hänge ein und versucht zu klären, wie und warum sie zu Handlan­gern im Dritten Reich wurden. Im April im Verlag döring­Druck in Braun­schweig erschienen, war die erst Auflage schnell vergriffen. Jetzt liegen die Bücher der zweiten Auflage in den Regalen des Buchhan­dels. Das Projekt des Arbeits­kreises Andere Geschichte wurde gefördert durch die Richard Borek Stiftung, die Stiftung Prüsse und die Industrie- und Handels­kammer Braun­schweig.

In dem vorlie­genden Band geht es einer­seits um die Gruppe des macht­be­ses­senen und korrupten Minis­ter­prä­si­denten Dietrich Klagges, der sich mit Kumpanei und Begüns­ti­gung eine ihm verpflich­tete Gefolg­schaft heranzog. Anderer­seits geht es aber auch um Männer in politi­schen, wirtschaft­li­chen und militä­ri­schen Schalt­stellen, die an dem Unheil verant­wort­lich mitwirkten. Und es geht auch um dieje­nigen, die sich in den Nachkriegs­jahren aus der Verant­wor­tung logen. „Wieder ein Meister­werk – längst fällig und dringend notwendig“, urteilte der mittler­weile verstor­bene renom­mierte Histo­riker und Politik­wis­sen­schaftler Ernst-August Roloff.

Das Werk beinhaltet auf 320 Seiten 38 gründlich recher­chierte und fakten­ba­sierte Kurzpor­träts mit Porträt­fo­to­gra­fien der jeweils beschrie­benen Nazi-Größen sowie einer Reihe fotogra­fi­scher Zeitdo­ku­mente. Inhalt­lich steht es im krassen Kontrast zu den drei vorhe­rigen Bänden der Reihe „Braun­schweiger Persön­lich­keiten des 20. Jahrhun­derts“. Denn die 181 darin porträ­tierten Frauen und Männer mussten alle etwas Bedeu­tendes und über die ehema­ligen Braun­schwei­gi­schen Landes­grenzen hinaus Beach­tetes geleistet haben. Klar war, dass die vorge­stellten Persön­lich­keiten keine Verbre­chen begangen haben durften.

Dies Kriterium schloss die Berück­sich­ti­gung von Personen mit Nazi-Vergan­gen­heit von vornherein aus. „Wir haben aber von Anfang an daran gedacht gehabt, einen eigenen, vierten  Band für diesen Kreis zu verfassen. Wir machen unsere  Unter­schei­dung schon im Titel unmiss­ver­ständ­lich deutlich. Wir reden nicht von Persön­lich­keiten, sondern von Hitlers Personal“, sagt Reinhard Bein.

„Unter Hitlers Braun­schweiger Personal fanden wir kaum Menschen, die Bedeu­tendes geleistet haben, die meisten waren Mittelmaß, und allen­falls ihre ideolo­gi­sche Beschränkt­heit, Verbohrt­heit, Skrupel­lo­sig­keit, Bruta­lität und ihr Oppor­tu­nismus waren bemer­kens­wert und Voraus­set­zung für eine Karriere in einem Staat ohne Mensch­lich­keit und Mitgefühl gegenüber denen, die sie beherrschten“, fasst Bein im „Vorweg“ seine Abscheu gegenüber „Hitlers Braun­schweiger Personal“ in Worte.

Mit „Lebens­ge­schichten von Braun­schweiger Juden“ hat Reinhard Bein im Prinzip sogar bereits einen fünften in die Kurzpor­trät-Reihe passenden Band geschrieben. Darin hat er 42 Lebens­ge­schichten nachge­zeichnet. Alle fünf Bücher sind in Machart und Format gleich. Und ein sechster Band mit dem Titel „Braun­schweiger Frauen in ihrer Zeit“ ist wieder als Gemein­schafts­pro­duk­tion mehrerer Autoren in Arbeit.

Der „Arbeits­kreis Andere Geschichte“ existiert seit 1985. Er führt Geschichts­in­ter­es­sierte zusammen, die sich mit Braun­schweigs Geschichte im 19. und 20. Jahrhun­dert ausein­an­der­setzen. Der Arbeits­kreis leistet einen Beitrag zur Erfor­schung der Regio­nal­ge­schichte. Der soziale Wandel der Stadt seit der Indus­tria­li­sie­rung, die Zeit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Diktatur, die Geschichte Braun­schweiger Frauen oder die Entwick­lung der einzelnen Stadt­quar­tiere sind einige der Themen. Der Arbeits­kreis betreut im Auftrag der Stadt die Gedenk­stätte KZ-Außen­lager Schill­straße.

Neben Reinhard Bein schrieben an „Hitlers Braun­schweiger Personal“ Regina Blume, Hein Günther Halbeisen, Gudrun Hirsch­mann, Dietrich Kuessner, Hans-Ullrich Ludewig, Dieter Miosge, Almuth Rohloff, Isabel Rohloff, Jannik Sachweh, Manfred Urnau, Susanne Weihmann und Michael Wettern mit.

 Fakten

„Hitlers Braun­schweiger Personal“

Taschen­buch: 320 Seiten

Verlag: döring­Druck

Preis: 14,95 Euro

ISBN-10: 3925268561

ISBN-13: 978–3925268564

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