Vor 100 Jahren wurde Rollei gegründet

Die 1930 in Betrieb genommene Rollei-Fabrik an der Salzdahlumer Straße. Foto: Stadtarchiv Braunschweig, Bildersammlung H XVI D IV.
Die 1930 in Betrieb genommene Rollei-Fabrik an der Salzdahlumer Straße. Foto: Stadtarchiv Braunschweig, Bildersammlung H XVI D IV.

Die „Werkstatt für Feinme­chanik und Optik – Franke und Heidecke“ in Braun­schweig wurde zu einer weltweiten Erfolgs­ge­schichte.

Die Rollei GmbH & Co. KG firmiert aktuell in Norder­stedt. In Norder­stedt? Für uns Braun­schweiger klingt der Name noch immer nach hochwer­tigen Fotoap­pa­raten aus unserer Stadt, aber damit hat der Online­shop längst nichts mehr zu tun. Übrig­ge­blieben sind letztlich nur noch der klang­volle Name und der typische Rollei-Schriftzug.

Exemplare der legen­dären zweiäu­gigen Rolleiflex oder der Rollei 35, der einst kleinsten Taschen­ka­mera der Welt, finden Liebhaber noch auf ebay – zu teilweise horrenden Preisen. Immerhin. Bei der Suche nach den Ikonen der Fototechnik im Internet beschleicht einen aber dennoch Wehmut, schließ­lich wurde Rollei im Februar 1920 gegründet. In Braun­schweig! Vor genau vor 100 Jahren!

Konkur­renz aus Fernost

Die letzten der insgesamt rund 7 Millionen in Braun­schweig produ­zierten Kameras mit dem Namen Rollei wurden 2015 bis zu Insolvenz von der Firma DHW Fototechnik herge­stellt. Es war der traurige Schluss­punkt hinter eine turbu­lenten Firmen­ge­schichte, die glänzende Kapitel insbe­son­dere in der Zeit des Wirtschafts­wun­ders geschrieben hatte, aber von den 1970er Jahren an vor allem von wachsender Finanznot gekenn­zeichnet gewesen war. Das Ende dieses Welt-Unter­neh­mens hatten der unauf­halt­same Aufstieg der Konkur­renz aus Fernost, insbe­son­dere Japan, und Manage­ment­fehler einge­läutet. Rollei, einst gefei­erter Techno­lo­gie­führer, hatte nicht mehr Schritt halten können.

Von Hand wurden die Rolleiflex-Kameras montiert. Foto: Stadtarchiv Braunschweig, Bildersammlung H XVI D IV.
Von Hand wurden die Rolleiflex-Kameras montiert. Foto: Stadt­ar­chiv Braun­schweig, Bilder­samm­lung H XVI D IV.

Dieses Schicksal teilte Rollei mit Voigt­länder, dem zweiten großen Fototechnik-Tradi­ti­ons­un­ter­nehmen aus Braun­schweig. Es musste schon 1972 die Segel streichen. Rollei ging 1981 in Insolvenz. Die Verla­ge­rung von großen Teilen der Produk­tion nach Singapur im Jahr 1971 konnte den Nieder­gang nicht mehr aufhalten. Bereits 1974 war das Unter­nehmen in wirtschaft­liche Schief­lage geraten. Bei einem Umsatz von 137 Millionen D‑Mark wurden 37 Millionen D‑Mark Verlust einge­fahren. Rollei hatte bereits 500 Millionen Mark Schulden. Das Aus für die Braun­schweiger Fotoin­dus­trie kostete tausenden Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeit­neh­mern den Job.

Queen Elisabeth fotogra­fierte mit Rollei

Queen Elisabeth II. fotografiert mit ihrer goldenen Rollei 35 (1973). Foto: Stadt Braunschweig/ Anwar Hussein
Queen Elisabeth II. fotogra­fiert mit ihrer goldenen Rollei 35 (1973). Foto: Stadt Braunschweig/ Anwar Hussein

Vorbei war der Glanz der stolzen Marke Rollei. Mit der kompakten Rollei 35 soll einst sogar die Queen Elisabeth II. Famili­en­fotos geschossen haben. Und auf die zweiäu­gige Rolleiflex schworen die Profis, Zeitungs- und Modefo­to­grafen. Sie hatte sogar einen großen Filmauf­tritt: James Bond, Agent der Majestät, fotogra­fierte mit ihr in dem 007-Film „Liebes­grüße aus Moskau“ (1963). Rollei war auf der ganzen Welt hoch geschätzt und erfüllte den Standort Braun­schweig mit Stolz. An die glorreiche Zeit der Fototechnik in Braun­schweig erinnert das Städti­sche Museum mit seiner umfang­rei­chen Sammlung von Rollei- und Voigt­länder Kameras. Im Zuge des Konkurs­ver­fah­rens hatte die Stadt die Rollei-Sammlung erhalten. Das ehemalige Werks­ge­lände an der Salzdah­lumer Straße, 1930 in Betrieb genommen, wird als „Rollei Zentrum für Existenz­gründer“ genutzt.

Die Anfänge des Unter­neh­mens lagen in der Vieweg­straße 32. Der Kaufmann Paul Franke (1888 – 1950) und der Techniker Reinhold Heidecke (1881 – 1960), beide im Hause Voigt­länder groß geworden, taten sich zusammen und gründeten die Firma „Werkstatt für Feinme­chanik und Optik – Franke und Heidecke“. Ausgangs­punkt der Selbst­stän­dig­keit war die grandiose Idee Heideckes für eine moderne Rollfilm-Kamera. Bei Voigt­länder wollte man damals davon nichts wissen und setzte weiter auf Platten­film-Kameras. Mit der Konstruk­tion der „Roll(H)eidoskop“ begann die Erfolgs­ge­schichte von Rollei.

Durch­bruch mit der Rolleiflex

Die Rolleiflex begründete die einstige Erfolgsgeschichte von Rollei. Foto: Städtisches Museum Braunschweig/Dirk Scherer
Die Rolleiflex begrün­dete die einstige Erfolgs­ge­schichte von Rollei. Foto: Städti­sches Museum Braunschweig/Dirk Scherer

Der Durch­bruch gelang den beiden mit der ersten Rolleiflex im Jahr 1927. Die Nachfrage, auch dank der geschickten und überaus erfolg­rei­chen Vermark­tung durch Paul Franke, überstieg schnell die Möglich­keiten des jungen Unter­neh­mens, so dass der Bau einer neuer Produk­ti­ons­stätte unerläss­lich blieb. Die 1933 vorge­stellte Rollei­cord, die abgespeckte Variante der Rolleiflex, wurde bis zu ihrer Einstel­lung 1976 rund 2,7 Millionen Mal verkauft und war der überra­gende Bestseller. 1937 schließ­lich gewann die neuartige Rolleiflex Automat den Großen Preis der Weltaus­stel­lung in Paris.

Während des Krieges wurden bei Rollei notge­drungen auf Weisung der Nazis Rüstungs­güter wie Zielfern­rohre und Periskope herge­stellt. Durch Bomben waren schließ­lich große Teile des Werkes zerstört worden, aber der Wieder­aufbau gelang rasch. Breite Bevöl­ke­rungs­schichten entdeckten in den Nachkriegs­jahren die Fotografie für sich. Die 1966 auf den Markt gebrachte Rollei 35 und ihre Weiter­ent­wick­lungen markierten mit rund zwei Millionen verkauften Exemplaren einen weiteren Höhepunkt. Es war aller­dings der letzte des Unter­neh­mens.

Verzwei­felte Rettungs­ver­suche

Nach der Insolvenz 1981 folgten mehr oder weniger verzwei­felte Rettungs­ver­suche verschie­dener Eigen­tümer aus Deutsch­land, England, Dänemark, Südkorea und Hongkong. Darunter befand sich auch ein sogenanntes Manage­ment-Buy-out (2004), das leider ebenfalls erfolglos blieb. Was bleibt ist ein großer, unver­än­dert klang­voller Name der braun­schwei­gi­schen Indus­trie­ge­schichte.

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