Braun­schweigs Filmfest hat einen neuen Kopf

Thorsten Rinke (rechts) hat den Vorsitz des Braunschweiger Filmfest-Vereins von Edgar Merkel übernommen. Foto: Florian Arnold
Thorsten Rinke (rechts) hat den Vorsitz des Braunschweiger Filmfest-Vereins von Edgar Merkel übernommen. Foto: Florian Arnold

Nach fast 25 Jahren übergibt Edgar Merkel den Vorsitz des Filmfest-Vereins an Thorsten Rinke. Der muss gleich einen neuen Festi­val­di­rektor finden.

Eigent­lich wollte Edgar Merkel im Filmfest­verein Braun­schweig nur seiner Leiden­schaft fürs Kino nachgehen: Festivals besuchen, Filme schauen und einige fürs Programm des Filmfests empfehlen. Doch schon kurz nach seinem Eintritt Anfang der 90er Jahre war er plötzlich Vorsit­zender. „So etwas ist mir öfter passiert. Ich kann ganz gut organi­sieren und Konflikte moderieren. Und mit Filmen kannte ich mich auch aus“, sagt Merkel in seiner bedachten, leise ironi­schen Art.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.09.2019 (Bezahl-Artikel)

Fast 25 Jahre hat der frühere Leiter des Braun­schweiger Hoffmann-von-Fallers­leben-Gymna­siums das aufwen­dige Ehrenamt bekleidet. „Für mich ist er das Gesicht des Filmfests“, meint Thorsten Rinke. Der 51-jährige Diplom-Ingenieur war zuletzt Merkels Stell­ver­treter. Einige Wochen vor der 33. Festival-Auflage Anfang November hat er nun selbst den Vorsitz übernommen. Merkel will in die zweite Reihe zurück­treten, dem Vorstand aber beratend zur Seite stehen. „Wir liegen auf einer Linie“, betont Rinke.

Festival ohne Leiter

Der Wechsel des Vorsit­zenden fällt in eine knifflige Zeit. Das Festival geht in diesem Jahr ohne künst­le­ri­schen Leiter über die Bühne, nachdem der Vertrag mit Michael Aust im April nach fünf Jahren nicht verlän­gert worden war. In beider­sei­tigem Einver­nehmen, wie Rinke und Merkel noch einmal betonen. Unter Aust habe sich das Festival program­ma­tisch und vom Publi­kums­zu­spruch her gut entwi­ckelt. Aber die Mehrfach­be­las­tung des 54-Jährigen, der in seinem Wohnort Köln auch das Festival Sound­track Cologne leitet und als Produzent tätig ist, habe sich mit seinen Aufgaben in Braun­schweig nicht mehr verein­baren lassen. „Das hatte auch arbeits­recht­liche Gründe“, sagt Merkel.

Weniger Bewerber als vor fünf Jahren

Aust werde während des Festivals auch zugegen sein. Und mögli­cher­weise sei bis dahin auch bereits ein Nachfolger gefunden. „Das ist zumindest das Kampfziel“, so Merkel. Es gebe eine Reihe von Bewer­bungen, wenn auch nicht so viele wie bei der letzten Ausschrei­bung vor fünf Jahren. „Wir sprechen aller­dings auch selbst inter­es­sante Kandi­daten aus der zweiten Reihe der großen Festivals an“, ergänzt Rinke.

Der 51-Jährige ist in Kassel aufge­wachsen und seit seiner Jugend Filmfan. Nach dem Abitur liebäu­gelte er mit einem Film-Studium. „Aller­dings hatte ich keine prakti­sche Erfah­rungen, und Ende der 80er Jahre gab es nur drei Filmhoch­schulen in Deutsch­land. Heute sind es rund ein Dutzend. Damals hat das dann nicht geklappt.“ Statt­dessen studierte Rinke Maschi­nenbau und heuerte Anfang der 2000er Jahre in der Entwick­lungs­ab­tei­lung von VW in Wolfsburg an. Seine Freizeit widmete er mit seiner Frau weiter der Kinolei­den­schaft. „Wir richten unseren Urlaub nach den Festivals aus, von Berlin und Cannes über Venedig bis Locarno“, erzählt Rinke. Auf diese Weise habe er schließ­lich auch Edgar Merkel kennen­ge­lernt, der ihn in den Verein holte.

Unter den zehn größten Festivals

Als Vorsit­zender will Rinke die Verbands­ar­beit inten­si­vieren. Konkret bedeute das: „Es gibt rund 400 Filmfes­ti­vals in Deutsch­land. Braun­schweig gehört zu den zehn größten. Bisher werden die Festivals öffent­lich aller­dings nur von den jewei­ligen Bundes­län­dern unter­stützt, aber beispiels­weise nicht von der zentralen Filmför­de­rungs­an­stalt des Bundes. In Deutsch­land werden immer mehr Filme produ­ziert, aber viele laufen nur noch auf Festivals und schaffen es nicht mehr in die Kinos. Diese wichtige Rolle der Festivals muss gewürdigt werden.“

Program­ma­tisch hält Rinke das Wachstum des Braun­schweiger Filmfests mit vielen neuen Reihen in den letzten Jahren für richtig. „Damit reagieren wir auf die Ausdif­fe­ren­zie­rung des Publikums. Reihen wie ‚Beyond’ oder ‚Cinest­range’ mit kontro­versen Filmen sind wichtig, um junge Zuschauer zu erreichen.“ Gut findet Rinke auch die Preis-Stiftungen aus Reihen des Vereins und des Publikums, wie der „Tilda“ für junge Filme­ma­che­rinnen. „Mikro­spon­so­ring“ sei ein Zukunfts­thema – „ergänzend zum starken Engage­ment unseres Haupt­spon­sors Volks­wagen Financial Services“.

Und Edgar Merkel? Er könne nun endlich das machen, weshalb er vor gut 25 Jahren dem Verein eigent­lich beigetreten sei, sagt der 65-Jährige lächelnd: Festivals besuchen, neue Filme schauen und einige davon fürs Filmfest empfehlen.
Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.09.2019 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article227220515/Braunschweigs-Filmfest-hat-einen-neuen-Kopf.html (Bezahl-Artikel)

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