Bedeu­tende Persön­lich­keit der Frauen­be­we­gung

Elisabeth Gnauck-Kühne war eine der führenden Frauenrechtlerinnen im 19. Jahrhundert. Repro: IBR
Elisabeth Gnauck-Kühne war eine der führenden Frauenrechtlerinnen im 19. Jahrhundert. Repro: IBR

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 28: Elisabeth Gnauck-Kühne stritt im 19. Jahrhun­dert für Univer­si­täts­stu­dium und Wahlrecht.

Elisabeth Gnauck-Kühne, am 2. Januar 1850 in Vechelde/Braunschweig geboren und am 12. April 1917 in Blankenburg/Harz gestorben, zählt zu den Mitbe­grün­de­rinnen der deutschen Frauen­be­we­gung. Sie gilt als erste deutsche Sozial­po­li­ti­kerin. Zum heutigen Inter­na­tio­nalen Frauentag lohnt das Porträt dieser bedeu­tenden Braun­schwei­gerin und Blanken­burger Bürgerin.

Elisabeth Gnauck-Kühne gründete im Jahr 1875 in Blanken­burg ein „Institut für höhere Töchter“, das sie bis 1888 leitete und an diesem auch selbst unter­rich­tete. Nach 21 Jahren selbstän­diger Berufs­tä­tig­keit, heiratete sie den gleich­alt­rigen Nerven­arzt Dr. Rudolf Gnauck, eine wenig glück­liche Wahl. Sie erkannte ihn rasch als „krank, süchtig, verlebt und verkommen“. Die Ausein­an­der­set­zung über ihr Vermögen zeigte ihr die damalige Recht­lo­sig­keit der Ehefrau deutlich auf und bestimmte entschei­dend das zukünf­tige Wirken für die Frauen­rechte. 1890 erfolgte die Scheidung der Ehe.

Zeitver­treib mondäner Müßig­gän­ge­rinnen?

Ein wesent­li­ches Problem der Zeit waren die Bildung und Bildungs­mög­lich­keiten für Frauen, so etwa die Frage nach der Zulassung zur Univer­sität. Damit beschäf­tigte sich Elisabeth Gnauck-Kühne intensiv. Im Kampf um die eigene Zulassung zur Univer­sität verfasste sie eine Streit­schrift über „Das Univer­si­täts­stu­dium der Frauen“, in der es ihr darum ging, „die Mauer von Vorur­teilen zu überwinden, die dem Verständnis der Frauen­frage und Frauen­be­we­gung entge­gen­stand, zumal selbst gebildete und wohlwol­lende Menschen darin nichts weiter sahen als einen Zeitver­treib mondäner Müßig­gän­ge­rinnen“.

Mit dieser Schrift erregte Elisabeth Gnauck-Kühne erheb­li­ches Aufsehen, zumal sie auf harte Fakten verwies und nicht polemisch argumen­tierte. Sie betonte, „dass die Frau bei gleicher Pflicht auch das gleiche Recht auf Arbeit und Bildung habe wie der Mann und könne daher in gleicher Weise ein Univer­si­täts­stu­dium beanspru­chen“. Ihr Protest hatte Erfolg. Als erste deutsche Frau erhielt Elisabeth Gnauck-Kühne 1895 schließ­lich eine Sonder­er­laubnis des preußi­schen Kultus­mi­nis­ters zum Studium der Volks­wirt­schafts­lehre und Staats­wis­sen­schaften an der Univer­sität Berlin.

Elisabeth Gnauck-Kühne wurde zu einer der wichtigsten öffent­li­chen Meinungs­füh­re­rinnen der Frauen­be­we­gung. Ihre Arbeit „Ursachen und Ziele der Frauen­be­we­gung“, in der sie die Notwen­dig­keit einer eigen­stän­digen Lebens­si­che­rung für Frauen mit ausführ­li­chem Statis­tik­ma­te­rial belegte, wurde auf der Weltaus­stel­lung in Chicago ausge­zeichnet.

Heftige politi­sche Angriffe

Sie war der Überzeu­gung, dass nur ein soziales Engage­ment über alle Klassen­schranken hinweg das Gemein­wesen umfassend sichern könne, woraus sich die Verpflich­tung ergebe, dass sich auch die bürger­liche Frau, wegen ihres mütter­li­chen Wesens, zur „Mitarbeit an der wirtschaft­li­chen, geistigen und sittli­chen Hebung der Arbei­te­rinnen“ verpflichtet sehen muss.

In dem 1890 gegrün­deten „Evange­lisch-sozialen Kongress“ fand Elisabeth Gnauck-Kühne Anerken­nung und Unter­stüt­zung für ihr sozial-politi­sches Engage­ment. Sie trat der Verei­ni­gung bei und gründete 1894 zusammen mit Margarete Behm die evange­li­sche Frauen­gruppe. Diese war der erste Verein der evange­li­schen Frauen­be­we­gung, die von Anfang an heftigen politi­schen Angriffen ausge­setzt war. Bis zu ihrer Konver­sion am 25. März 1900 zum Katho­li­zismus, die vielfach Entsetzen erregte, engagierte sie sich in der evange­li­schen Frauen­be­we­gung und im „Deutsch-Evange­li­schen Frauen­ver­band“.

„Die deutsche Frau um die Jahrhun­dert­wende“

Spekta­kulär war ihr Vortrag auf einem Kongress in Erfurt 1895 zum Thema „Die soziale Lage der Frau“, der nicht nur epoche­ma­chende Wirkung erzielte, sondern auch Elisabeth Gnauck-Kühne auf einen Schlag berühmt machte sowie dauerhaft ihren Ruf als christ­liche Sozial­po­li­ti­kerin begrün­dete. Seit ca. 1903 engagierte sich Elisabeth Gnauck-Kühne dann ebenso erfolg­reich in der katho­li­schen Frauen­be­we­gung: Ihr Lehrbuch „Das soziale Gemein­schafts­leben im Deutschen Reich“ und ihre statis­ti­sche Studie „Die deutsche Frau um die Jahrhun­dert­wende“ bestimmten die Arbeits­pro­gramme der ersten Zweig­ver­eine des Katho­li­schen Frauen­bundes.

Elisabeth Gnauck-Kühne setzte sich zudem für die politi­schen Rechte der Frauen, wie dem Frauen­stimm­recht ein: „Bei dem Zusam­men­schluss der deutschen Staaten zum Deutschen Reiche erhielten alle männli­chen Reichs­an­ge­hö­rigen das Wählrecht und die Wählbar­keit zum Reichs­tage, die Frauen nicht. Die Männer erhielten das allge­meine, direkte und geheime Wahlrecht auf Grund ihrer mit der Geburt erwor­benen natür­li­chen Menschen­rechte. Es ist kein logischer Grund zu finden, die Frauen von diesem Wahlrecht auszu­schließen, da auch sie zweifels­ohne geboren sind, sei es denn, dass man ihnen abspreche, als Mensch geboren zu sein“.

Von allen sozialen Schichten anerkannt

Das Fazit zu Elisabeth Gnauck-Kühne lässt sich folgen­der­maßen formu­lieren: Sie schrieb über das Deutschtum, über die englische Moral und die gesell­schaft­li­chen Zustände in Paris, wobei auch sie den gängigen Klischees erlag; sie schrieb über Wohlfahrts­pflege, Sozial­po­litik, Mode- und Ernäh­rungs­fragen. Trotz mancher Schwächen gibt es keine Persön­lich­keit, die von allen sozialen Schichten so anerkannt und auch gehört wurde wie Elisa Gnauck-Kühne.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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