Feierjahr für des Herzogs Kapell­meister

Das Ensemble Musica Fiata und La Capella Ducale unter Leitung von Roland Wilson spielt am 31. Oktober in Wolfenbüttel. Foto: Eberhard Zummach
Das Ensemble Musica Fiata und La Capella Ducale unter Leitung von Roland Wilson spielt am 31. Oktober in Wolfenbüttel. Foto: Eberhard Zummach

Im 400. Todesjahr von Michael Praeto­rius gedenken der Kultur­stadt Wolfen­büttel e.V. und das Michael Praeto­rius Collegium e.V. dem Musiker, Kompo­nisten, Organisten und Dirigenten.

Als Michael Praeto­rius 1621 in Wolfen­büttel verstarb, befand sich die Welt der Musik im Umbruch. Statt parallel geführter Stimmen setzte sich die Polyphonie, die Mehrstim­mig­keit durch, andere musika­li­sche Gattungen entwi­ckelten sich und neue Instru­mente waren zu hören. Auch in der Haupt­kirche Beatae Maria Virginis in Wolfen­büttel, wo sich das Grabmal von Praeto­rius befindet, erkennt man den Wandel der Stilrich­tungen, neben den farben­frohen Fenstern der Renais­sance deuten Verzie­rungen den begin­nenden Barock an. Da ist es folge­richtig, dass die Organi­sa­toren dem Festjahr zum 400. Todestag des Kompo­nisten die Veran­stal­tungen den Titel „Musik im Umbruch“ geben. Konzerte, Gottes­dienste, ein Workshop und eine Ausstel­lung setzen die Musik von Michael Praeto­rius und seiner Zeit in den Mittel­punkt, stellen Fragen nach Einflüssen und Vorbil­dern, Nachwir­kung und Bedeutung.

Ein produk­tiver Komponist

Michael Praetorius. Kupferstich von 1606.
Michael Praeto­rius. Kupfer­stich von 1606.

1571 oder 1572 wurde Michael Praeto­rius in Creuzburg/Werra als Sohn eines Pfarrers geboren. Nach dem Schul­be­such in Torgau und Zerbst studierte er Theologie und Philo­so­phie in Frankfurt/Oder, wo er auch seine erste Stelle als Organist an der Univer­si­täts­kirche St. Marien bekam. Ab 1593 war er Kammer­or­ga­nist im Dienst von Herzog Herzogs Heinrich Julius zu Braun­schweig und Lüneburg. 1604 wurde er Hofka­pell­meister. Zu seinen Aufgaben gehörte auch das Kompo­nieren von Werken, die unter anderem in der heute nicht mehr erhal­tenen Schloss­ka­pelle Wolfen­büttel aufge­führt wurden. Bis zu seinem Tod erschienen mehr als 1700 Werke sowie das dreibän­dige musik­theo­re­ti­sche Werk Syntagma musicum. Neben Heinrich Schütz gehört Michael Praeto­rius mit seinen zahlrei­chen noch erhal­tenen Werken zu den bedeu­tendsten Musikern des frühen 17. Jahrhun­derts.

Vorur­teile und Fehlein­schät­zungen abbauen

Praeto­rius sei ein „kreuz­braver Provinz­ka­pell­meister“, ein Durch­schnitts­mu­siker, der immer im Schatten seiner großen Kollegen gestanden habe, ist ein oft gehörtes Urteilung über Michael Praeto­rius. Doch auch damit wollen die Organi­sa­toren des Festjahres aufräumen. Als studierter Theologe und Philosoph war er hochge­bildet, ein Mann des Geistes, der auch mit seinem musik­theo­re­ti­schen Werk Eingang in die Musik­ge­schichte fand. Als Organist hatte er jahrzehn­te­lange Erfahrung. Und auch wenn er nie nach Italien reiste, orien­tierte er sich mit seinen eigenen Werken an den neuesten Stilent­wick­lungen, die südlich der Alpen entstanden. So ist die italie­ni­sche Mehrchö­rig­keit, die in ganz Europa berühmt war, auch in den Choral­kon­zerten in der 1619 von Praeto­rius veröf­fent­lichten Sammlung Polyhymnia Panegy­rica zu hören, himmel­wärts strebend, farben­reich und expressiv zugleich, üppig besetzt „mit allerhand musika­li­schen Instru­menten und Menschen­stimmen“. Vier Jahrhun­derte später brachten der RIAS Kammer­chor und die Capella della Torre aus Berlin ihn in einem großen Konzert dann auch mit einer Reihe italie­ni­scher Zeitge­nossen zusammen, die Praeto­rius persön­lich nie kennen­lernen durfte. Eine Ausstel­lung der Herzog August Biblio­thek unter­sucht die Einflüsse italie­ni­scher Kompo­nisten, von denen Praeto­rius sich inspi­rieren ließ.

Abwechs­lungs­rei­ches Programm im Festjahr

Eine von Winfried Elsner, dem Vorsit­zen­denden des Michael Praeto­rius Collegium Wolfen­büttel e.V. initi­ierte und von Prof. Christoph Helm vom Kultur­stadt Wolfen­büttel e.V. geleitete Arbeits­gruppe stellte ein abwechs­lungs­rei­ches Veran­stal­tungs­pro­gramm auf die Beine. Die Veran­stal­tungen werden unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Braun­schwei­gi­schen Stiftung gefördert.
Verschie­dene Mitglieder der Gruppe übernahmen die Organi­sa­tion und Betreuung für die einzelnen Programm­punkte, die inter­na­tional bekannte Musiker, Musike­rinnen und Ensembles nach Wolfen­büttel führten. Pande­mie­be­dingt konnte nicht alle Veran­stal­tungen durch­ge­führt werden, einige wurden jedoch digital übertragen und stehen zum Nachhören im Internet zur Verfügung, andere konnten ins nächste Jahr verschoben werden.

Inter­na­tional bekannte Ensembles in Wolfen­büttel

Roland Wilson stellt mit den Ensembles Musica Fiata und La Capella ducale am 31. Oktober eine Auswahl von Stücken aus der Sammlung „Polyhymnia Panegy­rica – Solen­ni­sche Friedt- und Freudens-Concert“ vor, die Praeto­rius 1619 veröf­fent­lichte. Dabei kommen Lauten­chor, Bläser­chor und Strei­cher­chor zum Einsatz und beziehen Raum und Klang auf einmalige Weise in die Musik ein. Der weite Kirchen­raum der Wolfen­büt­teler Haupt­kirche bietet dafür ideale Möglich­keiten.

Zu zwei Konzerten lädt das Ensemble Rosa Mundi aus Basel ein, am 13. November gemeinsam mit dem Wolfen­büt­teler Kammer­chor Canto Vivo, am 14. November in kammer­mu­si­ka­li­scher Besetzung.

Ein anderes Konzept verfolgt der Knaben­chor Hannover unter der Leitung von Jörg Breiding in dem Abschluss­kon­zert des Festjahres. Am 18. Dezember stellen sie weihnacht­liche Sätze von Praeto­rius Kompo­si­tionen zeitge­nös­si­scher Kompo­nisten wie Eric Whitacre, Jan Sandström und Paweł Łukaszewski gegenüber und schlagen so den Bogen von der Renais­sance in die Gegenwart.

Infor­ma­tionen

https://www.michael-praetorius-2021.de/
Einige Veran­stal­tungen, die pande­mie­be­dingt als Livestream statt­finden mussten, können dort auch nachge­hört werden.

Veran­stal­tungen

  • 4. Juli bis 31. Oktober:
    AUSSTELLUNG: „Musik der Übergänge. Räume und Stimmen des Michael Praeto­rius“
    Lessing­haus Lessing­platz 2, Wolfen­büttel
    Eine Ausstel­lung der Herzog August Biblio­thek.
    Die Ausstel­lung mit Origi­nalen aus der Herzog August Biblio­thek ist ein Beitrag zum Wolfen­büt­teler Michael-Praeto­rius-Gedenk­jahr 2021. Die präsen­tierten Objekte sind Zeugen dafür, wie der Komponist Michael Praeto­rius die musika­li­sche Weltge­schichte nach Wolfen­büttel holte und den Umbruch um 1600 mit einer Musik vielfäl­tiger Übergänge beglei­tete.
    Eintritt: 3 Euro
  • 18. September, 18 Uhr:
    MICHAEL PRAETORIUS – ORGELGESAMTWERK I
    Haupt­kirche BMV Michael-Praeto­rius-Platz 9, Wolfen­büttel
    Orgel­musik von Michael Praeto­rius und Johann Sebastian Bach
    Texte: Ina Naumann-Seifert / Orgel: Almuth Bretschneider
    Eintritt frei
    Die im Frühjahr ausge­fal­lenen Teile der Konzert­reihe werden im Frühjahr 2022 nachge­holt.
  • 31. Oktober, 17 Uhr:
    KONZERT „Michael Praeto­rius: Polyhymnia Caducea­trix et Panegy­rica“
    Haupt­kirche BMV Michael-Praeto­rius-Platz 9, Wolfen­büttel
    „Polyhymnia Panegy­rica – Solen­ni­sche Friedt- und Freudens-Concert“
    Musica Fiata / La Capella Ducale
    Leitung: Roland Wilson
    Aus dieser Sammlung von 40 großbe­setzten Choral­kon­zerten über evange­li­sche Kirchen­lieder erklingt eine Auswahl von neun Konzerten.
    Eintritt: 22 Euro / Schüler frei
  • 13. November, 19 Uhr:
    KONZERT „Wolfen­büttel-Paris-London-Venedig“
    St. Trini­tatis-Kirche Holzmarkt, Wolfen­büttel
    Kammer­chor Canto Vivo, Wolfen­büttel-Braun­schweig; Ensemble Rosa Mundi, Basel
    „Missa ad placitum“ von Claude Lejeune (1530–1600) im Wechsel mit Werken der Epoche
    Eintritt: 22 Euro / Schüler frei
  • 14. November, 17 Uhr:
    KONZERT »Christ­liche Musik der Renais­sance im kammer­mu­si­ka­li­schen Rahmen«
    Prinzen­pa­lais Reichs­straße 1, Wolfen­büttel
    Ensemble Rosa Mundi, Basel (Schola Cantorum Basili­ensis)
    Werke von Claudio Monte­verdi, John Dowland, Jan Pieters­zoon Sweelinck und anderen
    Eintritt: 22 Euro / Schüler frei
  • 18. Dezember, 18 Uhr:
    ADVENTSKONZERT »PRAEtO­RIUS PLUS«
    St. Trini­tatis-Kirche Holzmarkt, Wolfen­büttel
    Praeto­rius PLUS
    Eric Whitacre, Jan Sandström, Paweł Łukaszewski u. a.
    Knaben­chor Hannover, Leitung: Jörg Breiding
    Eintritt: 22 Euro / Schüler frei

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