Den Braun­schweiger Studie­renden fehlen persön­liche Kontakte

Lisa-Marie Wünsch hat drei Semester Mathematik und Geschichte an der TU hinter sich - davon zwei unter Corona-Bedingungen. Foto: Maximilian Wiescher / BZV
Lisa-Marie Wünsch hat drei Semester Mathematik und Geschichte an der TU hinter sich - davon zwei unter Corona-Bedingungen. Foto: Maximilian Wiescher / BZV

Online-Unter­richt ist kein Ersatz für ein echtes Studen­ten­leben. So erleben TU-Studenten das dritte Semester unter Corona-Bedin­gungen.

Lisa-Marie Wünsch hatte ihr erstes Semester an der TU Braun­schweig gerade abgeschlossen, als die ersten Corona­viren Deutsch­land erreichten. „Es gab viel Unsicher­heit darüber, wie das Studium ablaufen wird“, erinnert sich die angehende Mathe­matik- und Geschichts­leh­rerin an diese Zeit vor über einem Jahr. „Aber das legte sich schnell. Die Dozenten gaben uns viel Sicher­heit, zeigen Mensch­lich­keit, reagierten auch auf E‑Mails schneller als sonst. Obwohl sie teilweise selbst überfor­dert waren und nicht wussten, wie es laufen wird. Schließ­lich war es für uns alle komplett neu.“

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 03.05.2021 (Bezahl-Artikel)

Mittler­weile hat Lisa-Marie Wünsch drei Semester an der TU hinter sich, davon eines in Präsenz und zwei unter Corona-Bedin­gungen . Ihre Seminare werden zurzeit auf unter­schied­liche Weise gestaltet, meist bestehen sie aus einem Mix aus Video­kon­fe­renzen und Einzel­ar­beit zu Hause mit vorge­ge­benen Texten und Aufgaben. Außerdem gibt es mehr Gruppen­ar­beit als sonst. „Gruppen­ar­beiten und Referate funktio­nieren auch online“, berichtet sie. „Nur die Hemmschwelle, sich im Seminar an einer Diskus­sion aktiv zu betei­ligen, ist online größer.“ Auch die Biblio­thek ist offen, aller­dings ist dort nur Einzel­ar­beit erlaubt. Bei Prüfungen setzen ihre Dozenten verstärkt auf Hausar­beiten und Online-Frage­bögen, wobei Wünsch eine Verän­de­rung bemerkt hat: „Es gibt weniger reine Wissens­ab­frage und mehr Fragen, bei denen man wirklich Wissen anwenden muss. Man muss sich also noch detail­lierter vorbe­reiten.“

AStA: Neuheiten und Fortschritte der digitalen Lehre sollen bleiben

So wie Lisa-Marie Wünsch erleben zurzeit viele Studie­rende den Alltag an der TU unter Corona-Bedin­gungen, berichtet AStA-Vorstands­mit­glied Luca Kienel: „Vor allem den Newcomern fehlt der persön­liche Kontakt zu ihren neuen Kommi­li­tonen. Für viele von denen gibt es keinen Grund mehr, nach Braun­schweig zu ziehen. Das ist nicht nur für das Studium fatal, sondern auch für die Persön­lich­keits­ent­wick­lung. Ein richtiges Studen­ten­leben kann man nicht zu Hause vor dem Bildschirm haben.“

Insgesamt fällt sein Fazit der bishe­rigen beiden Corona-Semester jedoch positiv aus: „Nach den Anlauf­schwie­rig­keiten vor einem Jahr haben wir uns einge­spielt. Alle Seiten haben dazuge­lernt. Wir hoffen, dass einige Neuheiten der digitalen Lehre, die wir teilweise schon seit Jahren gefordert haben, erhalten bleiben, zum Beispiel Online-Unter­lagen und Vorle­sungs­auf­zeich­nungen. Das wäre auch ein großes Plus an Flexi­bi­lität für Studis, die arbeiten oder Kinder haben.“ Im letzten Jahr sei es noch ein großes Problem gewesen, dass Technik fehlte oder die Inter­net­an­schlüsse mancher WGs nicht für vier gleich­zeitig statt­fin­dende Online-Vorle­sungen ausgelegt waren. „Das verstärkt auch Ungleich­heiten. Studie­rende aus finan­ziell starken Familien haben bessere Technik und mehr Räume zum Lernen. Aber jetzt kann der AStA helfen, unter anderem mit unserem spenden­fi­nan­zierten Laptop-Verleih.“

Auslands­stu­denten fehlt der persön­liche Austausch

Die Pandemie setzt auch dem inter­na­tio­nalen Austausch zu, wie Andrés Muñoz vom Netzwerk „Gauss Friends“ berichtet: „Für dieses Semester gab es ungefähr 40 Bewer­bungen, norma­ler­weise wären mindes­tens 100 üblich. Der Rückgang ist noch stärker als im letzten Herbst, denn damals waren die Einreise-Vorschriften noch lockerer und es gab die Virus­mu­ta­tionen noch nicht.“ Die meisten aktuellen Austausch­stu­denten kommen jetzt aus europäi­schen Ländern wie Frank­reich, Italien, Portugal, der Türkei und Ungarn. Dagegen würden vor allem Gaststu­denten aus Ostasien und Amerika ausbleiben.

„Es ist vor allem schade um die Abende in unserer Begeg­nungs­stätte“, erklärt Muñoz weiter. „Wir bieten zwar Online-Workshops als Orien­tie­rungs­hilfe an, aber Betreuung funktio­niert nur bei persön­li­chem Kontakt richtig gut. So kann man viel besser einschätzen, wie man den inter­na­tio­nalen Studenten helfen kann. Viele wollen bestimmte Fragen nur persön­lich stellen.“

Das „Gauss Buddy Programm“ sei weiter aktiv, damit Auslands­stu­denten Kontakt zu Kommi­li­tonen aus Braun­schweig haben. Dieses Angebot nutzt zurzeit Luc Kalshoven. Er studiert Chemie­in­ge­nieur­wesen an der Escom, der Hochschule für Chemie in Compiègne in Nordfrank­reich, und absol­viert ein Auslands­se­mester in Braun­schweig. Eigent­lich hatte er sich im Herbst für ein Auslands­se­mester beworben, verschob dies jedoch. „Natürlich war es auch mein Ziel, hier deutsche Studenten kennen­zu­lernen“, erzählt er. „Mit einer Studentin, die ich in einem der Buddy-Programme kennen gelernt habe, konnte ich mich letztens im Park persön­lich treffen. Es war wunderbar, dass das mal klappte.“

Der Arbeits­alltag verlagert sich in die heimi­schen vier Wände

Kalshoven wohnt mit drei anderen Auslands­stu­denten in einer Vierer-WG im Studen­ten­wohn­heim. Für sie alle findet das Studium zurzeit komplett online statt. Die Technik funktio­niert dort seiner Erfahrung nach gut. „Ich habe auch in Video­kon­fe­renzen Leute kennen gelernt“ berichtet er weiter. „Das war auch ein tolles Event, aber die Treffen mit allen zusammen an der Bar fehlen natürlich.“

Dass sich vor allem der Alltag daheim mit der Pandemie komplett geändert hat, hat auch Lisa-Marie Wünsch erlebt: „Meine Wohnung war für mich vorher immer der Rückzugs- und Entspan­nungsort. Jetzt nutze ich die zum Lernen. Manchmal verfolge ich Vorle­sungen sogar vom Bett statt vom Schreib­tisch aus mit.“ Vor allem fehle ihr der Austausch mit ihren Kommi­li­tonen: „Egal ob Vorlesung, Café oder Kneipe, es fehlt sehr. Man trifft sich vielleicht mal abends vor dem Bildschirm und trinkt dabei alleine ein Bier, aber das ist kein Ersatz.“

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 03.05.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article232198321/Den-Braunschweiger-Studenten-fehlen-persoenliche-Kontakte.html (Bezahl-Artikel)

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