Der Club der kreativen Helmstedter

Der „Pferdestall“ in Helmstedt ist ein beliebter Treffpunkt für Kunst, Musik und Gespräche. Foto: Nico Jäkel
Der „Pferdestall“ in Helmstedt ist ein beliebter Treffpunkt für Kunst, Musik und Gespräche. Foto: Nico Jäkel

Club, Forum, Bühne, Jugend- und Workcafé – der Pferde­stall in Helmstedt ist ein Parade­bei­spiel dafür, welche Rolle zivil­ge­sell­schaft­li­ches Engage­ment bei der Stadt­ent­wick­lung spielen kann.

Um die Attrak­ti­vität ihrer Stadt zu erhöhen, haben Helmstedter Bürger ein außer­ge­wöhn­li­ches Projekt ins Leben gerufen: Seit Sommer 2013 gibt es in den ehema­ligen Tierställen des früheren Benedik­ti­ner­klos­ters St. Ludgeri das Begeg­nungs­zen­trum Pferde­stall. Es handelt sich dabei um eine Mixtur aus Club, Forum, Bühne, Galerie, Stadt­ent­wick­lungs­forum aber auch Jugend- und Workcafé. Der Fall beweist, dass durch bürger­schaft­li­ches Engage­ment und kreative Zusam­men­ar­beit verschie­dener Genera­tionen in kürzester Zeit das Klein­stadt- und Kultur­leben berei­chert werden kann.

Im Zentrum für Kultur und genera­tio­nen­über­grei­fenden Dialog, das Szene­kenner gerne als Mix aus früherem Braun­schweiger Freizeit- und Bildungs­zen­trum und Brunsviga beschreiben, fällt das Programm so bunt aus, wie an keinem anderen Ort der Kultur­szene Helmstedts. Schüler­stamm­ti­sche, Senio­ren­kaf­fee­trinken, deutsches Kneipen­quiz (die britische Version ist bekannt aus Irish Pubs), die Lesebühne „Überhol­spur­pi­raten“ (ein unter­halt­samer litera­ri­scher Abend mit drei Autoren und jede Menge Seemanns­garn bei dem das Publikum aktiv mitmacht), Poetry-Live-Shows, Kochshows, diverse Auftritte inter­na­tio­naler Singer-Songwriter, Comic­work­shops oder Stadt­ent­wick­lungs­dis­kus­sionen sind nur einige Veran­stal­tungen, die den Pferde­stall in nur zwölf Monaten weit über die Stadt­grenzen bekannt machten.

Um die Mitge­stal­tung des eigenen Lebens­um­feldes, dabei geht es bei dem Impuls­pro­jekt. Das bürger­liche Aktions­bündnis aus Schülern, Unter­neh­mern, Kultur­schaf­fenden und engagierten Bürgern zieht an einem Strang. Mittler­weile gibt es mehr als 30 Partner aus unter­schied­li­chen Branchen, die den Pferde­stall stützen und fördern, darunter auch mit großem finan­zi­ellem Engage­ment die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Das nachhal­tige Ziel ist, den Pferde­stall über die Club- und Förder­mit­glied­schaften zu finan­zieren. Schüler zahlen als Monats­bei­trag nur einen Euro, Erwach­sene fünf Euro. Dazu kommen die Förderer Silber (25 Euro pro Monat) und Gold (50 Euro pro Monat), die besondere Privi­le­gien genießen. Eine Tages­mit­glied­schaft gibt es schon für einen Euro. Bereits 250 Clubmit­glieder haben sich begeis­tern lassen. „Der Pferde­stall baut auf ein Clubmo­dell. Man konsu­miert nicht, man ist Teil des Ganzen – sei es als Tages- oder festes Clubmit­glied. Identi­fi­ka­tion ist ein wichtiger Erfolgs­faktor“, erklärt Lorenz Flatt, Vorsit­zender des Träger­ver­eins Campus Helmstedt e.V.

Das Projekt zur dauer­haften und nachhal­tigen Stärkung der Helmstedter Stadt­kultur hat eine Vorge­schichte, wie sie kaum inter­es­santer sein kann. Schüler des Helmstedter Gymna­siums Julianum brachten es zusammen mit dem Rotary Club beim „Dialog der Genera­tionen“ 2011 auf den Weg. Bei der Aktions­woche „Helmstedt 2020“ – nur ein Jahr später – wurden die Ideen mit gestan­denen Wirtschafts­fach­leuten, kreativen Jungun­ter­neh­mern und vielen anderen Helfern weiter­ge­sponnen. Wirtschaft und Schule gingen dabei gemeinsam der Frage nach, wie Helmstedt in Zukunft aussehen und wie die Attrak­ti­vität der östlichsten Stadt Nieder­sach­sens attrak­tiver werden könnte. Die Schüler­schaft artiku­lierte unter anderem den Wunsch nach einem Schüler­café. Immer wieder gab es wichtige Impulse vom Aktions­for­schungs­pro­jekt „Stadt als Campus“ der Hochschule Anhalt, die von Beginn an wissen­schaft­lich begleitet und beraten hat.

2013 stand das Betriebs­kon­zept für das Experi­ment „Pferde­stall“. Der frisch­ge­grün­dete Träger­verein Campus Helmstedt e.V. übernahm die Träger­schaft, der Caritas­ver­band Landkreis Helmstedt stellte die histo­ri­schen Stallungen des Klosters St. Ludgeri – also dort wo Helmstedt seinen Ursprung hat – kosten­günstig zur Verfügung. Viele ehren­amt­liche Helfer sorgten für den Innen­ausbau des früheren Stall­ge­bäudes. „Der Ort war ein Volltreffer. Wir haben lange nach einer solchen Location gesucht“, so Andreas Warmbein, Presse­spre­cher des Pferde­stalls und zugleich Förderer. Kultur­profi und Event­ma­na­gerin Karolin Plath, laut Warmbein ein „absoluter Glücks­fall“, betreibt den Pferde­stall haupt­amt­lich und koordi­niert das Tages­s­ge­schäft und die vielfäl­tigen Ideen. Auch mit Hilfe von Schülern, die als Prakti­kanten oder als Angestellte erste beruf­liche Erfah­rungen sammeln.

Das Helmstedter Modell­pro­jekt wird Nachahmer finden – so viel ist sicher. Die Initia­toren haben beweisen, dass sich Bürger­en­ga­ge­ment lohnt.

Kontakt

Pferde­stall
Im Caritas-Zentrum
Am Ludge­rihof 5
38350 Helmstedt
Tel. 05351 3990671
club@campus-helmstedt.de

Infos

www.pferdestall-helmstedt.de
www.facebook.com/pferdestall-helmstedt

Kern-Öffnungs­zeiten

Dienstag bis Donnerstag: 12 Uhr bis 20 Uhr
Freitag: 12 Uhr bis 24 Uhr
Samstag: 15 Uhr bis 24 Uhr

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