Ein bisschen Herzt­aumel gehört dazu

Beim Konzert des musiXircus der IGS Querum kommen auch Skelettklaviere zum Einsatz und sorgen für beeindruckende Bilder (Tastentaumel 2008). Foto: Frank Tobian
Beim Konzert des musiXircus der IGS Querum kommen auch Skelettklaviere zum Einsatz und sorgen für beeindruckende Bilder (Tastentaumel 2008). Foto: Frank Tobian

Interview mit Teamlei­terin Christine Schultz zum Klavier­fes­tival Tasten­taumel im Braun­schweiger Land.

Das Klavier­fes­tival Tasten­taumel findet in diesem Frühling vom 20. bis zum 29. März statt. Während des Festivals präsen­tieren sich Künstler in unter­schied­li­chen Stilen wie Klassik, Rock, Pop, Chanson, oder Kirche­musik. Die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE bildet gemeinsam mit den Braun­schweiger Klavier­bau­firmen Grotrian-Steinweg und Schimmel Pianos und der Agentur Peeters Kommu­ni­ka­ti­ons­kon­zepte das finan­zi­elle und organi­sa­to­ri­sche Dach des Festivals. Christine Schultz, Projekt­re­fe­rentin bei der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und Tasten­taumel-Teamlei­tung, stand im Interview Rede und Antwort.

Im März startet zum 6. Mal das Klavier­fes­tival Tasten­taumel. Angenehme Routine? Oder immer noch lampen­fieb­riger Herzt­aumel ob alles klappen wird?

Definitiv der „Herzt­aumel“! Dabei bin ich weniger in Sorge, ob alles klappen wird – vielmehr ist es die Vorfreude, die mich zum Taumeln bringt. Die Festi­val­vor­be­rei­tung dauert ein ganzes Jahr lang – vom Einrei­chen der ersten Projekt­ideen bis dann ein ausge­wo­genes, spannendes Programm zusam­men­ge­stellt ist. Da kann ich es zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr erwarten, dass es endlich losgeht! Natürlich bringt die Erfahrung – ich selber bin zum fünften Mal dabei – eine gewisse Routine mit sich, gerade was das Zeitma­nage­ment in den einzelnen Planungs­phasen betrifft.

Welche Innova­tionen und neue Programm­punkte sind zu erwarten?

Wir sind erstmals mit unserem Festival in Wolfen­büttel im neu eröff­neten Lessing­theater zu Gast. Wir eröffnen den Tasten­taumel dort am 20. März. Andere inter­es­sante, unver­brauchte Veran­stal­tungs­orte locken. So zum Beispiel der Laden „Heimat­rausch” in der Schlos­s­pas­sage, wo mit der Veran­stal­tung „Litera­ri­sche Reise­bilder” die Besucher auf eine kleine Weltreise mitge­nommen werden. Die Kantine „Alte Schmiede” der Braun­schwei­gi­schen Maschi­nen­bau­an­stalt ist ebenfalls Spiel­stätte für zwei Konzerte. Zum Workshop “Clavier-Musique” sind Klavier­spieler und auch inter­es­sierte Klavier­mu­sik­freunde einge­laden, im maleri­schen Ambiente des Klosters Michaelstein auf histo­ri­schen Instru­menten wie Cembalo, Hammer­flügel oder auch Truhen­or­geln zu spielen. Neu beim Tasten­taumel ist zudem das „Lunch­kon­zert – Kunst und Kulina­ri­sches zur Mittags­zeit” in der Stadt­halle Braun­schweig. Ein ganz beson­derer Abend zu werden, verspricht auch die Veran­stal­tung „Jazz im Spannungs­feld der klassi­schen Moderne – Gesprächs­kon­zert” am 28. März in der Dornse zu werden. Die Veran­stal­tung beleuchtet den regio­nalen Tasten­jazz mit seinen histo­ri­schen Wurzeln und Querver­bin­dungen – Klassi­sches Klavier und Jazzpiano. Da gibt es also eine ganze Reihe an Neuem zu entdecken.

Wenn man Ihr Programm anschaut, hat man den Eindruck, dass es mehr Show-Elemente gibt als zuvor. Ist der Eindruck richtig?

Wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass nicht nur das klassi­sche Konzert­format angeboten wird, sondern Klavier­musik in Kombi­na­tion mit Schau­spiel, mit Film, mit Rezita­tion, mit Kabarett und mit Gesang, dann stimme ich Ihnen zu. Genau dies macht unser Festival aus: die Künstler der Region gehen mit großem Ideen­reichtum an die Aufgabe heran, das Thema „Klavier“ zu bespielen.

Auf welchen Programm­punkt sind Sie persön­lich besonders gespannt?

Diese Frage zu beant­worten fällt mir schwer. Ich wünsche mir bei jedem Festival, mich aufteilen zu können, um auch parallel statt­fin­dende Veran­stal­tungen mitnehmen zu können. Worauf ich mich sehr freue, ist „Liquid Soul” am Samstag, 22. März, um 19 Uhr im Städti­schen Museum in Braun­schweig: eine musika­li­sche Collage von Klavier­stü­cken, eine Instal­la­tion und ein Schau­spieler thema­ti­sieren die mystische Liebes­ge­schichte der Undine, einer Art Wasser­frau. Undine wird durch die Musik, ihr Mann vom Pianisten Juan Peñalver Madrid und ihr Onkel in Gestalt eines Wasser­geistes vom Schau­spieler Ahmed Moham­me­deen darge­stellt, dessen semitrans­pa­rentes Beinkleid auch den Flügel samt Pianisten umfasst!

Diesmal gibt es auch wieder einen Wettbe­werb. Warum haben Sie ihn seiner­zeit einge­führt?

Der Wettbe­werb beim Tasten­taumel findet bereits zum dritten Mal statt. Unter dem Motto „An die Tasten, fertig, los!“ waren die Klavier­spieler aus der Region zur Teilnahme am Tasten­taumel-Wettbe­werb aufge­rufen. Von vielen anderen Wettbe­werben unter­scheidet sich der Tasten­taumel-Klavier­wett­be­werb dadurch, dass nicht nur die Aller­besten die Chance bekommen, sich einem Wettbe­werb zu stellen. Angespro­chen fühlen darf sich jeder, der Klavier­spielen kann. Die Vorausschei­dung findet am Sonntag, 16. März, in der Buchhand­lung Graff und das Finale am Sonntag, 23. März, im LOT-Theater in Braun­schweig statt. Viele Anmel­dungen sind einge­troffen. Der Wettbe­werb ist offen für Publikum.

Wie hat sich über die Jahre das Interesse von Klavier­spie­lern oder Gruppen der Region entwi­ckelt, am Festival teilnehmen zu wollen?

Es macht uns Veran­stalter froh, auch ein wenig stolz, aber vor allem bestätigt es uns in dem was wir tun: nämlich zu spüren, dass die Lust am Tasten­taumel ungebro­chen ist! Das Festival hat sich in der Region etabliert, sowohl bei den Künstlern, als auch beim Publi­kumher. Wir waren überwäl­tigt von den vielen spannenden Ideen, die uns von Künstlern und Insti­tu­tionen aus der ganzen Region des alten Braun­schweiger Landes erreicht haben. So ist es uns gemeinsam mit über 30 Mitver­an­stal­tern gelungen ein „ausge­wo­genes Festival“ zusam­men­zu­stellen. Ausge­wogen was die Musik­stile anbelangt, was die Formate betrifft – also nicht nur das klassi­sche Konzert­format, sondern auch Klavier­musik in Kombi­na­tion mit Schau­spiel, mit Film, mit Kabarett, mit Lesung und mit Gesang. Ebenfalls ausge­wogen ist die Alters­spanne der Künstler. Der jüngste Teilnehmer ist ein fünfjäh­riger Junge, der beim Wettbe­werb mitmacht, die älteste Dame ist ein Chormit­glied mit 70plus.

Wir Veran­stalter, also die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE, die beiden Klavier­häuser Grotrian-Steinweg und Schimmel-Pianos sowie Peeters Kommu­ni­ka­ti­ons­kon­zepte bilden „nur“ das organi­sa­to­ri­sche und finan­zi­elle Dach des Klavier­fes­ti­vals „Tasten­taumel im Braun­schweiger Land“. Für die Inhalte sind die einzelnen Mitver­an­stalter zuständig – sie tragen auch Verant­wor­tung für ihre Tasten­tau­mel­bei­träge von der Planung und Finan­zie­rung bis zur Bewerbung und Durch­füh­rung. Natürlich steuern wir vieles, wir beraten, wir verknüpfen, wir entwi­ckeln gemeinsam weiter.

Was müsste ich als Klavier­spie­lerin tun, um beim Festival dabei sein zu dürfen?

Sie sollten in der Region des alten Braun­schweiger Landes leben oder zumindest eine starke Bindung dazu haben. Es reicht definitiv nicht, wenn Ihre Tante mal im Urlaub in Waten­büttel war… Entwi­ckeln Sie eine Idee und kommen Sie möglichst schon in einer frühen Planungs­phase auf uns zu. Im besten Fall haben Sie schon Kontakt zu einem möglichen Veran­stal­tungsort aufge­nommen und können die entste­henden Kosten benennen. Auf unseren Inter­net­seiten www.tastentaumel.de findet man in der Rubrik “Downloads” einen Leitfaden zur Projekt­ent­wick­lung.

Geben Sie allen Bewerbern auch eine Plattform beim Festival?

Wenn die Projekt­idee zum Festival passt und das Tasten­taumel-Team überzeugt und wenn die Bewer­bungs­frist einge­halten wird, grund­sätz­lich ja. Bei der Planung des diesjäh­rigen Festivals war aber schon früh klar, dass wir nicht alle Vorschläge berück­sich­tigen würden können. Wir haben das Festival ganz klar auf einen Zeitraum von zehn Tagen begrenzt und außerdem sind auch unsere finan­zi­ellen Mittel endlich.

Sie wollen profes­sio­nellen Festivals keine Konkur­renz machen und das Programm mit Akteuren dieser Region bestreiten, statt Stars herzu­holen. Große Namen ziehen aber das Publikum. Wie ist die Publikums-Entwick­lung bei Ihrem Festival?

Genau dieser Ansatz – der Tasten­taumel ist „das Festival aus der Region für die Region“ – macht unser Festival aus. Die Veran­stalter des Festivals sind ja nicht kommer­zi­elle Konzert­ver­an­stalter, weshalb der Druck gar nicht auf uns lastet, dass jedes Konzert ausver­kauft sein muss. Trotzdem wollen wir natürlich möglichst viele Besucher anlocken. Das gelingt aber durch die intensive Bewerbung der einzelnen Veran­stal­tungen sehr gut. Im Idealfall wird jedes Konzert von drei Seiten beworben: durch uns, die Veran­stalter, durch die Künstler und durch den Betreiber des Veran­stal­tungs­ortes. Jeder Partner ist ja gleicher­maßen an einem vollen Haus inter­es­siert. Es gibt immer Veran­stal­tungen, die schon früh komplett ausver­kauft sind.

Glauben Sie, dass Ihr Festival die Lust aufs Klavier – es zu hören, aber auch selbst zu spielen – in dieser Region steigern wird, sehen Sie also auch eine Art volks­päd­ago­gi­sche Bedeutung des „Tasten­tau­mels“?

Nach wie vor sind uns die Förderung und die Präsen­ta­tion junger Künst­le­rinnen und Künstler aus der Region sehr wichtig. Von den insgesamt 43 Veran­stal­tungen werden vierzehn von Jugend­li­chen bestritten! Ein anderes Ziel von Tasten­taumel ist es, Braun­schweig als Klavier(bau)stadt noch bekannter zu machen. Dadurch, dass wir bei jedem Festival neue Künstler und Insti­tu­tionen dabei haben, erreichen wir auch immer neue Besucher­gruppen. Es lässt sich schwer messen, ob jemand nach dem Besuch eines Tasten­tau­mel­kon­zerts anfängt Klavier zu spielen. Wichtig aus meiner Sicht ist es, dass sich die Zuhörer überhaupt auf Musik einlassen, dass Sie sich begeis­tern und mitreißen lassen und in die Welt der Klavier­musik eintau­chen und sei es nur für die Dauer eines Abends.

Das Festival ist das eine, die Organi­sa­tion das andere …

Die Organi­sa­tion dieses Festivals macht unglaub­lich viel Freude, aber auch nicht wenig Arbeit und beschäf­tigt mein Team und mich während eines ganzen Jahres. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen: Während der zehn Festi­val­tage finden 43 Veran­stal­tungen an 33 verschie­denen Orten im gesamten Braun­schweiger Land statt. Beteiligt sind fast 600 Akteure – davon 150 Pianisten. 45 Klaviere und Flügel kommen zum Einsatz, 30 000 Flyer und 3000 Plakate wurden gedruckt. Sie können sich sicher vorstellen, dass mir da manches Mal ganz schön taumelig wird! Aber ich bin mit viel Herzblut bei dieser schönen Sache und freue mich, wenn’s dann endlich losgeht!

Welche Beziehung haben Sie eigent­lich persön­lich zum Klavier?

Musik spielt in meinem Leben seit jeher eine große Rolle. Ich spiele Querflöte und habe früher in verschie­denen Ensembles in Öster­reich und der Schweiz, da komme ich ursprüng­lich her, gespielt. Geist­liche Chormusik sowohl als Sängerin als auch als Chorlei­terin beschäf­tigt mich in meiner Freizeit immer schon und immer noch. Ich habe schon sehr oft bedauert, dass ich nicht Klavier spielen kann! Und wissen Sie was: Vor wenigen Monaten habe ich nun endlich angefangen, Unter­richt zu nehmen! Aber pssst, das braucht keiner zu wissen …

Mehr Infor­ma­tion unter: www.tastentaumel.de

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