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Ein modernes Archiv für das Zonenrandleben

Der provisorische Grenzdurchgang bei Mattierzoll (12. November 1989). Foto: Bernd-Uwe Meyer
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Der Lehrstuhl für Geschichte und Geschichtsdidaktik am historischen Seminar der TU Braunschweig führt biografische Interviews, die das Leben an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze widerspiegeln.

15. November 1989. In der Sporthalle Alte Waage stehen zwei Basketball-Erstligisten auf dem Spielfeld. Das gastgebende Team stammt aus Braunschweig, das andere ist spontan mit Automobilen der Marken Trabant und Wartburg angereist. Zum allerersten Mal treten die Basketballer gegeneinander an. Denn bisher existierte die deutsch-deutsche Grenze, die ein Freundschaftsspiel wie dieses verhinderte. Der Mauerfall ereignete sich vor sechs Tagen. Es werden Freundschaften geschlossen, die bis heute anhalten.

Jeder hat eine eigene Geschichte zum Tag der Grenzöffnung vor 25 Jahren abgespeichert. Oder, wie in diesem Fall, zu den Tagen danach. Der Lehrstuhl für Geschichte und Geschichtsdidaktik am historischen Seminar der TU Braunschweig und das Niedersächsische Landesarchiv (Standort Wolfenbüttel) erfassen und sammeln unter dem Titel „Geteilte Erinnerung – Grenzerfahrung zwischen Harz und Heide“ Zeitzeugenberichte vom Leben an und mit der Grenze. So soll mit Unterstützung der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz langfristig ein frei zugängliches und wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes „Erfahrungsarchiv“ im Wolfenbütteler Staatsarchiv entstehen.

Doch der Weg dahin ist das Interessante: Projektleiter Prof. Dr. Matthias Steinbach und sein aktuell vierköpfiges Team führen entlang des früheren Grenzstreifen Niedersachsens und Sachsen-Anhalts lebensbiografische Interviews. Erinnerungs- und Zeitzeugenwerkstätten existieren viele auf der östlichen Seite des ehemaligen Grenzzauns, im Westen gibt es so etwas kaum. Mit Hilfe der Zeitzeugenbefragungen ergeben sich ganz neue Erkenntnisse über das Leben im so genannten Zonenrandgebiet. „Uns beschäftigt die Frage, wie sehr das Leben an der Grenze die Biografie prägt“, erklärt Dr. Michael Ploenus. „Die allgemeine Forschung stürzt sich vorwiegend auf die bekannten historischen Zäsuren von 1945, 1952 (Anmerk. der Red.: eine erste Grenzziehung der DDR) und 1989. Doch wir untersuchen durch systematische Befragungen auch alle anderen Zeitabschnitte am Erinnerungsort Grenze.“

2007 ins Leben gerufen bietet das Erinnerungsprojekt sehr moderne Facetten. Mit einem „audiowalk“, einer Tonaufnahme, beispielsweise kann man entlang der Grenze bei Offleben wandern. So wird eine spezielle Grenzgeschichte erzählt, die auch noch mit Musik hinterlegt ist. Am gleichen Ort konzipierte der studentische TU-Mitarbeiter Jan Prüße einen „Grenzwanderweg“, an dem die Ministerpräsidenten Niedersachsens und Sachsen-Anhalts kürzlich entlangwanderten. „Unsere Aufgabe besteht darin, die Menschen für das Thema Geschichte des Zonenrandes zu sensibilisieren. Und wie bringt man die Forschungsergebnisse unter die Leute? Vor allem altersspezifisch. Durch die Idee und das Format audiowalk konnten wir auch junge Menschen für das Thema begeistern. Es findet ein Kopfkino zum Thema Grenze statt und alles wird ein Stück weit lebendiger“, so Dr. Michael Ploenus, der zusammen mit Prof. Dr. Matthias Steinbach beratend in der Arbeitsgruppe ist, die die Konzeption und den Aufbau einer neuen Dauerausstellung in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn plant.

Bei den Studierenden der TU Braunschweig kam auch ein Filmprojekt gut an. Der Lehrstuhl für Geschichte und Geschichtsdidaktik am historischen Seminar engagierte dazu extra einen Mediencoach des Mitteldeutschen Rundfunks. Die historische Recherche in den ehemaligen grenznahen Ortschaften, das Erstellen des Drehbuchs, das Verfassen von kleinen Texten, die Interviewführung und die Filmaufnahmen mit der Kamera fesselten die Teilnehmer der fünf Gruppen.

Weitere Informationen:

http://geteilte-erinnerung-braunschweig.de/

http://grenzgeschichten.wordpress.com/grenzgeschichten-vor-ort/braunschweig-leben-an-der-grenze-west/

Video zu den Grenzanlagen in Hötensleben:

https://www.der-loewe.info/video_blick-zurueck-auf-den-schrecken-der-mauer/

Fotos

Bilboard 2 (994x118 px)