Haus der Musik könnte zum „Wohnzimmer“ Braun­schweigs werden

Kann das ehemalige Karstadt Einrichtungshaus in Braunschweig ein wirkungsvolles Haus der Musik werden? Darüber sprachen auf Einladung der Stadt (von links): Michael Schacke, Karin Allgeier, Raphael Graf von und zu Hoensbroech, Günther Graf von der Schulenburg, Oberbürgermeister Thorsten Kornblum und Professor Oliver Scheytt. Foto: FMN/Jürgen Runo

Eine Podiums­runde bringt kaum Neuig­keiten zum Großpro­jekt, aber inter­es­sante Randaspekte und Einblick in Erfah­rungen der Stadt Dortmund.

Wie kann ein Haus der Musik in Braun­schweig Wirkung entfalten? Wie wird es die Innen­stadt und das kultu­relle Leben der Stadt verändern? Um derartige Fragen rankte sich am Mittwoch­nach­mittag eine Podiums­dis­kus­sion im Altstadt­rat­haus, zu der die Stadt einge­laden hatte. Die Gesprächs­runde in der etwa halb gefüllten Dornse sollte die Debatte um das geplante Großpro­jekt berei­chern, das im ehema­ligen Karstadt-Einrich­tungs­haus eine Heimat finden soll. Wenn sich die Pläne reali­sieren lassen, könnten in dem Gebäude die bisher notdürftig über die Stadt verteilte Städti­sche Musik­schule und das Staats­or­chester sowie ein Konzert­saal mit rund 1200 Plätzen unter­kommen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 17.04.2024

Wie ausführ­lich berichtet, hatte die Stadt­ver­wal­tung im Januar überra­schend bekannt­ge­geben, dass eine Koope­ra­tion mit dem Braun­schweiger Unter­nehmer und Immobi­li­en­be­sitzer Friedrich Knapp („New Yorker“) geplant ist. Einer Grund­satz­ver­ein­ba­rung hat der Verwal­tungs­aus­schuss des Rates bereits zugestimmt. Demnach will die Stadt das Grund­stück von Knapp erwerben und gemeinsam mit ihm eine Stiftung gründen, die den Gebäu­de­kom­plex umbaut. Oder abreißt? Auch diese Möglich­keit wurde am Mittwoch nicht ausge­schlossen.

Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum: Genaue Infor­ma­tionen bis Jahres­ende

Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum (SPD) erklärte: „Wir haben eine Arbeits­ge­mein­schaft mit Herrn Knapp ins Leben gerufen. Es müssen noch einige stiftungs­recht­liche und bauliche Fragen geklärt werden. Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Ende des Jahres die Öffent­lich­keit infor­mieren können.“ Im städti­schen Haushalt würden zudem die Voraus­set­zungen für den Erwerb des Grund­stücks geschaffen. Mehr Details nannte Kornblum nicht. Offen blieb etwa, ob das Gebäude überhaupt für einen entspre­chenden Umbau geeignet ist oder ob Abriss und Neubau zweck­mä­ßiger wären.

Keinen Zweifel aber ließ der Oberbür­ger­meister daran, wie wichtig er die Umsetzung des Projekts für die die Zukunft der Stadt findet. Die Vorteile: Belebung der Innen­stadt, innova­tive Nutzung eines großen Leerstands, endlich eine angemes­sene Heimstatt für die bisher versprengt unter­ge­brachte Städti­sche Musik­schule, kombi­niert mit einem attrak­tiven Konzert­saal vor allem, aber nicht nur für die Klassik und das Staats­or­chester. Kurzum: Das Haus der Musik werde ein neuer kultu­reller Magnet und ein „Nachwuchs­leis­tungs­zen­trum für Musik“, wie Kornblum pointierte.

OB Kornblum: Wir wollen im Konzert der Großstädte mithalten

Seine Aufgabe als OB sei es auch, Braun­schweig für die Zukunft gut aufzu­stellen. „Andere Kommunen schlafen nicht. Wir wollen auch künftig im Konzert der Großstädte mithalten und Menschen einladen, zu uns zu kommen.“ Parkplätze gebe es übrigens auch in der Innen­stadt genug. Kornblum sprach von 3000 Plätzen, die vor allem in den umlie­genden Parkhäu­sern zur Verfügung stünden. Stadt­baurat Heinz-Georg Leuer kündigte an, dass etwa das Parkhaus Eiermarkt bald 24 Stunden täglich geöffnet haben werde. Hoffnungen, dass das Haus der Musik schnell umgesetzt werden kann, dämpfte der Oberbür­ger­meister aller­dings. „Ich gehe davon aus, dass wir die Eröffnung bis zum 1000-jährigen Stadt­ju­bi­läum im Jahr 2031 feiern können.“

Moderator Prof. Oliver Scheytt von der Kultur­ex­perten GmbH aus Essen brachte Günther Graf von der Schulen­burg ins Spiel, der bis 2023 das Klassik-Festival Soli Deo Gloria in der Region veran­staltet hatte. Von der Schulen­burg zeigte sich voller Enthu­si­asmus für die Pläne eines Musik­hauses. „Das Projekt ist ein absoluter Glücks­fall, wenn es gut umgesetzt wird.“ Als Klassik-Veran­stalter hätte er sich so einen Saal immer gewünscht. Die Braun­schweiger Stadt­halle dagegen sei für bestimmte Konzert­for­mate nur bedingt geeignet, sagte er. Sie habe zwar eine gute Akustik, aber kein anstei­gendes Parkett, und die Distanz zu den Künst­le­rinnen und Künstlern auf der Bühne sei groß.

Karin Allgeier vom Staats­or­chester: Es soll ein offenes Haus sein

Für den Vorstand des Staats­or­ches­ters sprach die Violi­nistin Karin Allgeier. Ihr ging es vor allem darum, mit dem Haus der Musik mehr Nähe zum Publikum zu schaffen. „Der Standort in der Innen­stadt bietet große Chancen für neue Formate wie Feier­abend­kon­zerte und öffent­liche Proben. Es soll ein offenes Haus sein, ein Ort der Begegnung auch mit Gastro­nomie, der den ganzen Tag über belebt wird: von uns, den Musik­schü­lern und dem Publikum.“ So könnten auch Menschen erreicht werden, die bislang keine Konzert­be­su­cher seien. Und die Nähe und der Kontakt zu den Orches­ter­mu­si­kern könne für Musik­schüler sehr berei­chernd sein: „Junge Menschen zehren lange davon.“ Ein beson­deres Erlebnis könnten auch die gelegent­li­chen Auftritte in dem großen Konzert­saal sein.“ Würde ein wirklich attrak­tiver, akustisch optimaler Saal geschaffen, könne sich auch das Staats­or­chester klanglich noch weiter­ent­wi­ckeln.

Michael Schacke, Geschäfts­führer der Konzert­agentur Under­cover, brachte neben der Klassik auch die Pop-Musik ins Spiel, etwa halba­kus­ti­sche Unplugged-Konzerte. Auch für sie sollte der Konzert­saal gut geeignet sein; er würde mit seinen geplanten 1200 Plätzen auch eine Lücke im Angebot schließen. „Manche Künstler bekommen wir nicht nach Braun­schweig, weil die benötigte Saalgröße nicht zur Verfügung steht.“ Schacke betonte, dass Live-Musik seit 30 Jahren ein wachsender Markt sei: „Je digitaler die Welt wird, umso mehr wünschen sich die Menschen Begeg­nungen und Erleb­nisse, wie sie sie bei Konzerten finden können.“

Raphael Graf von und zu Hoens­broech: Selbst­be­stä­ti­gung im Fußball reicht nicht

Raphael Graf von und zu Hoens­broech, Intendant und Geschäfts­führer der Konzert­haus Dortmund GmbH, hielt ein flammendes Plädoyer auf die Chancen, die ein Konzert­haus einer Stadt biete. „Als in Dortmund das Kohle-Stahl-Revier am Ende war, hat man lange über eine neue Identität für die Stadt disku­tiert. Sie hat Selbst­be­stä­ti­gung im Fußball gefunden. Aber das allein reicht nicht.“ Attrak­tive kultu­relle Angebote seien genauso wichtig im Wettbe­werb der Städte um Arbeit­nehmer, Führungs­kräfte und deren Familien. Die äußere Anmutung und das Umfeld seien beim Bau eines Konzert­hauses keine entschei­denden Faktoren. In Dortmund liege es in einem sozial eher schwä­cheren Viertel. „Das Innere muss stimmen; wir haben den Fokus auf die Akustik gelegt.“

Dortmund gehöre heute zu den vier Konzert­sälen in Deutsch­land, die in der „europäi­schen Champions-League“ spielten. Deshalb gelinge es auch, hochka­rä­tige Künstler und Orchester nach Dortmund zu holen. „Ihnen ist besonders die Akustik wichtig.“ Aber auch die Begeis­te­rungs­fä­hig­keit der Menschen, die die Musiker anders als das „saturierte Publikum“ in den Metro­polen würdigten, komme gut an.

Konzert­haus Dortmund: „Ein Magnet für das Umfeld“

Das Konzert­haus sei ein Magnet auch für das Umfeld. „65 Prozent der Besucher kommen von außerhalb zu uns.“ Übrigens biete man ein breit gefächertes Programm. Es gebe beispiels­weise auch ein Pop-Abo für Singer-Songwriter. Auch ambitio­nierte Laien­chöre oder Orchester seien willkommen, wenn die Qualität stimme. „Wir sind so etwas wie das Wohnzimmer der Stadt“. Natürlich arbeite das Konzert­haus nicht kosten­de­ckend, sagte von und zu Hoens­broech auf Nachfrage. Aber die Betriebs­kosten würden durch die Aufwer­tung der Stadt und die Magnet­wir­kung auf das Umland mehr als aufge­wogen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 17.04.2024 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article242125216/Haus-der-Musik-koennte-zum-Wohnzimmer-Braunschweigs-werden.html

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