Neue Direk­torin des Braun­schweiger Kunst­ver­eins im Interview

Die neue Direktorin des Kunstvereins Braunschweig vor der Villa Salve Hospes: Cathrin Meyer. Foto: Michael Grisko

Cathrin Mayer spricht über ein offenes Haus, Experi­men­tier­lust und den Kunst­verein als Ort ästhe­ti­scher Erfahrung.

Seit mehr als einem Monat ist die 36-jährige Wienerin Cathrin Mayer Direk­torin des Kunst­ver­eins Braun­schweig. Die Schlüssel zur Villa Salve Hospes, die sie stolz in der Tasche trägt, sind alter­tüm­lich und schwer. Sie verweisen nicht nur auf die Tradition des von Peter Josef Krahe gebauten Hauses, sondern auch auf die lange Geschichte des 1832 gegrün­deten Braun­schweiger Kunst­ver­eins. Das Haus und den Kunst­verein kannte sie aus früheren Besuchen. Als die Stelle schließ­lich ausge­schrieben war, hat sie sich nicht zuletzt wegen der „tollen Villa“ beworben – und, weil sie, wie sie später bekennt, Orte faszi­nieren, „die nicht für die Kunst gebaut worden sind“.

Zwischen Wien, Berlin und der Peripherie: Stationen im Kunst­markt

Doch zunächst sprechen wir über ihren Werdegang. Wien sei in vielerlei Hinsicht eine prägende Stadt gewesen, verrät sie gut gelaunt im Interview. Es sei eine bewusste Entschei­dung gewesen, sich in einer Stadt, die geprägt ist durch die Historie, im Studium mit zeitge­nös­si­scher Kunst zu beschäf­tigen. Hier habe sie im Rahmen eines Prakti­kums in einer kommer­zi­ellen Galerie auch ihre erste Berührung mit dem Kunst­markt gehabt.

„Mit 19 bin ich in die Galerie reinspa­ziert, habe mal meinen ganzen Mut zusam­men­ge­nommen und nach einem Prakti­kums­platz gefragt. Ich habe dort alles gemacht: nach der Eröffnung die Bierfla­schen wegge­räumt, Künst­le­rinnen betreut, Wände wieder schließen, verputzen, auch erste Textar­beiten und die Betreuung der Datenbank, also wirklich alles. Und diese Erkenntnis, dass zum Ausstel­lungs­be­trieb so viele verschie­dene Tätig­keiten gehören – von ganz banalen Dingen, die man in jedem Haushalt macht, bis zu inter­na­tio­nalen Koope­ra­tionen – hat mich faszi­niert und geprägt.“

In Berlin, bei der „Berlin-Biennale“ und in den „Berliner Kunst­werken“ sammelte sie weitere, vor allem inter­na­tio­nale Erfah­rungen und erwei­terte ihre Perspek­tive auf die Ausstellungsarbeit.„Was mich immer inter­es­siert hat, ist, in die Perspek­tive des Künstlers, der Künst­lerin zu schlüpfen. Das ist ein wahnsin­niges Potenzial der bildenden Kunst, andere Sicht­weisen zu sehen, zu erleben und erlebbar zu machen.“

Prägende Momente waren nicht zuletzt in Graz die Zusam­men­ar­beit mit Künst­le­rinnen und Künstlern aus dem Kosovo oder Albanien – Länder mit einer ganz eigenen Dynamik und auf dem Weg der Stabi­li­sie­rung. Hinzu kamen Erfah­rungen mit Künst­le­rinnen und Künstlern aus Estland. Es waren Blicke in die europäi­sche Peripherie, verbunden mit der Erkenntnis über die Möglich­keiten als Kuratorin: „Ich kann durch meine insti­tu­tio­nelle Anbindung diesen Künstler aus der Peripherie ins Zentrum bringen. Das ist die Macht, die Insti­tu­tionen haben und die ich – auch mit einer Entschei­dung für unbekannte künst­le­ri­sche Positionen – reflek­tiert einsetzen kann.“

Kunst­verein Braun­schweig: Ort des Experi­ments und des Dialogs

In Braun­schweig möchte sie das Haus und den Garten „als Ort ohne Konsum­zwang“ auch für den Austausch mit der Stadt­ge­sell­schaft öffnen. Sie betont, der Kunst­verein sei auch ein Ort der Experi­mente, des Risikos und der Koope­ra­tionen, die zum Beispiel mit Perfor­mances auch örtlich weit in die Stadt reichen können. Und sie möchte wieder die Kunst in den Vorder­grund stellen.

„In der letzten Zeiten gab es ganz vielfach den Anspruch, dass man schon sehr, sehr viele Diskurse kennt, dass man weiß, wie man was einordnet. Wir müssen wieder dazu zurück­kommen, dass wir naiv sein dürfen, dass wir Sachen anschauen können und erstaunt sein können von dem, was wir sehen.“

Mit Blick auf die besondere Situation in Braun­schweig freue sie sich besonders auf die Zusam­men­ar­beit mit der HBK. Die Ausstel­lung der Meister­schüler im Kunst­verein sei absolut unabdingbar. Nicht zuletzt, weil ein Publikum da sei, das man auch aktivieren könne. „Im besten Fall entstehen neue Koope­ra­tionen und Formate“.

Den „erstaunten“ Blick möchte sie auch in ihrer ersten Ausstel­lung deutlich machen. „Die erste Ausstel­lung heißt Mirage und Mirage ist ein Bild, das aus dem Franzö­si­schen ins Englische Einzug gehalten hat. Es bedeutet im Prinzip so etwas wie eine Hallu­zi­na­tion. Es geht darum, dass Dinge gar nicht das sind, was man auf den ersten Blick denkt.“

„Und“, dies sagt sie mit Blick auf die Villa, „die Ausstel­lung möchte auch den Raum des Kunst­ver­eins mitdenken. Das heißt, es gibt Arbeiten, die sich ganz stark auf den Körper und den Raum beziehen und die erlebbar die Wahrneh­mung des Raums verändern.“

Diese Begegnung mit der Kunst und ihrer Verän­der­bar­keit und damit gleich­zeitig ihrer Offenheit ist wichtiger Ansatz ihrer Arbeit. Es ist ein Ansatz, der nicht auf Hermetik und identi­täts­po­li­ti­sche oder sonstige Eindeu­tig­keit setzt, sondern auf Begegnung und Kommu­ni­ka­tion, nicht nur mit der Kunst, sondern auch mit den Betrach­te­rinnen und Betrach­tern. Die Einladung ist ausge­spro­chen, den Kunst­verein in alten Räumen neu zu entdecken. So öffnen die alten Schlüssel vielleicht neue Wege zur Kunst.

Michael Grisko ist Geschäfts­führer der Richard Borek Stiftung und Honorar­pro­fessor am Fachbe­reich Medien- und Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft an der Univer­sität Erfurt.

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