Sprung­brett zum Hierbleiben

Szene aus Autonomia von Markus&Markus. Foto: Andreas Hartmann
Szene aus Autonomia von Markus&Markus. Foto: Andreas Hartmann

Festival Durch­starter will junge Shooting Stars der freien Theater­szene an Nieder­sachsen binden.

Das Festival Durch­starter Nieder­sachsen ist eine Plattform des Braun­schweiger LOT-Theaters für die jungen Shooting Stars der nieder­säch­si­schen freien Theater­szene. Es findet bereits zum dritten Mal statt. In diesem Jahr sind die Gruppen boat people projekt und Markus&Markus einge­laden.

Durch­starter – das klingt ein wenig nach Sprung­brett. Wenn man sich von selbigem in die Lüfte katapul­tiert, dann landet man womöglich auf Bühnen in Berlin oder Hamburg, Köln oder München. Und wenn man da erst mal groß rauskommt, ist Braun­schweig schnell vergessen. Mit meiner Sprung­brett-Theorie plumpse ich voll neben das Konzept, wie sich im Gespräch mit Stefani Theis vom LOT-Theater  heraus­stellt.

Das Festival Durch­starter zielt genau auf den gegen­tei­ligen Effekt: Dass nämlich Gruppen, die auf der Schwelle zum Erfolg stehen, die vielleicht schon bei Festivals wie Impulse, Best OFF oder Fast Forward aufge­treten sind, oder die schon mit einem Regie­preis bedacht worden sind, nicht ihre regio­nalen Wurzeln vergessen. Theis sagt es so: „Manchmal ist es so, dass, wenn die Gruppen auf einer gewissen quali­ta­tiven Ebene angekommen sind, sie ihre Verortung in der Region verlieren.“ Was hier also mal als kleines, experi­men­tier­freu­diges Theater­pflänz­chen begonnen hat, ward dann nicht mehr gesehen.

Wer wollte es den Gruppen anderer­seits  verdenken, so Theis, denn, das müsse man einfach mal so klar sagen, woanders gebe es schlicht mehr Geld aus Förder­töpfen. Die Haupt­stadt hat ihren Haupt­stadt­kul­tur­fonds, Nordrhein-Westfalen lässt sich in der Förderung der freien Szene ebenfalls nicht lumpen, manche Künstler zieht es gar in die Schweiz, die mit attrak­tiven Spiel­stätten punktet. „Es ist einfach so schade, wenn das Potential, das wir hier haben, weg ist“, so Theis. Aber man könne Gruppen wie Markus&Markus, die in diesem Jahr den George Tabori Förder­preis des Fonds Darstel­lende Künste in Berlin erhalten haben, einfach nicht mehr halten. „Wenn die bei uns noch Miete zahlen, also Geld mitbringen müssen, ist das natürlich wenig attraktiv“, bedauert Theis, dass es in Nieder­sa­chen keine Gastspiel­för­de­rung gibt.

Umso erfreu­li­cher sei, dass mithilfe der Stiftung Nieder­sachsen und der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz das Festival Durch­starter initiiert werden kann. „Wir haben uns mit dieser Plattform für nieder­säch­si­sche Gruppen mittler­weile einen Namen gemacht. Das Theater im Pavillon in Hannover hat nachge­zogen und das Konzept übernommen.“ Neben einer Gage, die den Gruppen gezahlt werden kann, spielen sie zudem nicht selten vor Kuratoren anderer renom­mierter Festivals. „Wir haben uns da also schon ein gewisses Quali­täts­siegel erarbeitet“, so Theis.

So biete Durch­starter  auch die Chance, die eigenen Netzwerke zu vergrö­ßern. In dem Moment kommt mein Sprung­brett dann doch wieder ins Spiel, denn derart begut­achtet und für empfeh­lens­wert für ein Festival in sagen wir mal Berlin befunden, zieht‘s die jungen Theater­truppen ja denn doch in die Ferne .… Theis lacht: „Ja, aber mit dem Durch­starter-Projekt haben wir eben die Mittel, sie auch mal wieder zu uns zu holen“, vertraut Theis auf eine Anbindung an Nieder­sachsen und ergänzt: „Berlin ist eine Weltstadt, aber auch nicht die Welt.“ Im LOT-Theater schätzen die Künstler „unser Gesamt­paket mit tollem Bühnen­raum, hervor­ra­genden Techni­kern und vielem mehr.“

Durch­starter ist kein Wettbe­werb. Das in der nieder­säch­si­schen Szene bekannte Festival wird von den Gruppen angefragt. Oder Theis selbst, die viel sieht und sichtet, lädt Gruppen ein. „Ich versuche bei aller Unter­schied­lich­keit der Gruppen, die ja für die Spann­weite des Freien Theaters steht, immer eine bindende Klammer zu finden.“ In diesem Jahr ist es die Nominie­rung beider Gruppen für den George Tabori Förder­preis.  In der Würdigung der Preis­träger Markus&Markus hieß es: „Mit all ihrer Trashig­keit und in Szene gesetztem Unper­fekten treffen sie ins dunkle Herz der Realität.“ Man darf also auf die zeitge­nös­si­schen Formate gespannt sein.

Termine:

23./24. November, jeweils 20 Uhr: Die Probe – Galixeo in Deutsch­mania von boat people projekt
27. November, 20 Uhr: Polis 3000:autonomia von Markus&Markus
28. November, 20 Uhr: Die Rache Beides von Markus&Markus

Mehr über die Produk­tionen unter www.lot-theater.de

Fotos

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ein bisschen Herzt­aumel gehört dazu

    Ein bisschen Herzt­aumel gehört dazu

    Interview mit Teamlei­terin Christine Schultz zum Klavier­fes­tival Tasten­taumel im Braun­schweiger Land. Das Klavier­fes­tival Tasten­taumel findet in diesem Frühling vom 20. bis zum 29. März statt. Während des Festivals präsen­tieren sich Künstler in unter­schied­li­chen Stilen wie Klassik, Rock, Pop, Chanson, oder Kirche­musik. Die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE bildet gemeinsam mit den Braun­schweiger Klavier­bau­firmen Grotrian-Steinweg und Schimmel… Weiterlesen

  • So kämpft Nishtman in Braun­schweig für die Frauen im Iran

    So kämpft Nishtman in Braun­schweig für die Frauen im Iran

    Jede Woche organisiert die 28-jährige Nishtman Abdollahi in Braunschweig Demonstrationen gegen das Mullah-Regime. Beim Leserforum ist sie dabei. Weiterlesen

  • Jedes Kunst­ob­jekt ein Krimi­nal­fall

    Jedes Kunst­ob­jekt ein Krimi­nal­fall

    Im Gespräch erzählt der scheidende Direktor des Herzog-Anton-Ulrich-Museums von seinen Erwerbungen und internationalen Verknüpfungen. Weiterlesen