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„… vom Herzogtor zum Augusttor“

>Klaus Hermann bietet eine Fahrradtour zwischen dem Augusttor und dem Herzogtor an. Foto: Markus Gröchtemeier
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Das Projekt der Braunschweigischen Landschaft e.V. nimmt die Kulturlandschaft zwischen der Löwenstadt und Wolfenbüttel unter die Lupe.

Lesungen, Fahrradtouren, Konzerte, Rundgänge und Vorträge. Klaus Hermann, Initiator des Projektes „… vom Herzogtor zum Augusttor – Kulturlandschaft zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig“ hat einen Fülle an Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Am 20. August beginnt die Reihe der Braunschweigischen Landschaft. Es entsteht entlang der historischen Straße, auf der die Braunschweigischen Herzöge einst mit der Kutsche fuhren, ein kulturpolitischer Dialog von Gegenwart und Geschichte. Im Interview gibt der Sprecher der AG Natur und Umwelt einen ersten Einblick in das Projekt.

Woher rührt der Titel?

Das Projekt bewegt sich zwischen dem Herzogtor und dem Augusttor, das heißt zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig. Dieser Kulturraum hat sich über die Jahrhunderte zu etwas Besonderem entwickelt. Die Braunschweiger Herzöge pendelten sozusagen zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel immer wieder hin und her. Braunschweig als Gesamthaus der Welfen, dazu das Herzogtum Braunschweig und die Ambitionen der Stadt Braunschweig, vom Herzoghaus unabhängig zu sein, was dazu führte, dass die Herzöge am Ende des 15. Jahrhunderts nach Wolfenbüttel umzogen. Bis sie dann 1753/1754 ihre Residenz wieder nach Braunschweig zurückverlegten. Durch dieses Spannungsverhältnis entwickelte sich zwischen der bürgerlichen Macht in Braunschweig und den Herzögen in Wolfenbüttel eine Kulturlandschaft, die, davon bin ich überzeugt, für unsere Region einzigartig ist.

An wen richtet sich das Projekt?

Es richtet sich im Prinzip an alle Menschen des ehemaligen Landes Braunschweig und natürlich Auswärtige und Zugezogene. Alle, die sich für ihre Heimat interessieren, die mehr über ihre Heimat wissen wollen, die sich mit ihrer Heimat auseinander setzen wollen. Das muss nicht auf hohem wissenschaftlichen Niveau geschehen, sondern auch ganz einfach: Ich radele von Wolfenbüttel nach Braunschweig und will wissen, was ist denn in diesem Landschaftsraum so gewesen? Was ist da in den Jahrhunderten passiert?

Wie reich an Kulturlandschaften ist dieser Landschaftsabschnitt zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel wirklich?

Das Herzogtum, kann man sagen, ist berühmt für seine abhanden gekommenen Schlösser. Als erstes natürlich Salzdahlum als riesige barocke Anlage, die komplett verschwunden ist. Antoinettenruh und das kleine Jagdschloss Sternhaus – auch komplett verschwunden. Ebenso an der Wolfenbütteler Straße die Schlösser von Herzog Wilhelm, die Herzogliche Villa und „Williams Castle“. Das einzige was wir in der Achse noch vorfinden, das ist Richmond, das kleine Sommerschloss von Herzogin Augusta, die Ehefrau Karl Wilhelm Ferdinands. Aber es ist ja nicht nur Verlust, es haben sich dafür andere Dinge entwickelt, die wir in dieser Fülle nur in der Achse Braunschweig-Wolfenbüttel finden. Mit dem Neuen Weg in Wolfenbüttel und mit der Wolfenbütteler Straße in Braunschweig haben wir zwei besondere Straßen, die auf Grund der Bedeutung der Städte Braunschweig und Wolfenbüttel im 19. Jahrhundert von der Bürgerschaft heiß begehrt gewesen sind. Dementsprechend hat sich an diesen beiden Straßen bürgerliches Wohnen und bürgerliche Pracht entfaltet. Aber auch hier hat es Verluste gegeben. Die Industrialisierung und die Verkehrsplanung hat vieles wieder verändert.

In Braunschweig besonders zu nennen ist die Villa Rimpau als wirklich ganz herausragendes Merkmal einer sich darstellen wollenden Oberschicht und eine Besonderheit weist der Landschaftsraum natürlich auch auf: der herrschaftliche Weg zwischen Wolfenbüttel und Stöckheim, der Ende des 17. Jahrhunderts von Rudolf August geschaffen wurde. Er war nur dem Herzog vorbehalten, nachdem dieser 1671 die Stadt Braunschweig erobert hatte. Die fast reichsfreie Stadt musste sich anschließend dem Herzog unterordnen. Dies sind allesganz besondere Dinge und Geschichten, die andere Landschaftsräume nicht aufweisen können.

Den Auftakt bildet am 20. August eine Fahrradtour mit Start am Kennedy-Platz in Braunschweig. Warum gerade dort?

Das ergibt sich eigentlich schon aus dem Projekttitel „Vom Herzogtor zum Augusttor“, so hieß auch die Fahrradtour, die letztes Jahr stattfand, quasi als Test für das ganze Projekt. Und dieses Jahr findet die Fahrradtour in umgekehrter Richtung statt, das heißt vom Augusttor zum Herzogtor. Man kann bei einer Fahrradtour natürlich nicht die ganze Fülle darstellen, es werden bestimmte Punkte vorgestellt. Und es darf natürlich das Radfahren nicht zu kurz kommen. Es gibt aber immer wieder Stopps, bei denen zum Landschaftsraum, zu einzelnen Objekten und zu Themen einiges erzählt wird.

Was wird im Projektzeitraum noch geboten?

Da gibt es ein ganzes Potpourri. Kulturlandschaft ist ja nicht nur Landschaft, sondern auch Musik. Wir haben einen besonderen Komponisten, John Dowland, ein englischer Lautenspieler, der 1594 am Wolfenbütteler Hof war und dort als Musiker gewirkt hat. Die Musik von John Dowlandist ist auch heute noch aktuell. So hat zum Beispiel Sting ein Album mit Musik von John Dowland aufgenommen. Es ist also keine Musik, die irgendwo untergegangen ist, sondern Musik, die auch heute noch Künstler und auch das Publikum begeistert. Diese Musik wird am 3. September das Ensemble Recercada wieder zur Aufführung bringen. Es gibt darüber hinaus Vorträge und Rundgänge. Ein Rundgang findet in Stöckheim statt. Stöckheim war ein wichtiger Punkt, weil es auf der halben Strecke zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel liegt. Heute, wenn man Glück hat, kann man die Strecke in zehn Minuten mit dem Auto zurücklegen. Als man noch mit der Postkutsche fuhr oder zu Fuß ging, da war das große Weghaus in Wolfenbüttel natürlich genau der richtige Punkt, um eine Pause einzulegen. Aber auch Künstler, Literaten und die Braunschweiger Honoratioren haben sich in diesem Landschaftsraum bewegt und sind gern im Großen Weghaus eingekehrt.

Zum Beispiel Gotthold Ephraim Lessing…

Dem Aufklärer und Dichter Lessing werden wir eigens eine Lesung widmen, die das Programm in diesem Jahr abrunden wird. Ein Vortrag wird sich zum Beispiel mit den Schanzen zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig auseinandersetzen. Die Geschichte in diesem Raum verlief ja nicht nur friedlich. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Dörfer mehrere Male verheert. Dazu hat es Schanzarbeiten gegeben und von diesen Schanzen oder auch vom Schwedendamm, der Wolfenbüttel unter Wasser gesetzt hat, sind heute noch Reste zu sehen. In einem weiteren Vortrag geht es um Henriette Schrader-Breymann, die am Neuen Weg die Erziehungsanstalt „Neu-Watzum“ gegründet hatte; eine zukunftsweisende Schul- und Ausbildungsstätte für Mädchen und Frauen.

Gibt es einen roten Faden?

Es geht bei allen Themen und Objekten eigentlich immer darum, Geschichte mit der Örtlichkeit zu verbinden, wenn man das miteinander schafft, wird Geschichte lebendig. Und das ist auch eines der Hauptanliegen des Projektes: Geschichte und Geschichten für den Bürger interessant und verständlich darstellen.

Und im nächsten Jahr geht es dann weiter?

Ja, wir haben das Projekt sehr breit angelegt. Das erste Programm läuft vom 20. August bis Ende November 2016. Wir werden 2017 im ersten Halbjahr den zweiten Teil durchführen. Das hat natürlich erst einmal personelle Gründe. Die Arbeit wird überwiegend ehrenamtlich geleistet, da gibt es natürlich Kapazitätsgrenzen. Und von daher hatten wir uns dann entschlossen, die ganze Sache aufzuteilen und erst den diesjährigen Block zu planen und durchzuführen. Der zweite Block ist in Arbeit, die Referenten und Themen sind gefunden, jetzt geht es in die Feinplanung. Die erste Veranstaltung wird Ende Januar stattfinden.

Wie lang war die Planungsvorlaufzeit?

Die Idee wurde innerhalb der Arbeitsgruppe Gärten und Parks geboren, weil wir halt mit Antoinettenruhe, mit Salzdahlum, mit dem Jagdschlösschen Sternenhaus in dem Bereich interessante Gartenlagen und interessante Schlösser hatten. Herausgestellt hat sich dann, dass das irgendwie ein bisschen zu kurz gegriffen ist. In einem ein- bis zweijährigen Diskussionsprozess kristallisierte sich heraus, dass wir den ganzen Landschaftsraum in den Blickwinkel nehmen sollten. Nur so können wir den Landschaftraum ausreichend wertschätzen.

Termine

Samstag, 20. August 2016, 14 Uhr: Fahrradtour: „… vom Augusttor zum Herzogtor“. Kulturlandschaft zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel.
Klaus Hermann, Braunschweigische Landschaft e.V./Braunschweigischer Landesverein e.V. Treffpunkt: Kennedyplatz (Windmühlenberg), 38100 Braunschweig, Dauer 4 Std., ca. 40 km

Samstag, 3. September 2016, 19 Uhr: Konzert mit dem Ensemble Recercada:„Time stands still“ – Ein Abend mit John Dowland. Ort: St. Nikolai-Kirche, Römerstraße 1, 38124 Braunschweig-Melverode
Karten an der Abendkasse: 5 Euro

Freitag, 30. September 2016, 16 Uhr: Rundgang: Auf halbem Wege – Stöckheim zwischen den Residenzen Wolfenbüttel und Braunschweig
Rudolf Zehfuß, Heimatpfleger Stöckheim. Treffpunkt: Kirchenbrink 3 (an der Kirche), 38124 Braunschweig-Stöckheim, Dauer ca. 1,5 Std.

Mittwoch, 19. Oktober 2016, 19 Uhr: Vortrag: Henriette Schrader-Breymann und die Erziehungsanstalt„Neu-Watzum“. Dr. Sandra Donner, Leiterin des Schloss Museum Wolfenbüttel. Ort: Logenhaus der Widekind-Loge, Antoinettenweg 18, 38302 Wolfenbüttel

Donnerstag, 10. November 2016, 19 Uhr: Vortrag: Kriegerische Zeiten – Feldschanzen im Okertal zwischenWolfenbüttel und Braunschweig. Dipl.-Ing. Dieter Kertscher, ehrenamtlicher Festungsforscher/Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Altstadt Wolfenbüttel e.V.
Ort: Konferenzzentrum der Volksbank Wolfenbüttel-Salzgitter, Am Herzogtore 12, 38300 Wolfenbüttel

Donnerstag, 24. November 2016, 19 Uhr: Lesung mit Georg Oswald Cott und Lutz Tantow: Auf Lessings Spurenzwischen Herzogtor und Augusttor … Ort: Rokokopavillon, Leipziger Straße 234, 38124 Braunschweig-Stöckheim

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