Zum Abschluss ein großes Wagnis

Martine Dennewald. Foto: Jacqueline Moschkau
Martine Dennewald. Foto: Jacqueline Moschkau

Wechsel an der Spitze des Festivals Theater­formen: Nach der digitalen Corona-Sonder­aus­gabe übergibt Kuratorin Martine Dennewald für 2021 an Anna Mülter.

Martine Dennewald hatte sich ihre sechste und letzte Ausgabe des Festivals Theater­formen ganz anders vorge­stellt. Die 21. Ausgabe des Festivals, das in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag gefeiert hat, musste sie notge­drungen als pande­mietaug­liche Sonder­aus­gabe unter dem Motto „A Sea Of Islands“ mit Instal­la­tionen in Braun­schweig und mit einem umfang­rei­chen Online­pro­gramm über die Bühne bringen. Martine Dennewald leitete das Festival seit September 2014 und wollte ihren Vertrag nicht weiter verlän­gern.

Ihr folgt im Herbst diesen Jahres Anna Mülter, die ihr erstes Festival Theater­formen im Sommer 2021 vom 8. bis 18. Juli in Hannover präsen­tieren wird. Die aus Hannover stammende Literatur- und Theater­wis­sen­schaft­lerin Anna Mülter leitet bislang seit 2014 die Tanztage Berlin und ist mitver­ant­wort­lich für das Tanzpro­gramm und die Themen­fes­ti­vals der Sophien­sæle.

Den Schwenk der Ausgabe 2020 vom ursprüng­lich geplanten Festival, das in der Regel knapp zwei Jahre vorbe­reitet wird, hin zur Online-Version wurde im April 2020 mit Rücken­de­ckung des Festi­val­bei­rats beschlossen. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren 18 inter­na­tio­nale Produk­tionen, die mit gleich vielen verschie­denen Inseln auf der ganzen Welt in Verbin­dung stehen, geplant.

Die Bilanz 2020 liest sich so: Sechs Kunst­in­stal­la­tionen, acht Online-Beiträge, Postsen­dungen zweier Theater­gruppen, acht Konzerte, das Mitmach-Programm für Zuhause „Perform at Home“ für Schul­klassen und Publikum und allabend­liche Live-Talks mit den inter­na­tio­nalen Theater­ma­che­rinnen und ‑machern waren vom 2. bis 12. Juli zu sehen. 1455 Besucher kamen, um die Instal­la­tionen zu sehen. 17.285 Zugriffe verzeich­neten die Online­bei­träge.

„Für das Festi­val­team und mich war diese Ausgabe ein beson­deres Wagnis: Unter ungewissen Umständen haben wir uns mit unseren Künst­le­rinnen und Künstlern an ein unerprobtes Festi­val­format gewagt, neue künst­le­ri­sche Projekte entwi­ckelt und zur Urauf­füh­rung gebracht, unsere Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­tegie und das Vermitt­lungs­pro­gramm auf diese beson­deren Zeiten ausge­richtet“, resümiert Festi­val­lei­terin Martine Dennewald. Das Festival habe so online auch ein Publikum weit über Deutsch­lands Grenzen hinaus erreicht.

Denne­walds kurato­ri­sches Arbeiten war in den sechs Jahren als Festi­val­lei­terin nicht zu trennen von ihrer Ausein­an­der­set­zung mit Postko­lo­nia­lismus und diskri­mi­nie­rungs­kri­ti­scher Arbeit. Das Festival 2016 in Braun­schweig setzte mit „Our Common Futures“ beispiels­weise einen Fokus auf Gastspiele aus Ost- und Südost­asien. 2018 widmete sich Dennewald den Aus- und Nachwir­kungen des Kolonia­lismus aus verschie­denen Perspek­tiven.

„In den vergan­genen sechs Jahren haben wir beim Festival Theater­formen nicht nur 80 Produk­tionen aus der ganzen Welt nach Nieder­sachsen gebracht und unserem Publikum unver­gess­liche Theater­er­leb­nisse beschert. Und ich wünsche Anna Mülter alles Gute für die kommenden Jahre“, sagt Martine Dennewald zum Abschied.

Das Festival ist eines der größten für inter­na­tio­nales Theater in Deutsch­land. Veran­staltet wird es von den Staats­thea­tern Braun­schweig und Hannover. Der Ursprung lag 1990 in der Löwen­stadt. Seit 2007 wird es im jährli­chen Wechsel in beiden Städten ausge­tragen.  Es wird unter anderem durch die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gefördert.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Festival Theater­formen erarbeitet digitales Programm

    Festival Theater­formen erarbeitet digitales Programm

    Ein Festival zu räumlicher Isolation und globalem Zusammenhalt mit Kunst, Diskurs und interaktiven Formaten – virtuell, für Zuhause und auf Abstand. Weiterlesen

  • Von Gewalt und wie man ihr begegnet

    Von Gewalt und wie man ihr begegnet

    Das Festival Theaterformen zeigt vom 30. Juni bis 10. Juli 19 Stücke aus zwölf Ländern. Weiterlesen

  • Eine Stadt im Zeichen des Theaters

    Eine Stadt im Zeichen des Theaters

    Das inter­na­tional beachtete Festival Theater­formen in Braun­schweig präsen­tiert Produk­tionen aus Austra­lien, Belgien, Deutsch­land, Frank­reich, Großbri­tan­nien, Japan, Kanada, Mosambik, den Nieder­landen, Nigeria, Portugal und Südafrika. Der Fokus der Freunde des zeitge­nös­si­schen Theaters liegt elf Tage lang auf Braun­schweig. Denn die Veran­stal­tungs­reihe Theater­formen hat sich seit seiner Premiere 1990 zu einem der größten Festivals für inter­na­tio­nales Theater… Weiterlesen