Denkmal­pflege ist keine Sache des Geschmacks

Vorher-Nachher Darstellung der Eingangstür des ehemaligen Wohnwirtschaftsgebäudes in Wenden, Hauptstraße 42. Screenshot/Foto: Heinz Kudalla/Stadt Braunschweig
Vorher-Nachher Darstellung der Eingangstür des ehemaligen Wohnwirtschaftsgebäudes in Wenden, Hauptstraße 42. Screenshot/Foto: Heinz Kudalla/Stadt Braunschweig

Neue Dokumen­ta­tion für die Jahre 2014/2015 vorgelegt: Die Koope­ra­tion von Stadt und Richard Borek Stiftung förderte 39 Projekte privater Eigen­tümer.

In Braun­schweig gibt es eine ganze Reihe von heraus­ra­genden Baudenk­malen. Sie sind populär und erschließen sich für jedermann auf den ersten Blick als besonders schüt­zens­wert. Der Burgpatz oder das Magni­viertel, die Villa von Amsberg oder die Villa Salve Hospes, das Staats­theater oder das Städti­sche Museum, die Zwiebel­turm­kirche in Timmerlah oder die Kloster­kirche in Riddags­hausen – all das sind Leucht­türme der Stadt. Im gerade vorge­legten aktuellen Bericht über die Zuschüsse zur Pflege des baulichen Kultur­guts für die Jahre 2015/2015 geht es dagegen um weit beschei­de­nere Bauten, die aber gleich­wohl Bauauf­gaben, Baustile und Baukon­struk­tionen ihrer Zeit sichtbar und erhal­tens­wert machen. Dank der Koope­ra­tion zwischen Stadt und Richard Borek Stiftung wurden im entspre­chenden Zeitraum erneut 39 Eigen­tümer bei ihren denkmal­pfle­ge­ri­schen Inves­ti­tionen unter­stützt. Die Verein­ba­rung existiert seit 2002. Insgesamt wurden bislang rund 350 Projekte mit einem Gesamt­vo­lumen von mehr als einer Million Euro gefördert.

„Braun­schweig besitzt rund 1700 histo­risch wertvolle Bauten und Anlagen, deren Erhaltung wegen ihrer beson­deren geschicht­li­chen, baukünst­le­ri­schen oder städte­bau­li­chen Bedeutung im Interesse der Öffent­lich­keit liegt. Mit dieser Begrün­dung sind sie als Bau- oder Boden­denk­male geschützt“, heißt es auf der Homepage der Stadt. Nicht alle Denkmale ließen sich in ihrer beson­deren Bedeutung ohne weiteres erkennen, steht dort weiter. Das gilt ebenso für eine Reihe von Förder­pro­jekten, zumal bei einigen von ihnen nur Experten die Verän­de­rung regis­trieren.

So ziert das Titel­blatt des Berichts die Vorher-Nachher-Darstel­lung der Eingangstür des ehema­ligen Wohnwirt­schafts­ge­bäude in Wenden, Haupt­straße 42. „Techni­sche Mängel führten zu einer Erneue­rung der Haustür. Dabei war es das Ziel, das Erschei­nungs­bild der Tür, ihre Konstruk­tion bis hin zur Wieder­ver­wen­dung von Schmuck­de­tails zu bewahren. Die Farbge­bung erfolgte teils als Fortschrei­bung des Bestandes. Die untypi­sche Buntheit der Türblätter wurde durch eine zurück­hal­tende Farbge­bung ersetzt“, wird das Projekt am 1866 errich­teten Fachwerk­haus beschrieben.

„Denkmal­pflege ist zuerst mit einer Spuren­suche, einer Analyse verbunden. Wann ist ein Gebäude entstanden? Gibt es unter­schied­liche Zeitepo­chen der Entste­hung oder der Umgestal­tung? Diese Analyse kann aufwendig sein und zu Ergeb­nissen und Forde­rungen der Denkmal­pflege führen, die für Laien und die Öffent­lich­keit unver­ständ­lich und rein aus einem ästhe­tisch geprägten Blick­winkel heraus fragwürdig erscheinen“, schreibt Klaus Hornung, Leiter Referat Stadtbild und Denkmal­pflege, in seinem Vorwort.

Weiter führt Hornung in seiner Einlei­tung aus, dass sich sicher viele Menschen fragten, ob die bunte Farbig­keit der Haustür zuvor nicht schöner gewesen sei als die zurück­hal­tende Farbge­bung, wie sie sich heute zeige. „Nicht wenige werden zumindest den Mehrwert der Sanierung in dieser Hinsicht anzwei­feln. Aus rein ästhe­ti­scher Sicht mag diese Frage­stel­lung zulässig sein. Aus der Sicht eines Denkmal­pfle­gers ist sie es nicht. Aus dessen Sicht geht es in erster Linie um eine histo­ri­sche Authen­ti­zität und da entspricht die zurück­hal­tende Farbge­bung dem damaligen Zeitgeist“, versi­chert Klaus Hornung.

In den meisten Fällen aber, das belegt die gerade veröf­fent­lichte Dokumen­ta­tion erneut, führt eine histo­risch korrekte Sanierung auch zu einer allgemein sicht­baren Verschö­ne­rung des Stadt­bildes. Deutlich wird das an der Wallring-Villa, Ferdi­nand­straße 4. Nach der Vorlage auf histo­ri­schen Fotos wurde das Dach mit Natur­schie­fer­platten neu einge­deckt. Damit hat das Gebäude eine wesent­liche Aufwer­tung erhalten. Ein gutes Beispiel ist auch das Haus Bismarck­straße 8 aus der Gründer­zeit. Auf der gesamten Grund­stücks­länge wurde der Zaun in der Formen­sprache und Farbig­keit passend zu histo­ri­schen Einfrie­dungen der Gründer­zeit erneuert. Das Projekt führte die in 2012/13 geför­derte Fenster­er­neue­rung und Fassa­den­sa­nie­rung fort. Detail­ar­beiten wurden an der klassi­zis­ti­schen Villa Wenden­tor­wall 7 unter­stützt. Bei der Erneue­rung der Fenster im Erdge­schoss wurden die histo­ri­schen Beschläge aufge­ar­beitet und wieder verwendet.

Die Bandbreite der bezuschussten Arbeiten ist groß. Sie reichte von der Restau­rie­rung der histo­ri­schen Innen­treppe im Haus Vor der Burg 17, über die Aufar­bei­tung des Portals und des Erkers am Haus Reichs­straße 3, der Instand­set­zung des Boots­hauses Adolf­straße 40, der Fassa­den­sa­nie­rung am Haus Magni­kirch­straße 6 bis hin zur Reparatur des Holzbal­kons am Haus Lützow­straße 3.

Mit der Förderung will die Stadt das Engage­ment der Eigen­tümer belohnen und Anreize für denkmal­ge­rechte Sanie­rungen oder Restau­rie­rungen. Jährlich stehen dafür 76.500 Euro zur Verfügung. Zwei Drittel davon trägt die Stadt, ein Drittel die Stiftung. Die Verein­ba­rung, die jeweils für sechs Jahre geschlossen wird, ist 2014 bereits zum dritten Mal verlän­gert worden. Grundlage der Förder­fä­hig­keit einzelner Projekte ist ein von Stadt und Stiftung gemeinsam zusam­men­ge­stellter Katalog von Baudenk­mä­lern, deren Fortbe­stand gefährdet ist. Den Zuschüssen stehen jeweils private Inves­ti­tionen in mehr als zehnfa­cher Höhe gegenüber.

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