„Braun­schweiger Möbel des 18. Jahrhun­derts“

Aufsatzschrank mit Bacchanten- und Tugendendarstellung auf Zinneinlagen, um 1720. Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien
Aufsatzschrank mit Bacchanten- und Tugendendarstellung auf Zinneinlagen, um 1720. Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien

Vierter Band der Reihe „Braun­schwei­gi­sches Kunst­hand­werk“: Tisch­l­er­gilde überzeugte mit sicht­barer Eigen­stän­dig­keit

Cover. Foto: RBS/LIO Design GmbH
Cover. Foto: RBS/LIO Design GmbH

Braun­schweig gehörte im 17. und 18. Jahrhun­dert zu den großen Möbel­zen­tren Deutsch­lands. Die sogenannten Braun­schweiger Möbel mussten dank ihrer hohen Qualität und ihrer sicht­baren Eigen­stän­dig­keit keinen Vergleich mit den Tisch­ler­ar­beiten aus Mainz, Dresden oder Frankfurt scheuen. Die jetzt von Kunst­his­to­ri­kerin Andrea Schneider vorge­legte Publi­ka­tion „Braun­schweiger Möbel des 18. Jahrhun­derts“ unter­streicht diese Aussage. Sie stellt die beson­deren stilis­ti­schen Merkmale der Braun­schweiger Möbel heraus und liefert einen breiten Überblick über die verschie­denen Möbel­typen, insbe­son­dere furnierter Möbel.

Heraus­ra­gendes Handwerk

Das Werk erscheint als vierter Band in der Reihe „Braun­schwei­gi­sches Kunst­hand­werk“. Ausgangs­punkt der Buchreihe war ein von der Richard Borek Stiftung mit dem ehema­ligen Direktor des Städti­schen Museums Braun­schweig, Dr. Gerd Spies vor 25 Jahren entwi­ckeltes, aber letztlich nicht umgesetztes Museums­kon­zept, das die Bedeutung des ehema­ligen Herzog­tums Braun­schweig als Standort für heraus­ra­gendes Kunst­hand­werk im 17. und 18. Jahrhun­dert heraus­strei­chen sollte. Die Publi­ka­tionen greifen dieses Vorhaben auf.

Bisher erschienen sind neben dem vorlie­genden Buch „Stobwasser. Lackkunst aus Braun­schweig & Berlin“ (2 Bände, 2005), „Braun­schwei­gi­sche Münzen und Medaillen. 1.000 Jahre Münzkunst und Geschichte in Stadt und Land Braun­schweig“ (2010) sowie „Die Porzel­lan­ma­nu­faktur Fürsten­berg. Eine Kultur­ge­schichte im Spiegel des Fürsten­berger Porzel­lans“ (3 Bände im Schuber, 2016). Für die Herausga­be der Kunst­bände gewann die Richard Borek Stiftung die Braun­schwei­gi­sche Stiftung und spä­ter die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Appell an Museen

Aufsatzschreibschrank mit Pietra-dura-Einlagen, um 1720, Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien
Aufsatz­schreib­schrank mit Pietra-dura-Einlagen, um 1720, Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien

Der Band „Braun­schweiger Möbel des 18. Jahrhun­derts“ führt die Objekte, die heute in Museen und Privat­be­sitz selbst über die Grenzen Deutsch­lands hinaus verstreut sind, für Braun­schweig wieder zusammen. Mit ihm richten die Heraus­geber zugleich einen Appell an die Museums­land­schaft, den Blick stärker auf die Möbel­kunst zu richten und diese nicht nur zu sammeln und in Depots aufzu­be­wahren, son­dern auch auszu­stellen.

Die Braun­schweiger Möbel bestechen über ihre reine Funktion hinaus durch ihre künst­le­ri­sche Gestal­tung sowie ihre techni­sche und ästhe­ti­sche Ausar­bei­tung. Auftrag­geber der Möbel­kunst waren seiner­zeit neben dem Hof insbe­son­dere der Adel und das Großbür­gertum. Dennoch spielten Möbel in der kunst­his­to­ri­schen Forschung eine unter­ge­ord­nete Rolle. So gab es bislang keine zusam­men­fas­sende Darstel­lung der Braun­schweiger Möbel­pro­duk­tion, die als Standard- und Nachschla­ge­werk genutzt werden kann.

In dem Buch werden detail­lierte Infor­ma­tionen zur Braun­schweiger Tisch­l­er­gilde, dem Vertrieb der Waren und den erhal­tenen Meister­rissen gegeben. Der Schwer­punkt liegt jedoch auf dem sorgfältig ausge­ar­bei­teten Katalog­teil mit seinen zahlrei­chen Abbil­dungen. Die einzelnen Objekte werden hinsicht­lich des Materials, der kunst­hand­werk­li­chen Techniken, der Ornamentik und Prove­nienz präzise beschrieben, datiert und stilis­tisch einge­ordnet.

Verstei­gert in New York

Vitrinenschrank für Herzog August Wilhelm, um 1720 – 1725, Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien
Vitri­nen­schrank für Herzog August Wilhelm, um 1720 – 1725, Herzog Anton Ulrich-Museum. Foto: RBS/Marc Stantien

Viele beschrie­bene Objekte, darunter Kleider­schränke, Schreib­möbel, Vitrinen, Kommoden, Truhen, Stühle, Tische und Sessel, befinden sich in Privat­be­sitz. Ein Großteil zählt jedoch zu den Sammlungen des Städti­schen Museums Braun­schweig, des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums, des Herzog Anton Ulrich-Museums und des Schloss Museums Wolfen­büttel. Weitere finden sich in überre­gio­nalen Museen, etwa in Düssel­dorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Bonn oder Nürnberg. Einige Objekte sind zudem im Ausland zu finden. Sogar bei Sotheby’s New York wurde ein Möbel­stück verstei­gert.

Die vorlie­gende Unter­su­chung der Kunst­his­to­ri­kerin Andrea Schneider wurde an der philo­sophischen Fakultät der Univer­sität Mainz als Dis­sertation im Fach Kunst­ge­schichte angenommen. Die Autorin absol­vierte von 1993 bis 1996 eine Tisch­ler­lehre und arbeitete im Anschluss in der Restau­rie­rung. Von 1998 bis 2003 studierte sie an der Johannes Gutenberg-Univer­sität Mainz Kunst­ge­schichte, klassi­sche Archäo­logie und Geogra­phie.

Fakten:

Braun­schweiger Möbel des 18. Jahrhun­derts

Andrea Schneider
408 Seiten, Richard Borek Stiftung (2021)
75 Euro
ISBN 978–3‑9823115–1‑7

Bisher erschienen in der Reihe Braun­schwei­gi­sches Kunst­hand­werk:

Die Porzel­lan­ma­nu­faktur Fürsten­berg
Beatrix von Wolff Metternich/Manfred Meinz (Band I+II), Christian Lechelt (Band III)
3 Bände im Schuber, gesamt 940 Seiten, Appelhans Verlag (2016)
ISBN 978–3‑944939–24‑7

Stobwasser – Lackkunst aus Braun­schweig und Berlin
Detlev Richter
2 Bände, gesamt 456 Seiten, Prestel Verlag (2005)
ISBN 978–3‑7913–3439‑4

Braun­schwei­gi­sche Münzen und Medaillen – 1000 Jahre Münzkunst und Geschichte in Stadt und Land Braun­schweig
Wolfgang Leschhorn
464 Seiten, Appelhans Verlag (2010)
ISBN 978–3‑941737–22‑8

Alle Ausgaben sind über die Buchhand­lung Graff in Braun­schweig zu beziehen (Adresse: Sack 15, 38100 Braun­schweig, Tel.: 0531 480890, https://www.graff.de) sowie bei Borek am Dom und im Museums­shop des Herzog Anton Ulrich-Museums Braun­schweig zu erwerben.

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