Ein pracht­voller Hof an der Poststraße

Poststraße mit Gewandhaus, Postkarte um 1900: Foto: privat
Poststraße mit Gewandhaus, Postkarte um 1900: Foto: privat

Verschwun­dene Kostbar­keiten, Folge 2: Wieder­auf­bau­fä­hige Denkmal­sub­stanz fiel der Trümmer­räu­mung zum Opfer

Namensgeber für die Poststraße Foto: Stadtarchiv Braunschweig
Namens­geber für die Poststraße Foto: Stadt­ar­chiv Braun­schweig

 Im Jahr 2021 schloss das ehemalige Karstadt-Kaufhaus am Gewand­haus seine Pforten. Die eigen­wil­ligen Fassaden des Gebäudes wurden 1978 nach Entwürfen des bekannten Archi­tekten Gottfried Böhm gestaltet. Sie zeigen die Absicht, mit herun­ter­ge­zo­genen und aufge­klappten Dachflä­chen eine auf den Ort bezogene Archi­tektur zu schaffen – waren doch zuvor entstan­dene Großkauf­häuser wie Horten (bis 2020 Galeria Kaufhof) als fenster­lose Kubaturen in den Stadt­körper implan­tiert worden. Nichts­des­to­trotz besetzt der Karstadt-Bau an einem sensiblen Ort der histo­ri­schen Innen­stadt ein weiträu­miges Quartier und verwischt die bis zu seiner Errich­tung noch vorhan­dene histo­ri­sche Parzel­len­struktur. Dem Kaufhaus fielen zudem mehrere Häuser aus dem späten 19. Jahrhun­dert zum Opfer.

Schmaler Durch­gangshof

Blick in den Hinterhof Poststraße 6. Foto: P. J. Meier, Braunschweig, Berlin 1931
Blick in den Hinterhof Poststraße 6. Foto: P. J. Meier, Braun­schweig, Berlin 1931

Bis zu ihrer Zerstö­rung im Zweiten Weltkrieg war auf dem heute von Karstadt überbauten Grund­stück Poststraße Nr. 6 eine pracht­volle Hofanlage zu bestaunen. Das Hofgrund­stück erstreckte sich bis an die Jakobstraße und schloss dort durch ein Hinter­ge­bäude mit Tordurch­gang ab. Das alte Vorder­haus an der Poststraße zeigte sich als mittel­al­ter­li­cher Steinbau mit Spuren mehrerer Umbauten. Es wurde bereits in den 1880er Jahren abgebro­chen und durch ein gründer­zeit­li­ches Wohn- und Geschäfts­haus ersetzt. Bemer­kens­wert war die barocke Figuren­ni­sche über dem Portal des sonst wenig reprä­sen­ta­tiven Bauwerks. Der schmale Durch­gangshof mit dem Hinter­ge­bäude und den dort anschlie­ßenden Flügel­bauten blieb bis zu den Bomben­an­griffen 1944 erhalten.

Vorderhaus Poststraße 6. Foto: Nieders. Landesamt f. Denkmalpflege
Vorder­haus Poststraße 6. Foto: Nieders. Landesamt f. Denkmal­pflege

Das abschlie­ßende Hinter­ge­bäude an der Jakobstraße zeigte zwei massive Geschosse mit einem Oberstock aus Fachwerk, während die Hofbe­bauung ganz in Fachwerk gezimmert war. Reiche Zierformen der Spätre­nais­sance lassen auf eine einheit­liche Entste­hungs­zeit dieses einzig­ar­tigen Ensembles schließen. Inschriften mit der Jahres­zahlen 1589 und 1591 gaben Auskunft über die Baujahre. Leider ist der Wortlaut der auf histo­ri­schen Fotogra­fien sicht­baren Inschriften in der durchaus umfang­rei­chen Literatur zu histo­ri­schen Häusern in Braun­schweig und selbst im für Braun­schweig so ergie­bigen Inter­net­portal www.inschriften.net nicht überlie­fert.

Poststraße mit Gewandhaus heute. Foto: Elmar Arnhold
Poststraße mit Gewand­haus heute. Foto: Elmar Arnhold

Hinter­haus aufwen­diger gestaltet

Das Hinter­haus war erstaun­li­cher­weise weitaus aufwen­diger gestaltet als das ehemalige Vorder­haus an der Poststraße. Das Rundbo­gen­portal und die Fenster­ein­fas­sungen zeigten Quader­steine in Diamant­form, die am Tor mit Masken­re­liefs abwech­selten. Die üppigen Schnit­ze­reien des Fachwerks am Oberge­schoss und an den beiden Hofge­bäuden waren mit ihren Konsolen sowie Facett­bän­dern der Schwell­balken typisch für die Zeit um 1600. Ursprüng­lich wurden die Hofge­bäude wohl großen­teils als Speicher der dort ansäs­sigen Kaufleute genutzt.

Das Hinterhaus Jacobstraße. Foto: Architektur der Renaissance in Deutschland, Stuttgart 1909
Das Hinter­haus Jacob­straße. Foto: Archi­tektur der Renais­sance in Deutsch­land, Stuttgart 1909

Nach den Kriegs­zer­stö­rungen waren die steinernen Bauteile des Hinter­ge­bäudes an der Jakobstraße noch weitge­hend erhalten. Selbst die barocken Torflügel sind auf einer 1946 entstan­denen Fotografie noch sichtbar. Leider fiel die durchaus wieder­auf­bau­fä­hige Denkmal­sub­stanz der Trümmer­räu­mung zum Opfer. Ob Teile der Fassade, so das Portal mit Wappen­stein, geborgen und eventuell auf einem städti­schen Bauhof einge­la­gert wurden?

Wohnort für Vermö­gende

Die Poststraße war aufgrund ihrer zentralen Lage Wohnort vermö­gender und einfluss­rei­cher Familien. Der Straßenzug hieß bis in das 17. Jahrhun­dert auch „Bei den Wechslern“: Es wurden dort demnach auch Geldge­schäfte getätigt. An der Ecke Kohlmarkt/Schützenstraße befand sich zudem bis 1671 die städti­sche Münze. Im 18. Jahrhun­dert ordnete man die Straße dem Kohlmarkt zu. Der seit Mitte des 19. Jahrhun­derts gültige Name Poststraße rührt daher, dass in dem Eckge­bäude zur heutigen Brabandt­straße ab 1748 die Herzog­liche Post unter­ge­bracht war. Zuvor hatten hier die von Thurn und Taxis eine Nieder­las­sung der Kaiser­li­chen Post betrieben. Das barocke Postge­bäude ist für den Durch­bruch der Brabandt­straße bereits nach 1883 abgebro­chen worden.

Elmar Arnhold ist Bauhis­to­riker (Gebautes Erbe) und Stadt­teil­hei­mat­pfleger. Auf Instagram@elmararnhold veröf­fent­licht er regemäßig Beiträge zu histo­ri­schen Bauten in Braun­schweig.

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