Der Burgplatz glänzt mit einer freien Inter­pre­ta­tion

Die Burg wurde 1883 nach einem Brand komplett abgebrochen. Auf diesem Foto stehen noch romanische Bauteile aus dem 12. Jahrhundert. Foto: Stadtarchiv

Braun­schweigs Plätze, Folge 11: Die eindrucks­volle Kulisse des Burgplatzes mit Bauwerken aus unter­schied­li­chen Epochen ist über die Jahrhun­derte Mittel­punkt der Stadt geblieben.

Ist es nicht eine große Freude, wenn bei Fernseh­in­ter­views von Braun­schweiger Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaft­lern der Burgplatz als beein­dru­ckendes Hinter­grund­bild gewählt wird. Das macht doch jede Braun­schwei­gerin und jeden Braun­schweiger stolz. Was für eine prächtige Visiten­karte für eine bundes­weit noch immer zu Unrecht weit unter­schätzte Stadt! Da stört es doch fast nicht, dass die Burg lediglich ein ideal­ty­pi­scher Neubau von Stadt­baurat Ludwig Winter (1843–1930) ist. Von 1887 bis 1906 wurde daran gebaut. Diese imposante Stadt­an­sicht macht mächtig Eindruck. Und schließ­lich: Wer weiß außerhalb Braun­schweigs schon, dass Heinrich der Löwe (1129–1195) in diesem Gemäuer nie residierte.

Aktuelle Ansicht auf Burg, Burglöwen und Dom. Foto: Stadt­mar­ke­ting

Zeugnis des Histo­rismus

„Die Burg Dankwar­derode stellt eine freie Inter­pre­ta­tion der von Winter initi­ierten Grabungs­be­funde dar. Das Bauwerk ist somit auch mit seiner präch­tigen Innen­aus­stat­tung ein Zeugnis des Histo­rismus. Der Arkaden­über­gang zum Dom bildet mit seinem Fachwerk­aufbau eine pitto­reske Kompo­nente“, erläutert der renom­mierte Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Elmar Arnhold. Die sozusagen originale Burg war im Laufe der Jahrhun­derte mehrfach umgestaltet worden. Ein Brand 1873 führte zehn Jahre später zum vollstän­digen Abbruch und machte den attrak­tiven Neubau möglich. Aus der Zeit Heinrichs des Löwen (1129–1195) stammen dagegen der Dom St. Blasii (1173–1226) und das Löwen-Monument (1166).

Blick auf das ehemalige Haupt­ge­bäude der mittel­al­ter­li­chen Burg nach dem Brand 1873. Der ehemalige Ferdi­nandsbau ist bereits abgerissen. Foto: Stadt­ar­chiv

Gemeinsam mit Elmar Arnhold stellt „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ Braun­schweigs Innen­stadt-Plätze in monat­li­cher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung heraus­ge­ge­benen Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestal­tungs­pläne für den Hagen­markt. Heraus­ge­kommen ist ein attrak­tives Standard­werk.

Mittel­punkt der Stadt

Keinen Zweifel lässt Arnhold an der Bedeutung des Burgplatzes für Braun­schweig. „Er ist über die Jahrhun­derte Mittel­punkt der Stadt geblieben und bildet eine eindrucks­volle Kulisse mit Bauwerken aus unter­schied­li­chen Epochen“, lobt der Bauhis­to­riker. Burg, Dom und Löwe zählen nicht nur für ihn zu den Haupt­se­hens­wür­dig­keiten der Stadt. Zum stimmigen Ensemble gehören weiterhin das Velthei­mi­sche Haus, das Hunebors­tel­sche Haus, das Vieweg­haus, das Deutsche Haus und das Gebäude Burgplatz 1. Die heute selbst­ver­ständ­liche Pflas­te­rung erfolgte übrigens erst wieder 1937. Zuvor war der Platz im Zuge des Burgneu­baus für rund drei Jahrzehnte mit Rasen­flä­chen und mit auf den Burglöwen zentrierten Wegen umgestaltet worden.

Blick auf (von links) Vieweg­haus, Velthei­mi­sches Haus und Hunebors­tel­sches Haus, Ansichts­karte um 1910. Foto: Stadt­ar­chiv

Die eigent­liche Geschichte des Burgplatzes beginnt noch früher als zu Zeiten Heinrichs des Löwen. Bereits für das 11. Jahrhun­dert, so Arnhold, lägen gesicherte Erkennt­nisse über eine Wasser­burg vor. Sie war der Sitz des Adels­ge­schlechts der Brunonen, denen die Stadt wohl ihren Namen verdankt. Heinrich der Löwe kam erst 1142 auf den Plan. Als er Herrschaft über das Herzogtum Sachsen erlangt hatte, wählte der Welfe Braun­schweig als Residenz und ließ den alten Adelssitz zu einer monumen­talen Burgan­lage ausbauen. Für Bauar­beiten an der Burg, die ähnlich der Kaiser­pfalz in Goslar gestaltet wurde, sind keine Datie­rungen überlie­fert. Angenommen werden die späten 1160er oder frühen 1170er Jahre.

Kaiser im Dom beigesetzt

Der Dom wurde zu Lebzeiten Heinrichs des Löwen nicht vollendet. Nachdem 1189 bereits seine Gemahlin Mathilde im Dom beigesetzt worden war, fand der 1195 weitge­hend entmach­tete Herzog dort 1195 seine Grabstätte. Zu Beginn des 13. Jahrhun­derts erlangte die Burg als Herrscher­sitz von Kaiser Otto IV. (1175–1218) noch einmal überre­gio­nale Bedeutung. Auch der einzige welfische Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wurde im Dom beigesetzt.

Das älteste Bauwerk auf dem Burgplatz ist das gerade sanierte Velthei­mi­sche Haus, in dem die Handwerks­kammer Braun­schweig-Lüneburg ihren Sitz hat. Es ist das einzig erhaltene Gebäude der sogenannten Adelshöfe und wurde 1573 als Fachwerkbau errichtet. Nicht mehr erhalten ist das Schulen­burg­sche Haus (1619). An seiner Stelle entstand das Deutsche Haus (1896/97). Das Fachwerk des Hotel­neu­baus zum Burgplatz sollte an den ehema­ligen Schulen­burg­schen Adelshof erinnern.

Histo­ri­sche Fassade umgesetzt

Das Hunebors­tel­sche Haus ohne die Schnitz­fas­sade, 1955. Foto: Stadt­ar­chiv

Für die danach noch existie­rende Baulücke zwischen Velthei­mi­schen Haus und Deutschem Haus fand sich 1902 eine prächtige Lösung: Mit dem Hunebors­tel­schen Haus wurde eines der bedeu­tendsten Fachwerk­häuser Braun­schweigs am Sack abgetragen und seine reich­haltig geschnitzte Fassade sowie das histo­ri­sche Dachwerk in einem Neubau eingefügt. Während des Krieges war die die Front­fas­sade des umplat­zierten Hunebors­tel­schen Hauses abgebaut und vor Bomben­an­griffen geschützt in der Domäne Hessen aufbe­wahrt worden. Sie kehrte erst 1956 aus dem damals zur DDR gehörenden Gebiet zurück.

Nach dem Abbruch des ursprüng­li­chen Burgtores auf der Westseite gab es Platz für weitere Gebäude Burgplatz 1. Zuerst entstand das frühklas­si­zis­ti­sche Bürger­haus mit der Anschrift Burgplatz 1 (1798) und dann ihm gegenüber das imposante Gebäude des Verlegers Friedrich Vieweg, das wohl von David Gilly, einem bedeu­tenden Baumeister des Berliner Klassi­zismus entworfen wurde. Heute ist in dem Bauwerk das Braun­schwei­gi­sche Landes­mu­seum (seit 1985) unter­ge­bracht. Aktuell wird dort voraus­sicht­lich bis 2027saniert.

Fakten:

Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12,90 Euro

 

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