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Identität der alten Residenz und heute starke Touristenmagnete

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Braunschweigs Plätze, Folge 18 und Abschluss: Elmar Arnhold hat erstmals den bauhistorischen und stadtgeschichtlichen Wert der Braunschweiger Plätze zusammenfassend in den Blick genommen.

Der Leiter des Stadtarchivs Braunschweig, Dr. Henning Steinführer, hat die Brüche in der baulichen Entwicklung Braunschweigs historischer Plätze, entstanden in fast 1000-jähriger Stadtgeschichte, in seinem Grußwort zu Elmar Arnolds Buch „Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ vorangestellt. „Beim Wiederaufbau nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde nur wenig Rücksicht auf die alte Stadttopographie genommen“, kritisierte er und führte dafür beispielhaft den Hagenmarkt an. Dort bietet sich nun die Chance zu einer Korrektur. Wird Braunschweig sie nutzen? Die unumgängliche Neugestaltung nach den Sturmschäden durch „Xavier“ 2017 war Anlass für das Buch des Bauhistorikers.

Arnhold habe erstmals den bauhistorischen und stadtgeschichtlichen Wert der Braunschweiger Plätze zusammenfassend in den Blick genommen, so Steinführer. Die Broschüre, herausgegeben von der Richard Borek Stiftung, ist aktuell in zweiter Auflage erschienen und im Buchhandel erhältlich. Basierend darauf verfasste „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ in Kooperation mit dem herausragenden Braunschweig-Kenner kompakte Folgen, die weiterhin alle unter „Unsere Serien“ kostenfrei nachzulesen sind. Dieser Beitrag nun ist der Abschluss der erfolgreichen Reihe und ordnet die Plätze in ihrer Entwicklung nochmals ein.

Der „neue“ Schlossplatz. Foto: Dieter Heitefuß

Die Gründe für die Vielfalt

„Der Burgplatz spiegelt das mittelalterliche Zentrum welfischer Herrschaft wider. Die einstigen Marktplätze bezeugen die Bedeutung Braunschweigs als führende Hansestadt des niedersächsischen Raums. Darüber hinaus erinnern sie als die alten Zentren der Weichbilde an die einzigartige Stadtstruktur Braunschweigs im Mittelalter. Andere Plätze wurden im Rahmen der herzoglichen Bautätigkeit seit dem 18. Jahrhundert völlig neu angelegt“, begründet Arnhold die außerordentliche Vielfalt an Plätzen in der Stadt.

Bei der Jury-Sitzung zur Hagenmarkt Neugestaltung stand Elmar Arnhold beratend zur Seite und lobte abschließend, ebenso wie die Stadtverwaltung, den Siegerentwurf. Die Idee des Berliner Büro capattistaubach urbane landschaften respektiere die Rolle des Hagenmarkts als Stadtplatz, meinte Arnhold. Der siegreiche Entwurf zeichne sich durch einen überraschenden Umgang zwischen dem äußeren Rand und einem inneren Platz aus, der die Verknüpfung vieler Anforderungen an den Hagenmarkt ermögliche, hieß es in der Pressemitteilung der Stadt.

Der Siegerentwurf: So könnte der Hagenmarkt künftig aussehen. Foto: capattistaubach

Siegerentwurf in der Mangel

Jetzt schlägt allerdings die Stunde der Politik und nimmt den Siegerentwurf wieder in die Mangel. Die Politik hatte bereits im vergangenen Jahr den von der Verwaltung beauftragten und vorgeschlagenen Entwurf des hiesigen Büros Ackers Partner Städtebau insbesondere wegen des Anspruchs, eine „grüne Oase für das Stadtklima“ schaffen zu wollen, abgelehnt. Eine Verfremdung des aktuellen Entwurfs ist also auch jetzt programmiert. In der angenommenen Beschlussvorlage des Ausschusses für Planung und Hochbau ist bereits von einer Erhöhung des Anteils unversiegelter Flächen und Steigerung des organisch klimawirksamen Anteils die Rede.

Keine „innerstädtischen“ Wäldchen

Mit dem Burgplatz, dem Altstadtmarkt, dem Magnikirchplatz und dem Kohlmarkt sind die bedeutendsten Plätze in ihrer Struktur erhalten geblieben und nicht in „innerstädtische Wäldchen“ verwandelt worden. Sie taugen für die Funktion eines Platzes für Weihnachtsmarkt, Wochenmärkte, Veranstaltungen und Außengastronomie. Sie sind eben nicht angelegt wie Pocket Parks, aber genau dieses Schicksal droht dem ohnehin durch Verkehr arg gebeutelten Hagenmarkt erneut. Pocket Parks sind in Braunschweig in der Kannengießerstraße und im Bäckerklint geplant. Das ist gut. Rücksicht muss beim Bäckerklint allerdings auf die zukünftige Wahrnehmung des Eulenspiegelbrunnens genommen werden. Weitere Initiativen für mehr Stadtgrün sind selbstverständlich zu begrüßen, weil sie auch ein Gebot der Stunde angesichts des Klimawandels sind. So sind zum Beispiel große Kübelbepflanzungen in der Innenstadt, wie es sie zum Beispiel in Hannover seit Jahren vormacht, oder auch weitere Standorte für Pocket Parks denkbar.

Der Paradeblick auf den Altstadtmarkt mit Martinikirche, Marienbrunnen und Altstadtrathaus. Foto: Arnhold

So könnte der Hagenmarkt als „echter“ urbaner Platz erhalten werden. Burgplatz, Altstadtmarkt und Magnikirchplatz sind von überragender für Braunschweig. Sie wurden bereits nach 1945 hergerichtet zu oft beschriebenen und hochgelobten Traditionsinseln für Braunschweigische Identität. Sie sind bis heute die Vorzeige-Plätze der alte Residenzstadt und heute wahre Touristenmagnete. Der Magnikirchplatz (1995), der Wollmarkt mit der Rekonstruktion der Alten Waage (1995) und der Platz der Deutschen Einheit in Einheit mit Domplatz sowie Ruhfäutchenplatz (1999) sind als gelungene Neugestaltungen zu werten, mit Abstrichen auch der Friedrich-Wilhelm-Platz (2015).

Reparatur ausgeschlossen

Auf der anderen Seite der Skala befinden sich vor allem John F. Kennedy-Platz (ehemals Augustplatz) und der Radeklint. Sie sind zu reinen Verkehrsdrehscheiben verkommen. Nichts von ihrer ursprünglichen Pracht ist erhalten und eine Reparatur ist ausgeschlossen. Wenig besser ist die Situation am geteilten Lessingplatz. Der Versuch (2017), den Aegidienmarkt wieder als Platzsituation wahrnehmbar zu machen, ist nicht vollends gelungen, stellt aber sehr wohl eine deutliche Verbesserung gegenüber früher da.

Eine Sonderstellung nimmt der neu entstandene Schlossplatz (2007) mit den nicht im Buch besprochenen St- Nikolai-Platz und Herzogin-Anna-Amalia-Platz ein. Dort, wo das 1960 abgerissene Schloss stand, war der Schlosspark angelegt worden. Mit der Rekonstruktion des Residenzschlosses und dem Bau der Schloss-Arkaden entstand neuer Freiraum, der sich als großzügiges, urbanes Zentrum präsentiert und Braunschweigs Stadtbild auf der Westseite sehr aufgewertet hat. Der Osten hingegen ist nicht gelungen und könnte beispielsweise mit mehr Stadtgrün ausgestattet werden, um den Hagenmarkt letztlich als solches gestalten zu können, was er ist: ein Platz!

Fakten:

Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Herausgeber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestaltung: Elmar Arnhold
Herstellung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978-3-9823115-0-0
Preis: 12.90 Euro

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