Das Team steht im Mittel­punkt, nicht das Ich

Grundschülerinnen und Grundschüler konnten erstmals am Mehrkampf-Cup teilnehmen. Foto: Die Braunschweigische Stiftung

Der Mehrkampf-Cup im Braun­schweiger Land will Kinder und Jugend­liche zum Sport­treiben ohne indivi­du­ellen Leistungs­ge­danken animieren.

Der Schul- und Vereins­sport war während der Corona-Pandemie durch Lockdowns, Sport­ver­boten und Schließen von Sport­stätten erheblich einge­schränkt. Besonders gelitten haben darunter Kinder und Jugend­liche, denen in dieser Zeit wertvolle Entwick­lungs­mög­lich­keiten vorent­halten wurden. Immerhin ein gutes Zeichen für die Rückkehr zur Norma­lität war der Mehrkampf-Cup (MKC) im Braun­schweiger Land, der nach zwei Jahren wieder in vollem Umfang ausge­tragen werden konnte. Erstmals wurde der Wettbe­werb 2022 auch für Grund­schulen angeboten. Organi­siert wurde der Wettbe­werb tradi­tio­nell vom Nieder­säch­si­schen Leicht­ath­letik-Verband (NLV) und den NLV-Bezirk. Die Ausschrei­bung für dieses Jahr folgt in Kürze.

Wettbe­werb gegen den Bewegungs­mangel

Seit der ersten Austra­gung im Jahr 2000 haben sich mehr als 150.000 Kinder und Jugend­liche aus Schulen und Vereinen beteiligt. Anlass der ersten Austra­gung waren die 100. Deutschen Leicht­ath­letik-Meister­schaften im Braun­schweiger Eintracht-Stadion, die als Quali­fi­ka­ti­ons­wett­kampf für die Olympi­schen Spiele in Sydney zählten. Die Braun­schwei­gi­sche Stiftung fördert das Projekt von Anfang an. Ziel ist es, der Bewegungs­armut junger Menschen vorzu­beugen und zum Sport­treiben im Verein zu animieren. An dem Mannschafts­wett­be­werb können Teams allen Vereinen und Schulen der Region Braun­schweig teilnehmen.

Prof. Dr. Ingo Froböse, Sport- und Präven­ti­ons­experte von der Deutschen Sport­hoch­schule Köln, macht sich erheb­liche Sorgen über die langfris­tigen Auswir­kungen der Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und Sport­ein­schrän­kungen auf Kinder und Jugend­liche. Er befürchtet körper­liche, geistige und soziale Defizite in ihrer Entwick­lung. Vor allem für Kinder und Jugend­liche mit Leistungs­ein­schrän­kungen wie Adipo­sitas, chroni­scher Erkran­kung oder Behin­de­rung ist Bewegung elementar wichtig. Wenn der Sport für diese Gruppen keine Rolle spielt, werden ihre Probleme immer größer.

Zwei Stunden Schul­sport sind zu wenig

Klar ist, dass zwei Stunden Schul­sport in der Woche nicht ausrei­chend sind. Schon vor Corona war die Situation drama­tisch. Die Studie zur Gesund­heit von Kindern und Jugend­li­chen in Deutsch­land des Robert Koch-Instituts brachte erschre­ckende Zahlen zutage: 80 Prozent der Kinder bewegen sich zu wenig. 43 Prozent der Kinder und Jugend­li­chen erreichen bei Rumpf­beugen nicht las Fußsoh­len­ni­veau. 15 Prozent sind überge­wichtig und fast sechs Prozent adipös.

Für Prof. Froböse Neben ist auch das Einbre­chen sozialer Kontakte ein immer größer werdendes Problem, das Corona weiter verstärkt hat. Was sich früher im Sport­verein zwischen Kindern und Jugend­li­chen abgespielt hat, hat sich in die anonyme digitale Welt verlagert. „Wenn man Spielen, Sieg und Nieder­lage, Respekt und Fairness oder Verant­wor­tung in jungen Jahren nicht lernt, ist das fatal. Denn es sind Dinge, die die Persön­lich­keit prägen und Emotionen beein­flussen. Wenn wir diese Werte im Kindes­alter nicht vermit­teln, entwi­ckeln wir eine Genera­tion von Indivi­dua­listen. Deswegen ist es neben dem Gesund­heits­aspekt so wichtig, Kinder für das Sport­treiben zu begeis­tern“, erläutert Froböse.

Neues Angebot für Grund­schulen

Perfekt passt da der Mehrkampf-Cup im Braun­schweiger Land in dieses Konzept. Neu war im vergan­genen Jahr die Teilnah­me­mög­lich­keit für die Alters­klassen U8 und U10. Die Grund­schulen wurden dafür zu einer Fortbil­dung einge­laden, zu der Vertre­te­rinnen und Vertreter von 15 Schulen gekommen waren. Sie erlebten, welche Auswir­kungen das Mannschafts­er­lebnis hat, wie verhält­nis­mäßig gering der Aufwand für die Teilnahme ist und vor allem wie viel Spaß die Kinder haben. In diesem Jahr rechnen die Organi­sa­toren, auch wegen des größeren zeitli­chen Abstands zur Corona-Pandemie mit einer erheblich höheren Anzahl teilneh­mender Schulen. Die Erwei­te­rung des Wettbe­werbs für Grund­schulen steht nicht in Konkur­renz zu den Bundes­ju­gend­spielen. Denn im Gegensatz dazu geht es beim MKC nicht um die indivi­du­elle Leistung, sondern um das Teamer­gebnis.

Ergeb­nisse nur für die Teamwer­tung

Dem Mehrkampf-Cup gelingt es, die Vorzüge der Leicht­ath­letik als Indivi­du­al­sportart mit denen des Teamsports zu vereinen und so viele Kinder und Jugend­liche zu bewegen. Auf dem Programm für die Kinder der Grund­schul­klassen stehen 30 bezie­hungs­weise 40m-Sprint, Ballwurf, Ziel- und Zonen­weit­sprung sowie eine Hinder­nis­sprint­staffel.  Die Mannschaften dürfen sechs bis elf Mitglieder haben. Dass Geschlecht spielt keine Rolle, und in die Wertung kommen die jeweils sechs besten Resultate.

Bei Schul­sport­ver­an­stal­tungen und Leicht­ath­le­tik­sport­festen werden die Leistungen im Alters­be­reich von U12 bis U20 in Sprint, Weitsprung und Ballwurf oder Kugel­stoßen berechnet und zu einer Mannschafts­wer­tung zusam­men­ge­fasst. Zu einer Mannschaft gehören fünf Teilnehmer, bei Vereins­teams sind von U16 aufwärts lediglich drei Teammit­glieder erfor­der­lich.

Die Ehrung der Sieger­teams 2022 findet im Rahmen der Deutschen Meister­schaften U23 im Göttinger Jahnsta­dion am 02. Juli 2023 statt. Die Ergeb­nisse des Vereins- und Schul­wett­be­werbs 2022 sind auf der Homepage des Mehrkampf-Cups Braun­schweiger Land abrufbar.

Kontakt:
Nieder­säch­si­scher Leicht­ath­letik-Verband e.V.
Till Wöllen­weber – Referent für Breiten­sport und Sport­ent­wick­lung
Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg 10
30169 Hannover

Telefon: 0511 3389044
E‑Mail: woellenweber@nlv-la.de

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