Einheit­liche Gesamt­wir­kung trotz 250-jähriger Bauge­schichte

Martinikirche aus der Luft. Foto: Hajo Dietz

Die heraus­ra­genden Kirchen im Braun­schweiger Land, Teil 7: Die Marti­ni­kirche zeugt vom Stolz der Patrizier.

Die Marti­ni­kirche und der Altstadt­markt sind vom bürger­li­chen Stolz geprägt. Sie zeugen von Wohlstand und Selbst­be­wusst­sein der Patrizier. Ende des 12. Jahrhun­derts war der größte Teil der heutigen Braun­schweiger Innen­stadt besiedelt. Die Bewohner der Weich­bilder begannen, eigene Pfarr­kir­chen zu errichten, um damit ihre Selbst­stän­dig­keit innerhalb der Gesamt­stadt unter­strei­chen. Der erste Bauab­schnitt der Marti­ni­kirche erfolgte von etwa 1190 bis etwa 1230. Aus dieser Zeit blieben unter anderem der gesamte Westbau mit Teilen der Glocken­stube sowie die beiden westli­chen beim Umbau versetzten Seiten­schiff­por­tale im Äußeren erhalten. Das innere Erschei­nungs­bild zählt zum Schönsten, was Braun­schweigs Kirchen zu bieten haben.

Planschema des Doms

Die Annen­ka­pelle. Foto: Elmar Arnhold

„Die heutige Gestalt des Bauwerks ist trotz seiner einheit­li­chen Gesamt­wir­kung das Ergebnis einer 250-jährigen Bauge­schichte“, schreibt Bauhis­to­riker Elmar Arnhold in seinem Standard­werk „Mittel­al­ter­liche Metropole Braun­schweig“. Das Buch wurde unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der Richard Borek Stiftung gefördert. Es bildet für die Stadt­kir­chen die Grundlage unserer Serie. Die Marti­ni­kirche wurde zunächst nach dem Planschema des Doms als dreischif­fige Pfeiler­ba­si­lika errichtet. Zwischen 1250 und 1400 folgte der Umbau zur gotischen Hallen­kirche. Um 1400 wurden Chor und der Annen­ka­pelle angebaut.
„St. Martini war die Haupt­pfarr­kirche im Weichbild Altstadt, des größten und vermö­gendsten mittel­al­ter­li­chen Weich­bildes in Braun­schweig. Die frühe Bedeutung und Wirtschafts­kraft der Altstadt wird anhand der Fertig­stel­lung des wuchtigen Turmwerks noch in der ersten Baupe­riode des Gottes­hauses deutlich. Das städte­bau­liche Ensemble mit Marti­ni­kirche, Altstadt­rat­haus und Markt­brunnen gehört noch heute zu den schönsten Städte­bil­dern des späten Mittel­al­ters“, meint Bauhis­to­riker Elmar Arnhold.

Erste Erwähnung 1204

Die erste Erwähnung fand St. Martini im Jahr 1204, als Otto IV. die Pfarr­rechte für St. Martini an die Bürger­schaft der Altstadt verlieh. St. Martini ist seit 1528 evange­lisch-luthe­ri­sche Pfarr­kirche.
Während des Luftan­griffs in der Nacht zum 15. Oktober 1944 erlitt die bis dahin unbeschä­digte Marti­ni­kirche sehr große Schäden. Das Kirchen­dach, die Helme und Holzein­bauten, der Türme, die Glocken­stube und vier noch nicht ausge­la­gerte Glocken wurden ein Opfer der Flammen. Sämtliche Fenster wurden durch Spreng­bomben vernichtet.
1947/48 erhielten im Zuge der Siche­rungs­ar­beiten die Türme ein Notdach und das Kirchen­schiff eine flach geneigte Abdeckung aus Wellblech. Anfang 1950 wurden sämtliche Gewölbe, Flächen und weite Teile der Wände neu verputzt. Die Ausmalung des 19. Jahrhun­derts von Adolph Quensen wurde bis auf den Natur­stein gründlich beseitigt. Privat­leute und Firmen stifteten neue Glasfenster, sodass die Wieder­ein­wei­hung der Kirche im November 1956 erfolgen konnte.

Neue Spitze 1980

Nach Stabi­li­sie­rung der Türme wurden 1967 drei alte Glocken und eine neue eingebaut. Bis 1978 wurde das Geläut auf wieder neun Glocken vervoll­stän­digt. Im Rahmen der Außen­re­stau­rieren erhielten auch die Türme ihre ursprüng­li­chen Spitzen zurück. Sie wurden am 15. Oktober 1980 aufge­setzt. Die neue, prächtige Ausmalung des Innen­raums in Anlehnung an die mittel­al­ter­li­chen Farbbe­funde wurde 1991 abgeschlossen.
Heraus­ra­gende Bedeutung im Innenraum haben die frühba­rocke Orgel, der Hochaltar (1722–1725), das Taufbe­cken (15. Jahrhun­dert) und die Kanzel (17. Jahrhun­dert).

Kontakt:
Pfarr­ver­band Braun­schweig-West
Ev.-luth. Kirchen­ge­meinde „Martini zu Dritt“
Eiermarkt 3
38100 Braun­schweig
Tel: 0531–82834
E‑Mail: martini.bs.buero@lk-bs.de

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