Leser werden zu Braun­schweig-Fans

Bauhistoriker Elmar Arnhold mit seinem neuen Buch „Mittelalterliche Metropole Braunschweig“. Foto: Der Löwe
Bauhistoriker Elmar Arnhold mit seinem neuen Buch „Mittelalterliche Metropole Braunschweig“. Foto: Der Löwe

Bauhis­to­riker Elmar Arnhold hat mit seinem Buch „Mittel­al­ter­liche Metropole Braun­schweig“ ein populär­wis­sen­schaft­li­ches Standard­werk zu Archi­tektur und Stadt­bau­kunst vom 11. bis zum 15. Jahrhun­dert verfasst.

Braun­schweig zählt zu den besterforschten Städten auch über den deutschen Sprach­raum hinaus, sagt Elmar Arnhold, Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger für die Innen­stadt. Es existieren Publi­ka­tionen zu diesem und jenen Teilaspekt in Hülle und Fülle, aber bislang gab es eben noch keine kompakte, zusam­men­fas­sende Beschrei­bung und Illus­tra­tion der mittel­al­ter­li­chen Archi­tektur- und Stadt­bau­ge­schichte. Dieser Aufgabe hat sich Autor Arnhold in den vergan­genen zwei Jahren gewidmet. Er hat alles Relevante zusam­men­ge­tragen und die Lücke geschlossen. Heraus­ge­kommen ist ein hochin­ter­es­santes, populär­wis­sen­schaft­li­ches Standard­werk, das nicht nur ausge­wie­sene Braun­schweig-Fans begeis­tern, sondern auch unvor­ein­ge­nom­mene Leser zu welchen machen wird. Das Buch ist unter dem Titel „Mittel­al­ter­liche Metropole Braun­schweig“ im Appelhans-Verlag erschienen und im Buchhandel erhält­lich. Es trägt den Unter­titel „Archi­tektur und Stadt­bau­kunst vom 11. bis 15. Jahrhun­dert“.

Weil der Titel des Buches mit der Bezeich­nung ‘Metropole‘ im Zusam­men­hang mit Braun­schweig auf den ersten Blick etwas anmaßend wirken könnte, klärt Arnhold mögliche Missver­ständ­nisse bei Außen­ste­henden gleich im Vorwort auf: „Im Mittel­alter und in der Frühen Neuzeit wurde das Land zwischen Harz und Lüneburger Heide sowie zwischen Weser und Börde von dieser Stadt nicht nur dominiert, sie gab dem ganzen Land ihren Namen. Braun­schweig war gleich­zeitig Haupt­stadt des gleich­na­migen Herzog­tums und führende Handels- und Gewer­be­stadt.“ Braun­schweigs Bedeutung in jener Zeit könne gar nicht hoch genug einge­schätzt werden, meint der Autor im Gespräch mit „Der Löwe“.

In den letzten Jahrzehnten seien die Erkennt­nisse zur mittel­al­ter­li­chen Stadt durch archäo­lo­gi­sche Grabungen erheblich erweitert worden, sagt Arnhold. Diese seien in die neue Gesamt­schau einge­flossen. Das Buch solle nicht zuletzt eine Hommage an die Leistungen der Menschen sein, die vor vielen Jahrhun­derten mit den Mitteln ihrer Zeit einzig­ar­tige Baukunst­werke schufen. „Sie bestimmen bis heute die Identität Braun­schweigs“, meint Arnhold. Der Band wurde von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, der Richard Botrek Stiftung, der Stiftung Prüsse und dem Kultur­in­stitut der Stadt Braun­schweig ermög­licht.

Braun­schweig war im nieder­deut­schen Binnen­land neben Magdeburg im 15. Jahrhun­dert die einzige mittel­al­ter­li­chen „Großstadt“ mit rund 20.000 Einwoh­nern: Beide Orte waren damals Metro­polen, schreibt Arnhold. Seit der Zeit des Welfen­her­zogs Heinrich habe Braun­schweig nicht zuletzt aufgrund des weit bekannten Löwen-Denkmals als Symbol der Stadt ein Selbst­be­wusst­sein entwi­ckelt, dass Tradition und Bedeutung des Ortes heraus­zu­stellen verstand, so Arnold.

Mit der Wieder­ent­de­ckung mittel­al­ter­li­cher Geschichte und Kunst während des 19. Jahrhun­derts habe auch Braun­schweig das Interesse histo­risch inter­es­sierter Reisender und früher denkmal­pfle­ge­ri­scher Bemühungen erweckt, berichtet Arnhold. Mit dem 1852 publi­zierten Werk „Die mittel­al­ter­liche Archi­tectur Braun­schweigs und seiner nächsten Umgebung“ von Carl Schiller erschien die erste Publi­ka­tion zur Braun­schweiger Baukunst. Nach dem Aufkommen der Fotografie wurde das Stadtbild vieltau­send­fach in Licht­bil­dern festge­halten – eine unschätz­bare Quelle für die heutige Forschung, verdeut­licht Arnhold. Seit Ende des 19. Jahrhun­derts seien die Fotografien auch in Bildbänden veröf­fent­licht worden. Am weitesten verbreitet waren die von 1929 an in mehreren Auflagen erschie­nenen Braun­schweig-Bände von Paul Jonas Meier aus der berühmten Reihe „Deutsche Lande – Deutsche Kunst“.

Noch heute überrascht Braun­schweig die Fachleute mit seinem bauhis­to­ri­schen Potenzial. Die Koldewey-Gesell­schaft, deren Vorsit­zender der TU-Professor Alexander von Kienlin ist,  hielt gerade ihre 50. Tagung für Ausgra­bungs­wis­sen­schaft und Baufor­schung in Braun­schweig. Elmar Arnhold führte dabei viele der 180 Teilnehmer durch die Stadt und hörte immer wieder ein erstauntes „Das habe ich ja gar nicht gewusst“. Auch der Lessing-Preis­träger und Münchner Dokumen­tar­filmer Dieter Wieland, der sich intensiv mit Städtebau ausein­an­der­setzt, sagte im Gespräch mit Walter Ackers während seines Besuchs auf dem idylli­schen Magni­kirch­platz sitzend: „In diese Stadt könnte ich mich verlieben.“

In den zahlrei­chen Sakral­bauten, so schreibt Arnhold in seinem Buch, spiegele sich die Bedeutung Braun­schweigs im Mittel­alter wider. „Die Kirchen lassen einen Wettbe­werb der verschie­denen Weich­bilde erkennen, der sich besonders im Turmbau äußerte“, so Arnhold. Mit Dom, St. Magni, St. Aegidien, St. Ulrici, St. Martini, St. Jakob, St. Michaelis, St. Bartho­lo­mäus, St. Petri, St. Andreas, St. Katha­rinen und St. Nikolai besaß Braun­schweig schon im 13. Jahrhun­dert eine erstaun­lich hohe Zahl an Stadt­kir­chen. Vollständig zerstört wurde davon im zweiten Weltkrieg lediglich die Nikolai­kirche. Die fünf als Weich­bilde bezeich­neten Teilstädte (Altstadt, Sack, Neustadt, Hagen und Altewiek) hatten nicht nur jeweils eigene Kirchen, sondern auch Rathäuser, von denen heute noch Altstadt- und Neustadt­rat­haus erhalten sind.

Braun­schweig habe damals wie eine Spinne im Netz der Fernhan­dels­wege gelegen. Es  kreuzten sich in der Stadt die bedeu­tenden Handels­wege wie die von den Küsten­städten Bremen, Hamburg und Lübeck nach Sachsen und Thüringen. Ausdruck von Bedeutung und Wohlstand der Stadt in jener Zeit seien die Bauwerke. Trotz der Kriegs­zer­stö­rungen sei Braun­schweig noch immer eine Schatz­truhe mittel­al­ter­li­cher Archi­tektur und Kunst, weiß Elmar Arnhold und lässt beim Leser keinerlei Zweifel daran aufkommen. Arnhold, der 1985 zum Studium nach Braun­schweig kam, ließ sich früh in den Bann der Stadt ziehen. Entschei­dende Impulse gab ihm die seiner­zei­tige Landes­aus­stel­lung „Stadt im Wandel“.

Arnhold spricht von einem großar­tigen Kultur­erbe und beschreibt es sachkundig und für jedermann verständ­lich. „Ich wollte kein Buch für Wissen­schaftler schreiben, sondern eines für eine breite  Leser­schaft, für inter­es­sierte Laien“, sagt Arnhold. Das ist ihm auf den 256 Seiten mit 370 Illus­tra­tionen, darunter viele Karten, animierte Darstel­lungen, histo­ri­sche Abbil­dungen und Luftauf­nahmen, gelungen. Hilfreich ist ein umfang­rei­ches Glossar, in dem nötige Fachbe­griffe erklärt werden.

Vor den Bomben­an­griffen ist Braun­schweig mit rund 2000 Fachwerk­bauten eine der besterhal­tenen mittel­al­ter­li­chen Großstädte Deutsch­lands gewesen, davon zeugen viele Fotos aus der damaligen Zeit. „Infolge des von Nazi-Deutsch­lands entfes­selten Zweiten Weltkrieges kam es zu einer fast vollkom­menen Zerstö­rung des bis 1944 in großen Teilen erhal­tenen mittel­al­ter­li­chen Stadt­kerns. Der Verlust dieses Flächen­denk­mals steht in einer Reihe mit der Vernich­tung der Altstädte von Nürnberg, Frankfurt und im benach­barten Hildes­heim. Diese sind jedoch nicht so intensiv im Bewusst­sein verankert wie die Zerstö­rung Dresdens“, schreibt Arnhold.

Während die Kirchen und die wichtigsten Profan­ge­bäude wie das Altstadt­rat­haus nach 1945 wieder­her­ge­stellt worden seien, habe der alte Stadtkern jedoch eine völlig neue Gestalt erhalten. Ensembles mittel­al­ter­li­cher und frühneu­zeit­li­cher Wohnbauten seien deswegen nur noch im Umfeld der „Tradi­ti­ons­in­seln“ Aegidien, Altstadt­markt, Burgplatz, Magni­viertel und Michaelis erfahrbar. Manche Denkmäler haben die nach den Prämissen moderner Verkehrs­pla­nung erfolgte Neuge­stal­tung nur zufällig überlebt, ein Beispiel dafür sei die Kemenate Hagen­brücke.

Fakten

Mittel­al­ter­liche Metropole Braun­schweig ‑Archi­tektur und Stadt­bau­kunst vom 11. bis 15. Jahrhun­dert

Elmar Arnhold

Appelhans Verlag, Braun­schweig

256 Seiten, 370 z.T. farbige Abbil­dungen

29,90 Euro

ISBN: 978–3‑944939–36‑0

Fotos

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