Zu Besuch im Schloss Fürsten­berg

Das Renaissanceschloss Fürstenberg beherbergt heute das Porzellanmuseum, früher auch Produktionsteile. Von der Terrasse hat man besten Blick über die Weserschleifen. Foto: FMN/Andreas Berger

Per Bahn und Rad in Braun­schweigs alten Weser­di­strikt nach Fürsten­berg und ins UNESCO-Welterbe Corvey.

Anfassen erlaubt! Was in Museen sonst strikt verboten ist, darf man im Porzel­lan­mu­seum Schloss Fürsten­berg gerade tun: die feinen Teller und Tassen anfassen, nach eigener Wahl zusam­men­stellen und den Tisch damit decken. Tatsäch­lich ist Porzellan bei aller Zerbrech­lich­keit nichts bloß zum Angucken, es will gestrei­chelt sein. Und man wird sofort spüren, dass das gute Fürsten­berger sich besonders weich und glatt in die Hand schmiegt, kein Scherz!

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024

Dass es dieses Porzellan gibt, verdankt sich der klugen Wirtschafts­för­de­rung des Braun­schweiger Herzogs Carl I., der im 18. Jahrhun­dert Arbeits­plätze in den ländli­chen Weser­di­strikt seines Fürsten­tums bringen wollte. Und dem als aufge­klärtem Barock­fürsten an Kultur und Bildung und entspre­chender Selbst­dar­stel­lung lag. Braun­schweig sollte sein eigenes Porzellan bekommen wie die reichen Vettern in Sachsen.

Indus­trie­spio­nage im Barock­zeit­alter

Das Geheimnis seiner Herstel­lung, das sogenannte Arkanum, war freilich noch immer ein Politikum. Und so ist die Geschichte der braun­schwei­gi­schen Porzel­lan­her­stel­lung auch eine von Betrug, Abwerbung und früher Indus­trie­spio­nage.

Und dass dies alles in knappen Worten so überaus anschau­lich aufbe­reitet im aktuellen Porzel­lan­mu­seum zu Fürsten­berg mitzu­lesen ist und im Wortsinn fasslich wird, ist wesent­lich der Braun­schwei­gi­schen Stiftung zu danken, die mit ihrer hundert­pro­zen­tigen Tochter, der Kulturgut Fürsten­berg GmbH, das Schloss und Museum seit 2017 restau­rierte und betreibt. In diesen Tagen feiert sie ihr 30-jähriges Bestehen.

Die Kaffee­ge­sell­schaft entsteht aus vielen Einzel­teilen – und zeigt en miniature aus Porzellan, wie man Kaffee aus Porzellan trinkt. Foto: FMN/ Andreas Berger

Die Neukon­zep­tion des Museums setzt auf Klarheit, erklärt Geschichte, Formge­bung, Bemalung, Stilepo­chen und Trends an ausge­suchten Beispielen, da fühlt man sich nicht überfor­dert, während in der Schau­samm­lung, einem Raum als einzige begehbare Vitrine, dann alles zusam­men­ge­stopft wurde, was man Schönes aus Porzellan machen kann. Vom hübschen Väschen bis zur aufwen­digen Commedia-dell’arte-Figur.

Im Brennofen verun­glückte Objekte

So startet man bei der Herstel­lung, wo es – wie beim Bier – nur um drei Bestand­teile geht: beim Porzellan sind es Quarz, Feldspat und Kaolin, die man hier auch in die Hand nehmen kann. In welchem Mischungs­ver­hältnis man das wie lange brennen muss, ist das Geheimnis. Der umgebende Solling war der Energie­lie­fe­rant.

Um ca. 15 Prozent schrumpft das Objekt beim Brennen. Je dünner und licht­durch­läs­siger die Stücke sind, umso feiner. An der letzten Station, der Schau­werk­statt unterm Dach, sieht man auch mal ein paar im Ofen verun­glückte Objekte: einen verzo­genen Teller oder ein in sich zusam­men­ge­bro­chenes Pferd.

Das Nieder­sach­sen­ross ist übrigens bis heute als Gastge­schenk der Landes­re­gie­rung beliebt – die weiterhin bestehende Fürsten­berger Porzel­lan­ma­nu­faktur in der Nachbar­schaft gehört dem Land Nieder­sachsen. Stunden­weise führen Mitar­bei­tende im Schloss das Model­lieren und Bemalen vor. In den Ausstel­lungs­räumen gibt es natürlich auch histo­ri­sche Schau­stücke unter Glas: das vergol­dete Service der Goethe­zeit ebenso wie die unfassbar bunten Schoko­la­den­kannen für den ameri­ka­ni­schen Markt und das flotte schlanke Kaffee­känn­chen aus den 50ern.

Porzellan zum Anfassen in Fürsten­berg: Diese Kaffee­tafel wurde bunt gedeckt, jeder kann es selbst versuchen. Foto: FMN/ Andreas Berger

Selber den Tisch decken mit feinem Porzellan

Dann wieder Stilkunde zum Anfassen als Spiel: Wer die richtige Tasse zum richtigen Teller stellt und nicht Rokoko mit Jugend­stil mischt, bekommt Signal. An anderer Stelle dürfen die Besuchenden der festli­chen Barock­tafel in der Vitrine eine selbst aus dem Regal zusam­men­ge­stellte entge­gen­setzen, da gibt es fantas­ti­sche Ergeb­nisse wie beim Kinder­ge­burtstag. Und sehr schön die kleine Video­schau, bei der die proji­zierten Dekore auf den echten Vasen tanzen.

Das Fürsten­berger Porzel­lan­schloss ist ein Museum, das Spaß macht. Aber es liegt damals wie heute etwas entfernt vom Braun­schweiger Mutter­land. Deswegen bietet es sich an, aus dem Besuch einen richtigen Tages­aus­flug zu machen – mit Bahn und Rad. Zwar muss man von Braun­schweig bis Holzminden mit der Regio­nal­bahn zweimal umsteigen, aber nach zwei Stunden kann man sich dann auf das mitge­führte Fahrrad schwingen und die Weser­schleifen entlang­fahren gen Höxter.

UNESCO-Erbe Corvey und Hoffmanns von Fallers­leben Grab

Schon bald grüßt dann das Westwerk der Stifts­kirche Corvey herüber, die wegen ihres original karolin­gi­schen Bestands zum UNESCO-Weltkul­tur­erbe gehört. Gegen Eintritt ist es zu besich­tigen, der sich für das statt­liche Schloss, Biblio­thek und Garten auf eine ebenso statt­li­chen Summe von 19 Euro erhöht. Auf dem Friedhof ist das Grab eines anderen Bekannten der Region – aus Fallers­leben zu besich­tigen: August Heinrich Hoffmann, der Dichter des Deutsch­land­liedes, war seit 1860 als Biblio­thekar in Corvey tätig und starb hier 1874 an einem Schlag­an­fall.

In Höxter geht es dann auf die andere Weser­seite und über Boffzen, dessen Pfarrhaus in Wilhelm Raabes „Hasten­beck“ ebenso eine Rolle spielt wie die Porzel­lan­ma­nu­faktur, rauf nach Fürsten­berg. Und nachher auf selber Weser­seite wieder zurück nach Holzminden zu Imbiss und Bahn.

Porzel­lan­mu­seum Fürsten­berg, geöffnet Di.-So. und feiertags 10–17 Uhr, Eintritt 8,50 Euro, Ermäßigte 5,50 Euro. Werks­ver­kauf nebenan 10–18 Uhr.

Die neuen Sonder­aus­stel­lungen in Fürsten­berg

„Hausgäste“: Während der Sanierung des Kestner-Museums in Hannover sind Teile aus dessen Beständen an Fürsten­berger Porzellan vom 21. September 2024 bis 2. März 2025 in Fürsten­berg zu sehen.

„Scherben zum Glück“: Das Hochzeits­ser­vice zur Vermäh­lung von Victoria Luise und Ernst August zu Hannover wurde erst 1921 fertig, als das Fürsten­paar längst abgedankt hatte. Stücke des 700-teiligen Service aus Nymphen­burger Porzellan werden vom 21. September 2024 bis 27. April 2025 in Fürsten­berg gezeigt.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article407233746/braunschweiger-porzellan-zu-besuch-im-schloss-fuerstenberg.html

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