Ein Ort der Zuflucht seit 125 Jahren

Hier begann die Braunschweiger Bahnhofsmission: Alter Bahnhof, um 1910. Foto: Stadtarchiv
Hier begann die Braunschweiger Bahnhofsmission: Alter Bahnhof, um 1910. Foto: Stadtarchiv

Braun­schweiger Bahnhofs­mis­sion: Ursprüng­lich ging es um den Schutz junger Frauen, heute vor allem um Hilfe für Obdach­lose und Sucht­kranke.

Im Jahr 1894 wurde die erste Bahnhofs­mis­sion Deutsch­lands am heutigen Berliner Ostbahnhof gegründet. Ein erster Hinweis auf eine vergleich­bare Einrich­tung in Braun­schweig ist auf 1897 datiert. Sie beschränkte sich in ihrer Tätigkeit jedoch darauf, „alle Quartal an den Anzugs­tagen auf allen Bahnstre­cken Flugblätter in die Züge zu werfen und auf den Stationen anbringen zu lassen“, um vor leicht­sin­nigem Zuzug in die Großstädte zu warnen. Von wann an es eine feste Station am Alten Bahnhof gab, ist offenbar nicht final nachzu­voll­ziehen. Es soll um die Jahrtau­send­wende gewesen sein, so dass dieser Tage das 125-jährige Bestehen der Braun­schweiger Bahnhofs­mis­sion gefeiert wird.

Mo Meyer-Hermann, Leiterin der Braunschweiger Bahnhofsmission. Foto: Bahnhofsmission
Mo Meyer-Hermann, Leiterin der Braun­schweiger Bahnhofs­mis­sion. Foto: Bahnhofs­mis­sion

Verän­derte Schwer­punkte

Seit der Gründung haben sich die Schwer­punkte der bundes­weit mehr als 100 Bahnhofs­mis­sionen mehrfach erheblich gewandelt, so auch in Braun­schweig. Heute ist die Bahnhof­mis­sion vor allem Anlauf­stelle für Wohnungs­lose, Sucht­kranke und häufig auch psychisch kranke oder schwer belastete Menschen. „Unsere Einrich­tung ist selbst­ver­ständ­lich offen für alle in Not geratene Menschen. Zu unseren Aufgaben gehört aber unver­än­dert auch die Betreuung Reisender, für die wir etwa Umstiegs­hilfe leisten“, berichtet Mo Meyer-Hermann, Leiterin und diplo­mierte Sozial­päd­agogin, über das Hier und Jetzt.

Anfangs im vorver­gan­genen Jahrhun­dert ging es vor allem darum, junge Mädchen und Frauen, die auf der Suche nach Arbeit in die Städte kamen, bei der Ankunft in Empfang zu nehmen. Sie erhielten Adressen von seriösen Unter­kunfts­mög­lich­keiten und Stellen­ver­mitt­lungen, um sie vor Ausbeu­tung und Prosti­tu­tion zu schützen. Während des Ersten Weltkrieges wurden dann gemeinsam mit dem Roten Kreuz in erster Linie verwun­dete Soldaten, die mit den Lazarett­zügen ankamen, versorgt.

Im Laufe der Weltwirt­schafts­krise mit großer Arbeits­lo­sig­keit und Armut in Deutsch­land zum Ende der 1920er Jahre wurden die Bahnhofs­mis­sionen zu wichtigen Versor­gungs­stellen für die notlei­dende Bevöl­ke­rung. Im Jahr 1939 wurden die Bahnhofs­mis­sionen dann vom NS-Staat verboten, aber unmit­telbar nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen sie schnell wieder ihren Dienst in den zumeist zerstörten Bahnhöfen wieder auf. Die Nöte der Vertrie­benen, Flücht­linge und Heimkehrer waren vielfältig.

Eingang zur Bahnhofsmission Willy-Brandt-Platz 1. Foto: Bahnhofsmission
Eingang zur Bahnhofs­mis­sion Willy-Brandt-Platz 1. Foto: Bahnhofs­mis­sion

Mehr Personal wünschens­wert

Bei völlig verän­derten Heraus­for­de­rungen hält Mo Meyer-Hermann gemeinsam mit zwei weiteren haupt­amt­li­chen Kräften, 15 Ehren­amt­li­chen und einer Kraft aus dem Bundes­frei­wil­li­gen­dienst die Bahnhofs­mis­sion Braun­schweig als soziale Einrich­tung von Caritas und Diakonie Braun­schweiger Land am Laufen. Geöffnet ist die Station von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr und jeden letzten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr. „Wir würden die Öffnungs­zeiten gerne erweitern und auch mehr Präsenz im Bahnhof zeigen. Vielleicht ist das bereits im nächsten Jahr möglich. Es gibt aber noch Bedarf für zwei oder drei Ehren­amt­liche“, sagt Mo Meyer-Hermann.

Anders als noch in den 2000er Jahren von der Bahn AG gewünscht, gibt es in der Braun­schweiger Bahnhofs­mis­sion längst wieder Getränke und Essen für Bedürf­tige. Deutsch­land­weit sollten seiner­zeit die Bahnhofs­mis­sionen Besuchern und Hilfs­be­dürf­tigen kein Essen mehr anbieten. Damit sollte verhin­dert werden, dass Bahnhöfe weiterhin Obdach­lose und Drogen­ab­hän­gige anziehen. Das jedoch war ein Trugschluss. An den Besuchern der Bahnhofs­mis­sionen ist und bleibt erkennbar, welche gesell­schaft­li­chen Gruppen besondere Hilfe benötigt.

Essen, duschen, Kleider­wechsel

Anders als vor Jahrzehnten leben die meisten Gäste der Bahnhofs­mis­sion vor Ort. Seit 1995 gibt es zwar keine Übernach­tungs­mög­lich­keit mehr und auch die Öffnung rund um die Uhr wurde einge­stellt. Dafür wird aber wochen­tags Frühstück geboten, nach Anmeldung auch die Möglich­keit zu duschen und sogar die Kleider zu wechseln. Täglich kommen bis zu 50 Personen, die Hilfe erbitten und erhalten, sich dafür aber an klare Regeln halten müssen. Alkohol- und Drogen­konsum sind in der Bahnhofs­mis­sion verboten. Wer dagegen verstößt, bekommt Hausverbot.

Nicht verschweigen will Leiterin Mo Meyer-Hermann dennoch die Heraus­for­de­rungen, mit Personen, die bereits alkoho­li­siert sind oder unter Drogen­ein­fluss stehen, umgehen zu müssen. Zu oft ist Hilfe der Polizei erfor­der­lich. Doch auch das ändert nichts an der hohen Motiva­tion, die alle die in der Braun­schweiger Bahnhofs­mis­sion arbeiten, an den Tag legen. Nicht zuletzt sie haben allen Grund, das Jubiläum zu feiern.

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