Braun­schwei­gerin entwirft ein offenes Haus für Obdach­lose

Die Einzelwohnungen für Obdachlose werden unter anderem mit Studierendenwohnungen, offenen Werkstatt- und Musikräumen, Gewächshäusern und freien Gemeinschaftsflächen gemischt. Foto: Malin Meyer/TU Braunschweig

Die TU-Archi­tektur-Absol­ventin Malin Meyer erhält den Laves­preis. Sie will Menschen in existen­zi­eller Not wieder echtes Wohnen anbieten.

Große Freude am Depart­ment Archi­tektur der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig: Der „Laves­preis“ geht in diesem Jahr an eine Braun­schweiger Archi­tektur-Absol­ventin. Malin Meyer erhielt für ihre Master­thesis „The Repro­duc­tive House – Was ist Gemein­wohl?“ den mit 2000 Euro dotierten ersten Preis, wie die Uni mitteilt. Die Auszeich­nung wird jedes Jahr von der Laves­stif­tung an Studie­rende der Archi­tektur, Innen­ar­chi­tektur und Landschafts­ar­chi­tektur an nieder­säch­si­schen Univer­si­täten und Hochschulen vergeben.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 05.12.2022 (Bezahl-Artikel)

Zur Verlei­hung der Preise hatte die Laves­stif­tung am Donnerstag ins Atelier­ge­bäude des Laveshaus in Hannover einge­laden. Die Entwürfe stellten dort der Präsident der Archi­tek­ten­kammer Nieder­sachsen und Vorsit­zende der Stiftung, Robert Marlow, und Jury-Leiterin Profes­sorin Tatjana Sabljo von der Hochschule Hannover vor. Insgesamt 83 Arbeiten von sechs Univer­si­täten und Hochschulen wurden dieses Mal einge­reicht, so viele wie noch nie zuvor. Neben dem ersten Preis ging auch eine Anerken­nung an die TU Braun­schweig.

Die Braun­schwei­gerin fragt: Wann wird eine Wohnung ein Zuhause?

Archi­tektur-Absol­ventin Malin Meyer freut sich über den Laves­preis. Foto: Heiko Jacobs/TU Braun­schweig

Archi­tektur-Absol­ventin Malin Meyer überzeugte die Jury laut der Presse­mit­tei­lung mit ihrem Entwurf, der die Frage­stel­lung „Was ist Gemein­wohl?“ aufgreift und ein offenes Haus für Obdach­lose mitten in Braun­schweig zwischen Oker-Ufer und Gaußberg vorsieht.

Ihre Master­thesis sei ein klares Statement für das „Housing first“-Konzept: Menschen in existen­zi­eller Not soll ohne Voraus­set­zungen – wie zum Beispiel erst einen Entzug zu machen – wieder ein echtes Wohnen angeboten werden. Die Entwurfs­ver­fas­serin fragt: „Wie viel ist notwendig, damit sich der Mensch als Indivi­duum in der Welt einrichten kann und sein Leben gelingt? Wann wird eine Wohnung ein Zuhause?“

Die Idee: Wohnungen für Obdach­lose und Studie­rende

Malin Meyer lasse bewusst verschie­dene Lebens­rea­li­täten niedrig­schwellig aufein­an­der­treffen, erläutert die TU. Dafür mische sie kleine voll ausge­stat­tete Einzel­woh­nungen für Obdach­lose unter anderem mit Studie­ren­den­woh­nungen, offenen Werkstatt- und Musik­räumen, Gewächs­häu­sern und freien Gemein­schafts­flä­chen.

„In einer offenen Holzske­lett­struktur werden die Funktionen durch­lässig und wandelbar modular angeordnet“, heißt es in der Presse­mit­tei­lung. Die Bewoh­ne­rinnen und Bewohner könnten für sich entscheiden, wie viel Gemein­schaft oder Rückzug gewünscht ist. Beratungs- und Hilfs­an­ge­bote werden demnach am Eingang zum Wohnpro­jekt angeordnet.

Professor: Soziale Verant­wor­tung von Archi­tektur

Professor Dan Schürch freut sich über den Erfolg: „Malin Meyer stellt sich in ihrer Master­thesis der sozialen Verant­wor­tung von Archi­tektur und setzt sich mit der Frage ausein­ander, wie ein Mensch wohl empfindet, der alles verloren hat. Obdach­lo­sig­keit ist gegen­wärtig, Ausgren­zungen leider normal, die vorhan­denen Struk­turen limitiert. Wie kann ein Wieder­ein­stieg in die Gesell­schaft statt­finden?“

Mit dem Entwurf gelinge es ihr, den Menschen mit seinen Bedürf­nissen in den Vorder­grund zu stellen und adäquate archi­tek­to­ni­sche, konstruk­tive aber auch sozial­ver­träg­liche Antworten zu finden, so Schürch.

Jury: Ressour­cen­ef­fi­zi­entes und einfaches Bauen

Der Entwurf sieht ein offenes Haus für Obdach­lose mitten in Braun­schweig zwischen Oker-Ufer und Gaußberg vor. Foto: Malin Meyer/TU Braun­schweig

Die Jury unter Leitung von Profes­sorin Tatjana Sabljo schreibt in ihrer Würdigung: „Malin Meyer zeigt mit diesem Entwurf einen ganzheit­lich konzi­pierten Beitrag mit hoher Sensi­bi­lität bezogen auf die Aufga­ben­stel­lung sowie die baulichen Frage­stel­lungen des ressour­cen­ef­fi­zi­enten und einfachen Bauens.“

Der Entwurf schaffe Atmosphären mit großem Respekt für die Nutzenden und die räumli­chen Ausfor­mu­lie­rungen, die einen Weg zu einem neuen Ort im Sinne der Heimat aufzeigen könnten. „Diese Quali­täten in der inhalt­li­chen, gestalt­ge­benden und konstruk­tiven Ausein­an­der­set­zung spiegeln sich bis hinein in die Zeich­nungen und Darstel­lungen. Die Jury ist der Meinung, dass dieses Projekt heraus­ra­gende Quali­täten besitzt und würdigt es mit dem ersten Preis.“

Anerken­nung für Konzept zur Umnutzung von Garagen­höfen

Eine Anerken­nung erhielten auch die Braun­schweiger Studie­renden Julian Leine­weber und Pascal Lumme für ihren Entwurf „KE park : HOME“. Sie erarbei­teten laut der TU ein nachhal­tiges und zeitge­mäßes Konzept zur Nachver­dich­tung durch Umnutzung von Garagen­höfen zu modularen Wohnungen mit Gemein­schafts­flä­chen.

Alle Arbeiten sind derzeit im Atelier­haus in Hannover ausge­stellt. Die Laves­stif­tung wird in Kürze eine Publi­ka­tion mit den Entwürfen veröf­fent­li­chen.

Der Laves­preis: Die Laves­stif­tung lobt jedes Jahr den mit 5000 Euro dotierten Laves­preis aus. Ausge­zeichnet werden Arbeiten mit hoher entwurf­li­cher Qualität und hervor­ra­genden Detail­lö­sungen, die auch dem Aspekt der Nachhal­tig­keit gerecht werden. Dies können Studi­en­ar­beiten der Bereiche Hochbau, Möbelbau, Innen­ausbau sowie Freian­la­gen­ge­stal­tung sein. Teilnah­me­be­rech­tigt sind alle Studie­renden der Archi­tektur, Innen­ar­chi­tektur und Landschafts­ar­chi­tektur an nieder­säch­si­schen Univer­si­täten und Hochschulen. Weitere Infor­ma­tionen: www.lavesstiftung.de/themen-projekte/lavespreis.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 05.12.2022 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article237071303/Braunschweigerin-entwirft-ein-offenes-Haus-fuer-Obdachlose.html (Bezahl-Artikel)

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