Richenza soll auf die Landkarte der starken Frauen

Darstellung von Richenza im Kaidserdom Königslutter. Foto: SBK/Andreas Greiner Napp
Darstellung von Richenza im Kaidserdom Königslutter. Foto: SBK/Andreas Greiner Napp

Wander­aus­stel­lung „frauen­ORTE Nieder­sachsen – über 1000 Jahre Frauen­ge­schichte“ kommt vom 1. bis zum 28. Februar in den Kaiserdom nach Königs­lutter.

„Wer als diese Frau wäre besser geeignet, um auf die Bedeutung von Königs­lutter in der Geschichte des Mittel­al­ters hinzu­weisen? Mehr noch als ihren Ehemann, den späteren Kaiser Lothar von Süpplin­gen­burg, müssen wir Richenza als zentrale Persön­lich­keit im Macht­spiel und Macht­ge­füge Sachsens und des Reiches um die Wende vom 11. zum 12. Jahrhun­dert bewerten“, sagte Gerd Biegel, Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte an der TU Braun­schweig während seines tradi­tio­nellen Silves­ter­vor­trags im Kaiserdom Königs­lutter.

42 histo­ri­sche Frauen­per­sön­lich­keiten

Deswegen bewirbt sich das „Team Starke Frauen“ mit dem Kaiserdom und der Protago­nistin Richenza um die Aufnahme in das Netzwerk „frauen­ORTE Nieder­sachsen – Über 1000 Jahre Frauen­ge­schichte“. Im Rahmen der Bewerbung wird die Wander­aus­stel­lung mit Porträts von mittler­weile 42 histo­ri­schen Frauen­per­sön­lich­keiten vom 1. bis 28. Februar 2020 im Kaiserdom Königs­lutter präsen­tiert. Sie zeigt, wie sich die zeitge­nös­si­sche Teilhabe von Frauen in der Gesell­schaft entwi­ckelt hat und stellt aktuelle Bezüge her. Erzählt wird von den Leistungen der Frauen, die sie auf politi­schem, kultu­rellem, sozialem, wirtschaft­li­chem und wissen­schaft­li­chem Gebieten vollbracht haben. Die Präsen­ta­tion in Königs­lutter wird gefördert durch die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Bewerbung bis 31. März

Mit der Initia­tive frauen­ORTE Nieder­sachsen, dessen Ursprungs­idee aus Sachsen-Anhalt stammt, will der Landes­frau­enrat neue Wege im Kultur­tou­rismus ermög­li­chen. Insgesamt 26 Veran­stal­tungen sieht dazu das Begleit­pro­gramm der Ausstel­lung in Königs­lutter vor. Der Reigen reicht von der 1. Starke-Frauen-Lesereihe, in der beispiels­weise aus Astrid Lindbergs Kinder­buch „Ronja Räuber­tochter“ vorge­lesen wird, über die Reihe „Starke Frauen berichten“ bis hin zu einem Selbst­be­haup­tungs­work­shop für Mütter und Töchter ab 8 Jahre. Diese und viele weitere Angebote stützen die Bewerbung, die dem Landes­frau­enrat bis zum 31. März vorliegen muss.

Richenza, die starke Frau des Mittel­al­ters, ist die Großmutter Heinrichs des Löwen. Sie liegt im Kaiserdom neben ihrem Mann Lothar II. und ihrem Schwie­ger­sohn Herzog Heinrich den Stolzen begraben. Nach ihrer Heirat mit Lothar von Süpplin­gen­burg habe Richenza ihre gesell­schaft­liche und politi­sche Rolle nicht in beschau­lich-höfisch-unter­wür­figer Zurück­ge­zo­gen­heit oder gar in liebe­voller Unter­wür­fig­keit des Weibes gesehen, sondern als aktiv bestim­mender Herrschafts­per­sön­lich­keit, erläu­terte Biegel in seinem Vortrag. Dies sei insbe­son­dere deutlich geworden als sie an der Seite Lothars zur Kaiserin gekrönt wurde. Sie galt und wirkte als aktive Mitherr­scherin.

Größere Wirkungs­macht für Richenza

Grabplatte im Kaiserdom mit Richenza und Lothar von Süpplinfenburg. Foto: SBK/Andreas Greiner Napp
Grabplatte im Kaiserdom mit Richenza und Lothar von Süppl­in­fen­burg. Foto: SBK/Andreas Greiner Napp

„Richenza erwies sich auf jeden Fall der Kaiser­krone, die sie zu Lebzeiten trug, würdig. Es ist unbedingt notwendig, ihrer Erinne­rung in unserer regio­nalen Geschichte aber auch in der Geschichts­wis­sen­schaft insgesamt eine größere Wirkungs­macht einzu­räumen“, meint Gerd Biegel. Im Rahmen der Vernis­sage am 1. Februar (17 Uhr) wird der Histo­riker Robert Conrad den Festvor­trag mit dem Titel „Ruht in Königs­lutter eine große Friedens­kai­serin? Zur histo­ri­schen Bedeutung Richenzas von Northeim“ halten. Conrad promo­vierte zu Kaiserin Richenza.

„Es ist nicht einfach in den Kreis der frauen­ORTE aufge­nommen zu werden, aber Richenza war eine frühe, fast europäi­sche Herrscherin. Außerdem schließt sie die zeitliche Lücke zwischen Roswitha von Ganders­heim im 10. Jahrhun­dert und Maria von Jever, Herzogin Elisabeth sowie Odilie von Ahlden im 16. Jahrhun­dert. Der Kaiserdom ist dazu ein heraus­ra­gender Ort“, machen sich Christine M. Kaiser und ihre Mitstrei­te­rinnen vom „Team Starke Frauen“ berech­tigte Hoffnungen, dass ihr Antrag positiv beschieden wird.

Aus der Region sind folgende Frauen bereits vertreten:

Charlotte von Veltheim: Die Domina des Klosters St. Marien­berg in Helmstedt (* 1832 in Braun­schweig, † 1911 in Helmstedt) führte Kloster­leben und unter­neh­me­ri­sches Handeln zusammen. Sie entwi­ckelte neue Regeln des Zusam­men­le­bens im Konvent und förderte die christ­liche Textil­kunst mit der Gründung einer noch heute wegwei­senden Paramen­ten­werk­statt. Für die Allge­mein­heit stiftete sie u. a. ein Kranken­haus und richtete eine Sonntags­schule sowie eine Inter­nats­schule für bürger­liche Mädchen ein. Für all diese Aufgaben ließ sie die Kloster­ge­bäude restau­rieren und ausbauen.

Roswitha von Ganders­heim: Sie war eine der ersten litera­risch tätigen Frauen im frühen Mittel­alter. Ab Mitte des 10. Jahrhun­derts verfasste Roswitha von Ganders­heim (* um 930, † um 980) als Kanonisse im Stift Ganders­heim auf Latein acht Lebens­be­schrei­bungen heiliger Frauen und Männer sowie Märtyrer- und Bekeh­rungs­dramen. Ihre Heldinnen meistern lebens­be­droh­liche Situa­tionen mit Mut und Klugheit, vor allem aber im festen Glauben an Gott. Eine bildhafte Sprache war ihr  Marken­zei­chen. Mit ihren beiden epischen Geschichts­schrei­bungen beschritt sie neues schrift­stel­le­ri­sches Terrain.

Henriette Schrader-Breymann: Ihr Einsatz für die moderne Pädagogik und die weibliche Erwerbs­tä­tig­keit war wegwei­send. Henriette Schrader-Breymann (* 1827 in Mahlum, † 1899 in Berlin-Schlach­tensee) gründete und leitete die Bildungs­ein­rich­tungen in Neu-Watzum und im Schloss Wolfen­büttel. Ausgehend von den Ideen des Reform­päd­agogen Friedrich Fröbel verwirk­lichte sie ihr eigenes Konzept der ganzheit­li­chen Bildung von Mädchen und Frauen und quali­fi­zierte sie für die Berufs­ar­beit als Kinder­gärt­nerin.

Katharina Kardorff-Oheimb: Als Politi­kerin, Publi­zistin und mondäne Villen­be­sit­zerin brachte sie Glanz in die alte Kaiser­stadt Goslar. Katharina von Kardorff-Oheimb  (* 1879 in Neuß am Rhein, † 1962 in Düssel­dorf) organi­sierte nach Einfüh­rung des Frauen­wahl­rechts politi­sche Ausbil­dungs­kurse für Frauen, gehörte für die Deutsche Volks­partei dem Deutschen Reichstag (1920–1924) an und führte in Berlin einen anerkannten politi­schen Salon. Sie engagierte sich in der bürger­li­chen Frauen­be­we­gung und schlug u. a. die Einfüh­rung von Frauen­listen bei Wahlen vor.

Minna Faßhauer: Aufgrund ihres frauen- und bildungs­po­li­ti­schen Engage­ments und ihrer Erfah­rungen ernannte sie der Braun­schweiger Arbeiter- und Solda­tenrat 1918 zur Volks­kom­mis­sarin für Volks­bil­dung, und damit zur ersten und einzigen Minis­terin der jungen Republik (Nov. 1918 – Feb. 1919). Es war vor allem der zuneh­mende Rechts­ruck in der Gesell­schaft, der Minna Faßhauer (* 1875 in Blecken­dorf, † 1949 in Braun­schweig) radikaler werden ließ. Die Haft im Frauen-KZ Moringen änderte nichts an ihrer politi­schen Haltung: Sie blieb auch nach 1945 als KPD-Mitglied frauen­po­li­tisch aktiv – und starb 1949 kurz nach einer Frauen­ver­an­stal­tung.

Ricarda Huch: Schrift­stel­lerin von Weltrang, anerkannte Histo­ri­kerin, überzeugte Pazifistin und Europäerin. Die gebürtige Braun­schwei­gerin wurde als erste Frau 1926 in die Preußi­sche Akademie der Künste berufen, trat aber 1933 aus Protest gegen die Natio­nal­so­zia­listen wieder aus. Coura­giert bezog Ricarda Huch (* 1864 in Braun­schweig, † 1947 in Kronberg/Taunus) Stellung gegen Intole­ranz, Antise­mi­tismus und einsei­tigen Natio­na­lismus. In ihren histo­ri­schen Werken beschäf­tigte sie sich mit Freiheits­be­we­gungen in Italien, Russland und Deutsch­land.

Sibylle von Schieszl: Die Ingenieurin stieg als erste Frau in den Führungs­kreis im techni­schen Bereich des Volks­wagen-Konzerns auf. Während des Zweiten Weltkrieges hatte Sibylle von Schieszl (* 1918 in Dresden, † 2010 in Torekov/Schweden) Techni­sche Physik an der Techni­schen Hochschule Dresden studiert und promo­vierte dort 1948 zum Dr. Ing. 1952 verließ sie die DDR. Bei Volks­wagen arbeitete sie nach mehreren Stationen im Werk bis 1979 als Haupt­ab­tei­lungs­lei­terin für Quali­täts­för­de­rung. Seit 1963 engagierte sie sich im Wolfs­burger Club von Sorop­ti­mist Inter­na­tional, der Frauen in leitenden Tätig­keiten weltweit vernetzt.

Hertha Peters: Sie war die bemer­kens­wer­teste Frau im politi­schen Leben des Peiner Landes. Hertha Peters (* 1905 in Peine, † 1987 in Peine) setzte sich für eine stärkere Präsenz von Frauen in der Kommu­nal­po­litik ein und bereitete ab 1964 als erste Landrätin im Landkreis Peine und in Nieder­sachsen sowie zeitweise als einzige amtie­rende Landrätin in der Bundes­re­pu­blik den Weg für Frauen in politi­sche Führungs­po­si­tionen vor. Der Bau des Kreis­kran­ken­hauses, des heutigen Klinikums Peine, zählt zu ihren heraus­ra­genden politi­schen Leistungen, ebenso ihre Vermitt­ler­rolle bei der Zusam­men­le­gung der Gemeinden in der Verwal­tungs- und Gebiets­re­form.

Öffnungs­zeiten:

1. Februar – 28. Februar täglich geöffnet von 9 bis 17 Uhr.

Fakten:

Der 1970 gegrün­dete Landes­frau­enrat Nieder­sachsen e.V. ist ein Zusam­men­schluss von über 60 Frauen­ver­bänden und Frauen­gruppen gemischter Verbände, der die Inter­essen von mehr als 2,2 Millionen Frauen in Nieder­sachsen vertritt. Das gemein­same Ziel der Arbeit ist die Stärkung des Einflusses der Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesell­schaft.

Mehr unter:

www.frauenorte-niedersachsen.de
www.team-starke-frauen-koenigslutter.de

Fotos

 

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