Keine Zucker­rüben am Zucker­berg

Das Tor zur ehemaligen „Villa Schneider“ war in den letzten Monaten Teil eines Kunstprojektes und deshalb in Silberfolie verhüllt. Foto: Thomas Ostwald
Das Tor zur ehemaligen „Villa Schneider“ war in den letzten Monaten Teil eines Kunstprojektes und deshalb in Silberfolie verhüllt. Foto: Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 10: Woher kommt der Name Zucker­berg?

Wer bislang angenommen hatte, dass einst Zucker­rüben im Süden unserer Stadt angebaut wurden und daher der Zucker­berg seinen Namen erhielt, der irrt sich. Denn Zucker aus Zucker­rüben wäre braun gewesen, die Massen­her­stel­lung von weißem Zucker aus Zucker­rüben war erst zu Beginn des 19. Jahrhun­derts möglich. Gehen wir der Sache einmal auf den Grund.

Das Gebiet bis zum Heidberg war einst mit einem besonders hellen Sand bedeckt, der zumindest die Menschen im 18. Jahrhun­dert an den weißen, aus Zucker­rohr gewonnen Zucker erinnerte. Diese Tatsache führte zur Namens­ge­bung. Zucker­rüben haben entgegen der landläu­figen Meinung nichts damit zu tun, schließ­lich findet sich die Bezeich­nung „Zucker­berg“ bereits in der Karte „Accurate Ichno­gra­phi­sche Vorstel­lung der Haupt­stadt und Vestung Braun­schweig.…” von Mattheaus Seutter, die wohl 1730 entstand.

Erst Franz Carl Achard erfand die Technik zur Gewinnung von Zucker aus Zucker­rüben zu Beginn des 19. Jahrhun­derts. 1802 betrieb er in Preußen die erste Rüben­zu­cker­fa­brik der Welt, nachdem bereits 1747 Andreas S. Markgraf den hohen Zucker­ge­halt der Rübe entdeckt hatte.

Der Zucker­berg lag einst innerhalb der Landwehr zwischen der Straße nach Wolfen­büttel und dem Weg nach Salzdahlum, der „Barock-Straße“ zwischen Braun­schweig und Wolfen­büttel. Zunächst befand sich dort die Siedlung Ekthi. Dann wurde das Gasthaus ‚Zucker­krug‘ errichtet. Im 18. Jahrhun­dert folgte schließ­lich ein Feldfort, das von zwei Redouten an der westli­chen Seite des Zucker­berges flankiert war.

Herzog Wilhelm erwarb 1841 große Teile des Zucker­berges und ließ einen Park anlegen. Aus dem Lechlumer Holz ließ er einen achtsäu­ligen Rundtempel heran­schaffen, der dort ursprüng­lich als Begräb­nis­stätte für Herzogin Philip­pine Charlotte (1716 – 1801) errichtet worden war. Die Schwester Friedrich des Großen war mit Herzog Carl I. von Braun­schweig verhei­ratet. 1842 wurde der Tempel auf das südöst­liche Plateau des Zucker­berges versetzt. Dadurch erhielt ein Teil des Zucker­berges die Bezeich­nung „Charlot­ten­höhe“.

1873 wurde das Grund­stück abermals verkauft und der Rundtempel musste erneut versetzt werden – bis heute fand er Platz im Richmond­park. Auf dem ehema­ligen Standort wurde die Villa Schneider in den Jahren 1883/84 errichtet – heute befindet sich dort das Landes­bil­dungs­zen­trum für Hörge­schä­digte. Es wurde 1828 als „Taubstum­men­in­stitut“ in der Mühlen­pford­t­straße gegründet und zog 1891 in einen Neubau, der jedoch danach die Grund­schule ‚Wolfen­büt­teler Straße‘ wurde und heute ein Teil der Brauerei Oettinger ist. Das Bildungs­zen­trum zog 1930 in besagte Villa Schneider.

Ab 1921 erfolgte eine umfang­reiche Parzel­lie­rung auf dem Zucker­berg und damit begann die Bebauung. Gegenüber der Villa Schneider befand sich einst das Kurhaus Richmond, ein Restau­rant mit großem Konzert­saal und einem parkar­tigen Garten. Der Straßen­name „Zucker­bergweg“ ist erstmals im Jahre 1922 im Braun­schweiger Adress­buch verzeichnet.

Und noch ein promi­nenter Name taucht am Zucker­berg auf: Eduard Huch, der ein Vermögen in Brasilien mit dem Tuchhandel erworben hatte, kehre 1852 mit seiner Frau, 13 Kindern und einer exoti­schen Diener­schaft in seine Heimat­stadt zurück und residierte in seiner Villa am Zucker­berg. Durch Erfin­dungen und Speku­la­tionen verlor er sein Vermögen wieder. „Wir können wohl alle kaum ohne Wehmut an den Zucker­berg zurück­denken. Inmitten der zu Richmond gehörigen herzog­li­chen Besit­zungen gelegen, die wir Kinder gewis­ser­maßen als unser Eigentum betrachten durften, kann man sich kaum einen schöneren Aufent­haltsort denken. Der parkar­tige drei Morgen große Garten konnte als leuch­tendes Beispiel der Garten­ar­chi­tektur gelten, hinein­ge­fügt in eine aller­dings schon vorhan­dene sich anpas­sende Umgebung. Von der großen Terrasse schweifte der Blick über den Grasplatz, eingefaßt von präch­tigen Baumgruppen, im Hinter­grund das Lechlumer Holz, die Türme Wolfen­büt­tels und der Brocken.“ So schrieb Eduard Huch in: „Die Familie Huch“.

Der Eingang zur ehema­ligen Villa der Familie Huch befindet sich noch heute sichtbar kurz vor der Eisen­bahn­brücke stadt­ein­wärts auf der rechten Seite. Eine Hälfte war für einige Zeit in Silber­folie als Kunstwerk verhüllt – jetzt sind die Spuren der Zeit sowie Graffiti-Schmie­re­reien umso deutlich erkennbar.

Am Zucker­berg baute auch Karl Munte, der Bauun­ter­nehmer, 1913 ein Haus am Zucker­bergweg 2, das dann von der Stadt Braun­schweig 1929 erworben wurde und als Gästehaus diente. Seit 1985 stand es lange Zeit leer und wurde dann schließ­lich ab 1997 als „Klinik am Zucker­berg“ wieder genutzt.

Nicht nur die Namens­ge­bung des Zucker­bergs ist also hochin­ter­es­sant, sondern auch seine Geschichte und Entwick­lung hin zu einem der vornehmsten Wohnge­bieten Braun­schweigs.

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