Viel Tuten und Blasen

Freude am Posaunelernen. Foto: Ronald Schrötke.
Freude am Posaunelernen. Foto: Ronald Schrötke.

Seit mehr als 80 Jahren musizieren Bläse­rinnen und Bläser unter dem Dach des Posau­nen­werkes der Evange­li­schen Landes­kirche Braun­schweig. Ein wichtiger Schwer­punkt ist dabei die Ausbil­dung von Kindern, Jugend­li­chen und erwach­senen Anfängern.

Etwa 1000 Gottes­dienste oder Andachten gestalten die Posau­nen­chöre jedes Jahr, schätzt Siegfried Markowis, Landes­po­sau­nen­wart der Landes­kirche. Dazu kommen Auftritte auf Dorf- und Stadt­teil­festen, auf Famili­en­feiern und Weihnachts­märkten. Damit sind die Posau­nen­chöre nicht nur ein wichtiger Teil des Gemein­de­le­bens, sondern auch ein bedeu­tender Baustein der musika­li­schen Landschaft im Braun­schweiger Land. Das Reper­toire reicht von Choral­be­ar­bei­tungen und barocker Bläser­musik bis zu Spiri­tuals und Pop-Arran­ge­ments moderner Lieder. Die Bläse­rinnen und Bläser engagieren sich in rund 70 Chören und Bläser­kreisen, verteilt über das Gebiet der Braun­schwei­gi­schen Landes­kirche.

Im Jahr 2016 nahm die Unesco-Kommis­sion die Posau­nen­chöre auf die Liste des immate­ri­ellen Kultur­erbes auf. Sie seien ein Kennzei­chen der evange­li­schen Kirche und in ihrer Vielfalt einmalig, hieß es in der Begrün­dung. Tatsäch­lich spielen in den verschie­denen Gruppen Menschen im Alter zwischen 8 und 80 Jahren gemeinsam. „Wir pflegen geist­liche Musik­li­te­ratur vom 16. Jahrhun­dert bis heute und leisten so ganz wichtige musische und musika­li­sche Bildungs­ar­beit“, ergänzt Markowis.

Die Ausbil­dung von neuen Bläse­rinnen und Bläsern ist für die Posau­nen­chöre unerläss­lich und deshalb ein Schwer­punkt der Arbeit des Posau­nen­werkes. So wurde 2017, nach 2011 zum dritten Mal, die „Ausbil­dungs­in­itia­tive“ gestartet. „Wir beraten Gruppen, die Anfänger ausbilden möchten, organi­sieren regel­mäßig Anfän­ger­wo­chen­enden und haben eine Sammlung von rund 1000 Noten­heften, die die Chöre sich ausleihen können“, zählt Markowis auf. Zu den Angeboten gehört auch ein Fundus von mehr als 60 Leihin­stru­menten, die an inter­es­sierte Anfänger ausge­geben werden. „So können sie direkt mit einem technisch und musika­lisch guten Instru­ment starten, ohne gleich viel Geld inves­tieren zu müssen.“

Vor vier Jahren wurde zudem die „Stiftung Posau­nen­werk“ ins Leben gerufen, um die Arbeit des Posau­nen­werkes weiter zu unter­stützen. Gemeinsam mit dem Förder­verein Posau­nen­werk, der Landes­kirche und der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz konnte schließ­lich die halbe Stelle eines Bildungs­re­fe­renten für zunächst fünf Jahre geschaffen werden. So koordi­niert Ronald Schrötke seit Anfang des Jahres die Ausbil­dungs­ar­beit des Posau­nen­werkes. Auch in der vorhe­rigen Phase der Ausbil­dungs­in­itia­tive seit 2013 war die SBK als Förderer aktiv.

Einen wichtigen Baustein im Konzept der Anfän­ger­aus­bil­dung im Posau­nen­werk bilden die regel­mä­ßigen Anfänger-Wochen­enden. In Klein­gruppen können die Instru­men­tal­lehrer dabei sehr indivi­duell auf den Entwick­lungs­stand der einzelnen Teilnehmer eingehen, neben blas- und spiel­tech­ni­schen Hinweisen werden auch musik­theo­re­ti­sche Inhalte vermit­telt. Dem Bildungs­re­fe­renten gefällt dabei vor allem die bunte Mischung der Gruppen zwischen Kindern und Erwach­senen und jeder findet meistens schnell ins Instru­ment, das zu ihm passt: Trompete, Posaune, Horn, Tuba…

„Diese intensive Arbeit können die einzelnen Chöre gar nicht leisten“, begründet Schrötke das Konzept. „Und natürlich kommt auch das gemein­same Erleben bei kreativen Angeboten und geist­li­chen Impulsen nicht zu kurz.“ Viele Posau­nen­chöre führen aber auch selbst Anfän­ger­kurse durch, hier unter­stützt das Posau­nen­werk bei der Organi­sa­tion und bei der Quali­fi­ka­tion der ehren­amt­li­chen Ausbilder. Zudem gibt Schrötke Tipps für die Gestal­tung von Unter­richts­stunden mit Anfängern, die „von Tuten und Blasen noch keine Ahnung haben“.

Wichtige Partner in der Vermitt­lungs­ar­beit sind für den Bildungs­re­fe­renten die Schulen. Im vergan­genen Schuljahr fanden an zwei Schulen Bläser-AGs statt, die vom Posau­nen­werk und den örtlichen Posau­nen­chören unter­stützt wurden, auch für das kommende Schuljahr gibt es bereits Planungen. Aber Schrötke kommt auch für einzelne Stunden in die Schule und stellt seine Instru­mente vor, wenn im Unter­richt gerade die Blech­blas­in­stru­mente durch­ge­nommen werden. Welches Instru­ment befindet sich in dem geschlos­senen Koffer? Warum ist das Rohr der Posaune viel länger als das der Trompete? Wozu gibt es den Zug und die Ventile? Und schließ­lich probieren die Kinder selbst, den Instru­menten einen Ton zu entlocken – mit mehr oder weniger großem Erfolg.

„Unser großer Vorteil ist die Verbin­dung von Schule und Posau­nen­chören“, erklärt Markowis. „Wir bieten den Kindern und Jugend­li­chen eine musika­li­sche Perspek­tive, ihr Instru­ment auch nach einem Jahr Bläser­klasse weiter in einer Gruppe zu spielen.“ Dabei lebt das Posau­nen­werk vom ehren­amt­li­chen Engage­ment: Mehr als die Hälfte der Chorlei­te­rinnen und Chorleiter und natürlich alle Bläse­rinnen und Bläser proben und musizieren ehren­amt­lich in ihrer Freizeit.

Alle zwei Jahre findet ein Landes­po­sau­nentag statt, quasi das Famili­en­treffen aller Bläse­rinnen und Bläser. Im Sommer 2018 richtet Braun­schweig das Fest unter dem Motto „hier und jetzt“ mit Veran­stal­tungen auf dem Burgplatz, dem Löwenwall und in verschie­denen Kirchen aus. Markowis erwartet mehr als 400 Teilnehmer – die meisten natürlich mit einem Instru­ment, Spiel­freude und viel Luft in der Lunge.

Infor­ma­tionen

Zur Arbeit des Posau­nen­werkes unter www.posaunenwerk-braunschweig.de/. Dort auch das Jahres­pro­gramm mit Fortbil­dungen und Lehrgängen und der Ausbil­dungs­in­itia­tive und Kontakt­adressen der einzelnen Chöre.

Landes­po­sau­nentag vom 8. bis 10. Juni 2018 in Braun­schweig

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