Kinder­Klassik gibt Kindern den Raum, mit und an Musik zu wachsen

Der Verein KinderKlassik organisiert seit 2013 Konzerte mit und für Kinder. Zu den Highlights jeden Konzertjahres gehören die Auftritte im und am Schloss Richmond in Braunschweig. Foto: KinderKlassik e. V.

Vor neun Jahren gründete sich der Verein Kinder­Klassik in Braun­schweig. Das Ziel: Kindern klassi­sche Musik näher­bringen und Konzerte für Kinder organi­sieren – nicht nur als Zuhörer, sondern auch als Musizie­rende. Seitdem hat der Verein zahlreiche Konzerte und Auffüh­rungen organi­siert …

Die kleine Runde am Esstisch der Vorsit­zenden Ilka Schibilak hat gute Laune, als wir für ein Gespräch dazu stoßen. Mitten in Braun­schweig, nicht weit entfernt vom Herzog Anton Ulrich-Museum lebt die Musik­päd­agogin, die vor neun Jahren die Idee für Kinder­Klassik hatte und diesen gemeinsam mit einigen Berufs­kol­legen und ‑kolle­ginnen ins Leben rief. Im Mittel­punkt stehen, auch an diesem Nachmittag, junge Nachwuchs­mu­si­ke­rinnen und ‑musiker. Mit Charlotte Warstat, 18 Jahre, und July Riemann, 16 Jahre, sitzen zwei Mitglieder des Jugend­vor­stands mit am Tisch. Dazu gesellt haben sich außerdem Aaron, 12 Jahre, und die „Notenfee Fasola“, die eigent­lich Luzia heißt und 7 Jahre alt ist.

Aaron, July, Luzia und Charlotte sind im Verein KInder­Klassik aktiv. Foto: Der Löwe

Die Notenfee ist eines der Wieder­erken­nungs­merk­male des Vereins. In den Konzerten entdeckt sie, stets von einer der Musike­rinnen darge­stellt, die Welt der Noten und Musik­stücke. Mit ihren Erleb­nissen bilde sie während der Konzerte zwischen den Stücken der jungen Musiker und Musike­rinnen thema­ti­sche Brücken, ihre Texte schreiben die Kinder selbst. Seit 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie in Deutsch­land, verkör­pert Luzia die Fee und stellt anderen Musikern in einem Video­format, das auf der Webseite des Vereins veröf­fent­licht wird, Feenfragen zu ihren Instru­menten, ihrer Liebe zur Musik und den Beweg­gründen, Musik zu ihrem Lebens­in­halt zu machen. „Nach dem Abitur endet für die Jugend­li­chen ihre aktive Zeit im Verein, aber mit vielen bleiben wir in Kontakt und binden sie in unsere regel­mä­ßigen Konzerte ein“, erzählt Schibilak.

Derzeit besteht der Verein aus ungefähr 20 Nachwuchs­mu­si­kern ab dem Grund­schul­alter, hinzu kommen rund 50 erwach­sene Mitglieder, die den Verein mal passiv, mal aktiv unter­stützen – freibe­ruf­liche und angestellte Musikpädagog:innen, Eltern, Ehemalige und Förderer. Sie bilden das Netzwerk, durch das immer wieder Nachwuchs an klassi­sche Musik heran­ge­führt wird.

Von Kindern für Kinder

Konzerte und Auftritts­mög­lich­keiten zu organi­sieren ist die Haupt­auf­gabe des Vereins. Aber es ist nicht nur das. Wer July, Charlotte und Aaron zuhört, bekommt einen Eindruck davon, wie vielfältig die Aufgaben sind, die sie übernehmen. „Wir waren zum Beispiel früher in Kinder­gärten zu Besuch, um unsere Instru­mente zu zeigen und den Kindern klassi­sche Stücke vorzu­spielen. Das hat allen immer viel Spaß gemacht und manchmal haben die Kinder uns dann erzählt, dass sie selbst gerne ein Instru­ment lernen möchten“, sagt Charlotte. Und July ergänzt, dass nicht alle Familien die Möglich­keit haben, ihren Kindern den Unter­richt zu finan­zieren – aber der Kontakt mit der Musik, das Erlebnis, sei ebenfalls wichtig. Als Jugend­vor­stands­mit­glieder sind sie außerdem dafür verant­wort­lich, die Social Media-Auftritte zu pflegen, Flyer und Programm­hefte zu gestalten und den Kontakt zu den jüngeren Kindern zu halten. „Manche trauen sich noch nicht, ihre Ideen für ein Stück oder den Ablauf eines Konzerts, den Erwach­senen zu erzählen. Vor uns fällt ihnen das leichter. Außerdem sind wir während der Auftritte für sie da“, so July. Aaron entwächst gerade aus den Reihen der Jüngeren und übernimmt immer mehr Aufgaben, gibt Inter­views und hilft beim Gestalten von Flyern.

July und Charlotte sind im Jugend­vor­stand von Kinder­Klassik. Foto: Der Löwe

Bei den Auftritten, so wie beim jährli­chen Highlight in Schloss Richmond, packen schließ­lich alle mit an. Sie bauen Stühle und Bänke auf, organi­sieren und kümmern sich um die Deko und Technik und moderieren die Veran­stal­tungen. „Eigent­lich machen die Kinder alles selbst. Bei uns können sie sich auspro­bieren und lernen, dass die Musik­branche mehr ist, als bei einem Konzert sein eigenes Stück zu spielen. Für den Fall der Fälle und bei Fragen gibt es uns Erwach­sene im Vereins­vor­stand“, sagt Schibilak.

Zu den Sommer­kon­zerten von Kinder­Klassik gehören kurze Theater- und Tanzein­lagen. Die Texte kommen, wie auch die Themen­ideen, oft von den Kindern selbst. Foto: Kinder­Klassik e. V.

Die Erwach­senen bleiben im Hinter­grund

Die Musik­päd­agogin Ilka Schibilak hatte die Idee für einen Verein, der Nachwuchmusiker:innen fördert. Foto: Kinder­Klassik e. V.

Ebendieser kümmert sich um die Finan­zie­rung der Projekte. Er schreibt Förder­an­träge, wirbt um Spenden und hält den Kontakt zur Kultur­för­de­rung der Stadt. Denn ohne die Unter­stüt­zung zahlrei­cher Stellen ginge es nicht. „Die Miete eines Flügels kostet 1.500 Euro. Wir bekommen ihn von Grotrian-Steinweg gestellt, müssen aber die Kosten für den Transport übernehmen“, berichtet Schibilak. Das sei für die Konzerte kein unwesent­li­cher Kosten­punkt, dazu kommen Raummieten, Kostüme und Werbung. Der Kiwanis Club Deutsch­land schenkte dem Verein vor einiger Zeit einen Digital­flügel, mit dem das Reisen etwas einfacher ist – und ein ganz neues Projekt möglich macht.

Kinder­Klassik richtet Konzerte für Nachwuchs­mu­siker aus, spielt aber auch auf Festivals und unter­stützt weitere Kultur­ver­an­stal­tungen. Da in den vergan­genen Jahren keine Besuche in Kinder­gärten und Pflege­heimen möglich waren, entstand die Idee einer Open-Air-Konzert­reihe für Privat­per­sonen, unter­stützt von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung: Der Digital­flügel ging auf Reisen. Ein kleines Programm junger Profis, das auch in Gärten, Sackgassen und Wohnan­lagen funktio­niert. „Die Jüngeren haben oft noch nicht genug Reper­toire, um eine dreiviertel Stunde am Stück zu spielen. Außerdem mussten wir lange auf die Perso­nen­an­zahl achten“, erzählt Charlotte. Auch 2022 soll der Flügel wieder unterwegs sein, aber erst im Anschluss an die tradi­tio­nellen Sommer-Konzerte in Schloss Richmond im Mai.

Als während der Corona-Pandemie kaum reguläre Konzerte möglich waren, verlegte Kinder­Klassik Auftritte an die frische Luft. So wurde das Konzert in einer Sackgasse zu einem Erlebnis für die ganze Nachbar­schaft. Foto: Kinder­Klassik e. V.

Anton Diabelli übernimmt Schloss Richmond

Im vergan­genen Jahr verteilten sich die Zuschauer im Park des Schlosses und verfolgten die Darbie­tungen von Stühlen, Bänken und Picknick­de­cken aus. „Das Schloss ist ein Juwel und wir sind immer wieder dankbar, dass wir es für unsere Konzerte nutzen dürfen. Dieses Jahr sind fünf Konzerte an drei Tagen geplant“, sagt Schibilak. Haupt­thema ist der öster­rei­chi­sche Komponist Anton Diabelli, der auf der Bühne von Aaron verkör­pert wird. Im Vorjahr gab es eine Auffüh­rung des Braun­schweiger Karnevals der Tiere, Varia­tionen von Camille Saint-Saëns „Karneval der Tiere“. Ein Stück über Beethoven, das die Kinder für 2020 geschrieben und geprobt hatten, konnte durch die Corona-Pandemie 2020 nicht aufge­führt werden. Immer dabei: Die Fee Fasola, deren Name sich aus den Tonfolgen Fa-So-La der Solmi­sa­tion ableitet. Neben ihrem Wieder­erken­nungs­wert erleich­tert sie den Kindern im Publikum, sich mit den Stücken zu identi­fi­zieren, ohne dabei zu kindlich zu wirken.

Die Konzerte und Auftritte geben den Kindern und Jugend­li­chen einen Anreiz, sich weiter zu entwi­ckeln. Foto: Der Löwe

„Die Kinder müssen jeweils nur ihr Stück mit ihren Pädagog:innen üben und ein wenig Text einstu­dieren. So ist der Proben­auf­wand für alle zusammen sehr gering“, erklärt Charlotte. Denn mitmachen können nicht nur Kinder aus Braun­schweig, sondern auch aus den umlie­genden Städten und Landkreisen. Das Einzugs­ge­biet umfasst gut 50 Kilometer, auch Kinder aus Helmstedt, Salzgitter, Wolfsburg, Wolfen­büttel und Peine sind dabei. Und wenn jemand mal keine Lust hat öffent­lich aufzu­treten? Dann ist das auch kein Problem, denn die Mitglied­schaft verpflichtet nicht zum Spielen vor Publikum. „Aber das macht Spaß und ist etwas ganz anderes, als wenn nur meine Eltern zuhören“, findet Aaron.
Wie viele andere Nachwuchs­mu­si­zie­renden spielt er mehr als ein Instru­ment – neben Klavier noch Oboe – und ist außerdem sportlich aktiv. Der Umgang mit Musik, das Engage­ment im Verein und die vielsei­tigen Erleb­nisse wirken sich auf Sicht von Schibilak positiv auf die Kinder aus. Viele Ehemalige haben die Bühne als ihren Bestim­mungsort entdeckt – wenn nicht als Musizie­rende, dann als Schauspieler:in und ähnliches.

Die Ideen gehen nicht aus

Um wieder mehr Kindern den Kontakt zur klassi­schen Musik zu ermög­li­chen, arbeitet Kinder­Klassik in Koope­ra­tion mit der TU Braun­schweig und Lehramtstu­die­renden an Konzepten, wie Musik in den Schulen gefördert werden könnte. Es entstehen zudem Ideen für neue Kinder­garten-Projekte. „Wir hatten im Kinder­garten Flöten­un­ter­richt“, erinnert sich Charlotte und Aaron erzählt von Trommel­stunden in seiner Kinder­ta­ges­stätte. „Oh ja, da hast du Rhyth­mus­ge­fühl entwi­ckelt“, sagt Schibilak. Das früh in der Kindheit zu lernen, sei wichtig, um es zu verstehen und zu verin­ner­li­chen. Je früher, desto besser – auch wenn es zum Erlernen eines Instru­mentes keine Alters­grenze gibt. „Stimmt“, wirft July ein, „meine sechs­jäh­rige Klavier­schü­lerin hat schneller Noten gelernt, als viele meiner Mitschüler:innen.“ Und im Gegensatz zu ihren Klassen­ka­me­raden falle es der Grund­schü­lerin leicht.

Mit einem gestif­teten Digital­flügel reist der Verein durch das Braun­schweiger Land und gibt Konzerte für private Gastgeber – in Gärten, Parks und Wohnzim­mern. Foto: Kinder­Klassik e. V.

Flexibel und ungebunden

So wie die Mitglieder aus unter­schied­li­chen Orten kommen, so ist auch der Verein für seine Konzerte nicht an Orte gebunden. Neben dem Schloss Richmond gehörte das Café Haertle am Staats­theater jahrelang zu den wieder­keh­renden Plätzen, an denen Kinder­Klassik zu Gast war. Immer montags spielten die jungen Musiker:innen dort in der Vorweih­nachts­zeit. Doch das Café hat in der Pandemie seine Öffnungs­zeiten geändert; ob es die Winter­kon­zerte weiter­geben wird, ist noch nicht entschieden. Zu den ungewöhn­lichsten Orten, an denen Kinder­Klassik schon Konzerte organi­siert hat, gehören der BTHC-Tennis­platz und das Hallenbad in Wolfsburg. Nur auf dem Brocken haben sie noch nicht gespielt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Kinder­Klassik Sommer­Kon­zerte 2022

Das Braun­schweiger Schloss Richmond gibt den Sommer­kon­zerten der Nachwuchsmusiker:innen einen einzig­ar­tigen Rahmen. Foto: Kinder­Klassik e. V.
  • Freitag, 20. Mai, 18 Uhr
    “Cantabile, cantabile!” mit Anna Gottschlich (Violine) und Max Mosto­vetski (Pianist).  Masto­vetski (Klavier)
  • Samstag, 21. Mai, 12 Uhr
    “Flautis­simo” unter der Leitung von Madoka Takaya­nagi.
  • Samstag, 21. Mai, 18 Uhr
    “Zwischen Virtuo­sität und Herzens­klängen”: Ein Konzert mit Tabea Wink, Paul Kreitz und weiteren.
  • Sonntag, 22. Mai, 11 Uhr
    “Romantik im Schloss”: Nachwuchs­mu­si­zie­rende laden ein zu Musik und Poesie.
  • Sonntag, 22. Mai, 15 Uhr
    „Die Notenfee Fasola tanzt Diabelli“,
    Werke von Anton Diabelli, für alle ab fünf Jahren.

Kontakt

Geschäfts­stelle
KinderKlassik.com e. V.
Helmstedter Str. 154
38102 Braun­schweig

Mobil: +49 (0) 160 / 7350467
E‑Mail: info@kinderklassik.com
kinderklassik.com

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