Klassik an der Abraum­halde

Schauplatz des zweiten Picknick-Konzerts ist der Seilbahnberg in Lengede (Aufnahme 1926, mit dem nach einem Unwetter umgestürzten Seilbahngerüst). Foto: Archiv Lengede
Schauplatz des zweiten Picknick-Konzerts ist der Seilbahnberg in Lengede (Aufnahme 1926, mit dem nach einem Unwetter umgestürzten Seilbahngerüst). Foto: Archiv Lengede

Zweites Picknick-Konzert der Braun­schwei­gi­schen Landschaft: Staats­or­chester spielt am 17. Juni open-air am Seilbahn­berg in Lengede passende Stücke zur Indus­trie­ge­schichte.

Es ist die zweite Auflage einer beson­deren Veran­stal­tung an beson­deren Orten mit beson­derem Ambiente. Nichts Alltäg­li­ches sollen die Picknick-Konzerte der Braun­schwei­gi­schen Landschaft sein. Nach der erfolg­rei­chen Premiere am Paläon, dem Forschungs- und Erleb­nis­zen­trum Schöninger Speere, im Landkreis Helmstedt findet die Veran­stal­tung in diesem Jahr am 17. Juni am Seilbahn­berg in Lengede im Landkreis Peine statt. Gemeinsam mit der Gemeinde und den Vereinen vor Ort wird der Auftritt des Staats­or­ches­ters Braun­schweig (14 – 16.30 Uhr) organi­siert. Der Eintritt ist frei. An verschie­denen Ständen wird es Cocktails, Burger, Kaffee und Kuchen, Bratwurst, Waffeln und inter­na­tio­nalen Köstlich­keiten geben. Mitzu­bringen sind lediglich eine Picknick-Decke und viel Lust auf erstklas­sige klassi­sche Musik.

Es wird wie am Paläon ein Konzert­er­lebnis für die ganze Familie. Erhellend moderiert wird der Auftritt von Martin Weller, in Perso­nal­union glück­li­cher­weise Direktor des Staats­or­ches­ters und Sprecher der Arbeits­ge­mein­schaft Musik der Braun­schwei­gi­schen Landschaft. Das macht vieles einfacher. „Wir wollen Klassik-Open-Air in die Fläche bringen“, sagt Anna Lamprecht, Geschäfts­stel­len­lei­terin der veran­stal­tenden Braun­schwei­gi­schen Landschaft. Deren Ziel ist nicht nur Kultur­för­de­rung, sondern vor allem auch das Entwi­ckeln und Ermög­li­chen von neuen Kultur­pro­jekten. Mit den Picknick-Konzerten, die unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultu­be­sitz (SBK) gefördert werden, ist das gelungen und wird die Reihe „Musik und Raum“ populär fortge­setzt. Weller bringt damit als Sprecher der AG Musik musika­li­sche Ereig­nisse mit identitätsstiftenden Bauwerken der Region in Einklang bringt.

Die Vokabel Bauwerk ist in diesem Jahr aller­dings großzügig auszu­legen. Denn beim Seilbahn­berg handelt es sich um eine Abraum­halde, die zwischen 1917 und 1927  aufge­schüttet wurde. Tatsäch­lich entstand so mit rund 65 Metern über Umgebung (156,6 Meter ü. N.N.)  die höchste Erhebung im Landkreis Peine. Ortshei­mat­pfleger Werner Cleve wird anläss­lich des Picknick-Konzerts eine kleine Ausstel­lung vorbe­reiten, die die Hinter­gründe zum Seilbahn­berg beleuchtet.

Die beson­deren histo­ri­schen Gegeben­heiten dieses von der regio­nalen Industrie geprägten Ortes sind für Orches­ter­di­rektor Martin Weller auch maßgeb­lich für die Auswahl des klassi­schen Musik­pro­gramms, das die rund 60 Musiker auf einer Open Air-Bühne spielen werden. Es ist ein bemer­kens­wertes Programm! Zum Auftakt wird  passend „Die Eisen­gie­ßerei“ von Alexander Mossolow gespielt, es folgen unter anderem von Johann Strauß (Sohn) die Polka „Durch´s Telephon“ und der Walzer „Accele­ra­tionen“. Mit dabei auch ein Startrek-Medley von Calvin Cluster, „Short ride in a fast machine”von John Adams und „Typewriter“ von Leroy Anderson. Chris­to­pher Lichten­stein wird dirigieren. Solisten sind Matthias Lang, Jörg Oesterle und Alexander Lenk.

In der Broschüre „Braun­schwei­gi­sches Land in der Weimarer Republik“ schrieb er bereits einen Aufsatz über den Seilbahn­berg. Darin wird, inter­es­sant für jeden Besucher des Picknick-Konzerts, beschrieben, wie der Berg entstand: „1872 hat die llseder Hütte die Eisen­erz­felder von Boden­stedt und Lengede gekauft und damit begonnen, Eisenerz zu fördern, das im Hochofen­werk Ilsede verhüttet wurde. Bis zum 1. Weltkrieg wurde das Eisenerz ausschließ­lich in Tagebauen gewonnen (Grube Sophien­glück-Mathilde) und danach bis 1977 zusätz­lich im Tiefbau. lm Tagebau­be­trieb lag natur­gemäß Abraum­erde über den Erzschichten, die erst wegge­schafft werden musste, um das Erz fördern zu können. Den Abraum hat man an tiefer gelegenen feuchten Stellen in der Lengeder Feldmark und an ausge­erzten Stellen im Tagebau verschüttet. 1917 waren diese Möglich­keiten der Abraum­be­sei­ti­gung ausge­schöpft. Es wurde eine Draht­seil­bahn gebaut, die den Abraum zu einem Berg aufschüt­tete. Das Abwurf­ge­rüst sollte einen Schütt­kegel von 90 Meter Höhe ermög­li­chen. Von dieser Seilbahn hat der Berg seinen Namen erhalten…“ 1927 wurde das Aufschütten einge­stellt. Die  Berghänge wurden im unteren Bereich mit einer bunten Mischung von Büschen und Bäumen bepflanzt. Heute ist der Seilbahn­berg ein schönes Stück Natur und damit eine prima Bühne für das Picknick-Konzert, einem außer­ge­wöhn­li­chen Event.

Die Parkmög­lich­keiten in direkter Nähe des Veran­stal­tungs­orts (Vallstedter Weg) sind begrenzt. Es wird daher von 12 bis 14 Uhr und von 16.30 bis 18.30 Uhr ein kosten­loser Shuttle-Service zwischen der Park & Ride-Anlage in Broistedt, dem Parkplatz am Lengeder Festplatz Schachtweg und dem Seilbahn­berg angeboten. Nach dem Konzert kann das WM-Auftakt­spiel der deutschen Mannschaft  gegen Mexiko (17 Uhr) vor Ort auf instal­lierten Fernse­hern geschaut werden.

Förderer des Picknick-Konzerts neben der SBK sind die Stiftung Nieder­säch­si­scher Volks­banken und Raiff­ei­sen­banken, die Volksbank BraWo und Hoffmann Maschinen- und Appara­tebau GmbH, Lengede.

Weitere Infor­ma­tionen unter: www.picknickkonzert.de

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