Das Schmuck­stück unter den Okerbrü­cken

Die Ferdinandbrücke. Foto: Der Löwe
Die Ferdinandbrücke. Foto: Der Löwe

Braun­schweigs Brücken, Folge 7: Die Ferdi­nand­brücke ist seit mehr als 100 Jahren weitge­hend unver­än­dert geblieben.

Zwischen 1880 und 1910 wuchs die Stadt Braun­schweig enorm. Die Einwoh­ner­zahl kletterte von 75.000 auf 144.000. Die indus­tri­elle Entwick­lung Braun­schweigs schritt rasant voran, der Wohnungsbau hatte längst den Bereich der Kernstadt überschritten, so dass neue Übergänge über die Oker geschaffen werden mussten, um die neuen Wohnquar­tiere an die Innen­stadt anzuschließen. Zu dieser Gruppe von Brücken­neu­bauten gehört die Ferdi­nand­brücke. Sie verbindet den Südwesten der Innen­stadt über das alte Michae­listor und den Wilhel­mi­t­or­wall mit dem Stadt­quar­tier Sophien‑, Julius‑, Camman- und Frank­furter Straße.

Die Brücke entstand 1900/01 in Folge der Stadt­er­wei­te­rung sowie der Ansied­lung von Indus­trie­be­trieben im Südwesten der Stadt. Dazu zählten die Luther-Werke, die Wilke-Werke, Karges & Hammer und die Braun­schwei­gi­sche Maschi­nen­bau­an­stalt. In ihrer Blüte beschäf­tigten die Unter­nehmen viele hundert Menschen. „Anwohner, Unter­nehmer und Fabrik­ar­beiter in den städti­schen Erwei­te­rungs­ge­bieten verlangten den Brückenbau, um eine direkte Anbindung an den Stadtkern zu erhalten“, erklärt   der renom­mierte Bauhis­to­riker Elmar Arnhold, der auch Stadt­teil­hei­mat­pfleger der Innen­stadt ist. In Koope­ra­tion mit ihm stellt der „Der Löwe – das Portal der Braun­schwei­gi­schen Stiftungen“ alle 22 inner­städ­ti­schen Brücken in monat­li­cher Folge vor.

Dem Bau der Ferdi­nand­brücke ging eine langwie­rige Planung voraus. Daher entstand 1888 zunächst eine hölzerne Fußgän­ger­brücke. Die heute noch bestehende Brücke wurde dann von 1898 bis 1901 nach einem Entwurf von Stadt­baurat Ludwig Winter (1843 – 1930) errichtet. Der Architekt hinter­ließ unter anderem mit der Entwick­lung des Rings zur verkehr­li­chen Erschlie­ßung der von ihm geplanten Stadt­er­wei­te­rungen mit dem östlichen und westli­chen Ringge­biet, dem Bau des Rathauses, der Rekon­struk­tion der Burg Dankwar­derode und nicht zuletzt dem Bau der Gerloff­schen Villa, die heute das Haus der Braun­schwei­gi­schen Stiftung ist, bis heute seine prägenden Spuren in Braun­schweig.

Die Ferdi­nand­brücke ist das einzige in der Stadt noch erhaltene größere Bücken­bau­werk nach dem sogenannten Konstruk­ti­ons­system Möller. Typisch sind dafür die ausge­bauchten Träger. „Die Träger der Stirn­seiten veran­schau­li­chen mit ihren angedeu­teten Bändern das Tragver­halten“, erläutert Arnhold das Prinzip. Auf Grund der niedrigen Uferhöhen ermög­licht es die Konstruk­tion mit einem Zwischen­pfeiler, eine genügende Bauhöhe über dem Wasser­spiegel zu erzielen.

Die Brücke weist Jugend­stil­formen auf und ist als Baudenkmal erhalten. An den Pfeilern in der Mitte prangt die Jahres­zahl „1900”. Weil die Ferdi­nand­brücke keinem starken Verkehr ausge­setzt ist, konnte sie im Gegensatz zu vielen anderen Okerbrü­cken weitge­hend in ihrem Ursprungs­zu­stand erhalten werden und ist deshalb ein wahres Schmuck­stück.

Fakten

Planungs- und Bauzeit:   1898–1901

Architekt/Ingenieur: Stadt­baurat Ludwig Winter, Max Möller

Länge:          23,90 m

Breite:           12,60 m

Umbauten/Reparaturen: 1992 umfas­sende Sanierung

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