Krönung am 3. September 1972

Hildegard Falck. Foto: VfL Wolfsburg
Hildegard Falck. Foto: VfL Wolfsburg

Große Sport­per­sön­lich­keiten, Folge 7: Hildegard Falck lief als erste Frau die 800 Meter unter zwei Minuten.

Als Goldener Sonntag ist der 3. September 1972 in die deutsche Sport­ge­schichte einge­gangen. Mit Hildegard Falck war eine Wolfs­bur­gerin ganz entschei­dend daran beteiligt. Sie gewann die 800 m nach einem drama­ti­schen Finish in der damaligen olympi­schen Rekord­zeit von 1:58,6 Minuten. Klaus Wolfer­mann (Gendorf) im Speerwurf (90,48 Meter) und Bernd Kannen­berg (Fürth) über 50 km Gehen (3:56:11,6 Stunden) machten den aus deutscher Sicht erfolg­reichsten Wettkampftag der Olympi­schen Sommer­spiele in München perfekt. Komplet­tiert wurde dieser Tag noch mit dem Gewinn der Silber­me­daille im Fünfkampf durch Heide Rosendahl (Lever­kusen).

Hildegard Falcks Lauf zählt zu den knappsten 800-m-Entschei­dungen in der olympi­schen Geschichte. Mit letzter Kraft rettete sich die Wolfs­bur­gerin ins Ziel und siegte mit nur dem Wimpern­schlag einer Zehntel­se­kunde vor der Sowjet­russin Niele Sabaite. Unver­gessen ist ihr Wackeln des Kopfes auf den letzten 100 Metern. Kürzlich flachste die heute 71-Jährige zum 48. Jahrestag ihres Triumphs darüber in einem TV-Interview: Sie habe damit ihrer schärfsten Verfol­gerin nur signa­li­sieren wollen, nein, nein, du kriegst mich nicht.

Der olympi­sche Erfolg war, obwohl Hildegard Falck als Weltre­kord­hal­terin an den Start gegangen war, keines­wegs eine Selbst­ver­ständ­lich­keit gewesen. Mit Gunhild Hoffmeister (Cottbus) gab es neben Sabaite eine weitere sehr starke Konkur­rentin aus der ehema­ligen DDR. Und bei den voraus­ge­gan­genen Deutschen Meister­schaften hatte sie überra­schend gegen Sylvia Schenk (Eintracht Frankfurt) verloren.

Hildegard Falck, die aus dem kleinen Ort Nettel­rede bei Bad Münder am Deister stammt, lief dennoch ein bravou­röses, taktisch ausge­klü­geltes Rennen. Von der Innenbahn aus startend hatte sie zunächst das gesamte Feld vor sich. Sie ordnete sich im Mittel­feld ein und nutzte dann die sich bietenden Lücken, um sich nach vorne zu schieben. Sie zog schließ­lich als erste unwider­steh­lich den Schluss­spurt an und hielt durch. Unver­gessen ist ihr so überschwäng­li­cher Jubel mit Freuden­sprüngen und kreisenden Armen.

Die Olympi­schen Spiele 1972 sollten jedoch nur zwei Tage später diese Leich­tig­keit verlieren. Paläs­ti­nen­si­sche Terro­risten überfielen am 5. September israe­li­sche Sportler im Olympi­schen Dorf. Sie ermor­deten alle elf Geiseln. Bei dem geschei­terten Befrei­ungs­ver­such durch die bayrische Polizei verloren auch fünf Terro­risten und ein Polizist ihr Leben. Die Spiele wurden kurz unter­bro­chen, ehe der damalige IOC-Präsident Avery Brundage den berühmten Satz sagte: „The Games must go on“ („Die Spiele müssen weiter­gehen“).

Nach der Rückkehr aus München wurde Hildegard Falck und den weiteren Wolfs­burger Olympia-Teilneh­mern trotz allem mit einem Autokorso durch die Stadt ein frene­ti­scher Empfang bereitet. Die Goldge­win­nerin saß natürlich strahlend im ersten Wagen. Es folgten Silber­me­daillen-Gewinner Klaus Glahn (Judoka), Horst Beyer (Zehnkämpfer), Heinz Mayr (Geher) und Hans-Joachim Geisler (Schwimmer).

Hildegard Falck beendete ihre Laufbahn, in der sie unter anderem fünfmal Deutsche Meisterin wurde, nur zwei Jahre nach ihrem größten Triumph im Alter von erst 25 Jahren. Nicht nur die aufkom­mende Doping-Proble­matik verur­sachte ihr ein ungutes Gefühl. „Es wurde auch immer schwie­riger, Beruf und Sport zu verein­baren. Die Athle­tinnen aus den Ostblock­staaten trainierten meist unter Profi-Bedin­gungen“, erläu­terte die frühere Realschul­leh­rerin ihren frühen Rücktritt. Auch so gebührt ihr auf immer und ewig ein Platz im Geschichts­buch des Sports: Denn 1971 war sie als erste Frau überhaupt die zwei Stadi­on­runden unter zwei Minuten gelaufen (1:58,5). Im olympi­schen Finale schaffte sie es noch ein zweites Mal, diese magische Schall­mauer zu durch­bre­chen.

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