Ein Univer­sal­ta­lent mit viel Einfluss

Johannes Runge als Olympiateilnehmer 1904 in St. Louis/USA. Foto: Wikipedia
Johannes Runge als Olympiateilnehmer 1904 in St. Louis/USA. Foto: Wikipedia

Große Sport­per­sön­lich­keiten, Folge 1: Leicht­ath­letik-Pionier Johannes Runge – Gründungs­mit­glied bei Eintracht, Vereins­vor­sit­zender, Olympia­teil­nehmer und maßgeb­li­cher Funktionär.

Wenn man eine Artikel­serie über große Sport­per­sön­lich­keiten der Region plant, überlegt man natürlich, wer sollte in der ersten Folge Protago­nist sein? Unsere Wahl fiel auf Johannes Runge. Er war Braun­schweigs erster Olympia-Teilnehmer (1904 St. Louis/USA), Gründungs­mit­glied Eintrachts (1895) und des Braun­schweiger Tennis- und Hockey-Clubs (BTHC, 1910). Runge galt als ein sport­li­ches Univer­sal­ta­lent. Er zählte nicht nur zu den besten Leicht­ath­leten Deutsch­lands, sondern überragte auch im Fußball, Tennis und im Eisschnell­lauf. Die Serie „Große Sport­per­sön­lich­keiten“ erscheint anläss­lich der Vereins­ju­bi­läen von Eintracht Braun­schweig (15. Dezember 1895 / 125 Jahre) und des VfL Wolfs­burgs (12. September 1945 / 75 Jahre).

„Beim 3. Natio­nalen Sportfest der Eintracht in Anwesen­heit des Regenten, startete Runge zum letzten Male, stellte aber vorher noch einen neuen Rekord im Stabhoch­sprung auf und lief in der Eintracht-Mannschaft über 3 x 1000 Meter mit Beber und Steinhof einen weiteren Deutschen Rekord. Auf dem Höhepunkt seiner Leistung als 27-jähriger trat Johannes Runge von seiner aktiven sport­li­chen Laufbahn ab“, schrieb der in diesem Jahr gestor­bene Braun­schweiger Sport­chro­nist Kurt Hoffmeister unter der Rubrik 1908 in seinem Standard­werk „Zeitreise durch die Braun­schweiger Sport­ge­schichte“ über die heraus­ra­gende Sport­per­sön­lich­keit.

25 Deutsche Rekorde

Runge wurde am 24. Januar 1878 in Braun­schweig geboren. Schon als 13-Jähriger fiel er bei den Braun­schwei­gi­schen Sedan­kämpfen als Jahrgangs­bester auf. Von 1895 bis 1897 siegte er im Vierkampf aus 182-Meter-Lauf, Stein­stoßen, Weithoch­sprung und Klettern vor zehntau­senden Zuschauern. Die große Karriere mit insgesamt 25 Deutschen Rekorden in unter­schied­li­chen Diszi­plinen nahm ihren Lauf.

Über ein Jahrzehnt lang gewann Runge sämtliche Deutschen Meister­schaften über die Laufstre­cken über 400, 800 und 1500 Meter. In seiner gesamten Karriere wurde er lediglich einmal in einem 400 m‑Rennen geschlagen. Besonders bemer­kens­wert sind die Deutschen Meister­schaften 1906 in Braun­schweig, als er an einem Nachmittag gleich fünf Titel gewann. Dritter wurde er noch im damals üblichen Dreibein-Laufen, bei dem zwei neben­ein­ander laufenden Athleten an je einem Bein zusam­men­ge­bunden waren.

Einziger deutscher Läufer

Nur zu gerne hätte Runge bereits im Jahr 1900 an den Olympi­schen Spielen in Paris teilge­nommen, das wurde ihm aber wegen des zu leistenden Wehrdienstes und des anste­henden Lehrer­ex­amens untersagt. Für die Spiele 1904 in St. Louis quali­fi­zierte er sich als einziger deutscher Läufer und startete als einer die Mitfa­vo­riten über 800 Meter. Er musste gegen zwölf Ameri­kaner und Kanadier antreten, die taktisch geschickt liefen und ihm keine Chance ließen. Er wurde Fünfter, ebenso über 1500 Meter.

Ebenfalls großartig verlief Runges Karriere als Funktionär. „Johannes Runge hat Eintracht Braun­schweig in die Spitzen­gruppe der deutschen Sport­ver­eine geführt. … Sein Verdienst ist es auch, alle Gesell­schafts­klassen für den Sport inter­es­siert zu haben. Er brachte die Landes­fürsten zu den Fußball- und Athle­tik­kämpfen und gewann das damals exklusive Offizier­corps für die neuen ldeen. Er erreichte vor allem, dass sich immer mehr Menschen für den Sport inter­es­sierten“, beschrieb Kurt Hoffmeister das Wirken Runges neben den Sport­plätzen in seinem Standard­werk.

Werben für den Sport

Den damals reinen Fußball­klub Eintracht leitete Runge von 1903 bis zum Jahre 1914. Auf seine Initia­tive hin wurde die erste Vereins­sport­an­lage Eintrachts an der Helmstedter Straße gebaut. „Der Fußball­club Eintracht ist in Notwen­dig­keit versetzt, sich einen eigenen Platz anlegen zu müssen. … Die Herstel­lungs­kosten betragen ca. 5.000 Mark. Dieselben werden von einer Bank dem Verein geliehen. Für die Abtragung leisten verschie­dene, der Bank genehme Mitglieder Bürgschaft“, heißt es im Antrag für die General­ver­samm­lung des Vereins 1905. Runge leistete mit 400 Mark die größte Bürgschaft.

Sein Werben für den Sport im Allge­meinen und den Fußball im Beson­deren sorgte dafür, dass am 8. März 1908 erstmals ein regie­render deutscher Fürst einen Fußball­platz betrat. Johann Albrecht von Mecklen­burg besuchte als Regent des Herzog­tums Braun­schweig das Spiel Eintrachts gegen Viktoria Hamburg auf dem neuen Sport­platz an der Helmstedter Straße. Nach den 90 Minuten gratu­lierte er der Eintracht-Mannschaft noch in der Umklei­de­ka­bine zur gewon­nenen Norddeut­schen Meister­schaft. Der Bann war gebrochen, Johann Albrecht von Mecklen­burg gestatte Schülern fortan ohne Schwie­rig­keiten im Verein Fußball zu spielen.

Frauen-Leicht­ath­letik einge­führt

Johannes Runge wurde 1913 stell­ver­tre­tender Vorsit­zender der deutschen Sport­be­hörde für Athletik und nach 1913 deren Vorsit­zender. Unter anderem führte er die Frauen-Leicht­ath­letik in Deutsch­land ein. Auch weil er selbst im Ersten Weltkrieg verwundet wurde, förderte er den Versehr­ten­sport besonders. Seit 1919 war er Referent für Leibes­er­zie­hung im Reichs­wehr­mi­nis­te­rium in Berlin. 1928 führte er das deutsche Team im Modernen Fünfkampf als Funktionär zu den Olympi­schen Spielen nach Amsterdam. Und bei den Spielen 1936 in Berlin gehörte er dem Organi­sa­ti­ons­ko­mitee an.

1945 siedelte Runge nach Bad Harzburg über. Dort starb er am 12. November 1949. Sein Todestag war der Tag der Neugrün­dung des Deutschen Leicht­ath­letik-Verbandes (DLV).

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