Philipp Hainhofer, der könig­liche Kunst­agent

Das „Große Freundschaftsbuch“ des Augsburger Kaufmanns Philipp Hainhofer (1578-1647) ist mit 2,8 Millionen Euro der spektakulärste Ankauf der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel seit Jahrzehnten. Foto: Peter Steffen / picture alliance/dpa
Das „Große Freundschaftsbuch“ des Augsburger Kaufmanns Philipp Hainhofer (1578-1647) ist mit 2,8 Millionen Euro der spektakulärste Ankauf der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel seit Jahrzehnten. Foto: Peter Steffen / picture alliance/dpa

Warum gelang es dem Augsburger Kaufmann im 17. Jahrhun­dert, die Gunst so vieler Fürsten zu erlangen? Der Kunst­his­to­riker Michael Wenzel weiß es.

Es war die bedeu­tendste Neuerwer­bung seit dem Ankauf des Evange­liars Heinrichs des Löwen 1983. Vergan­genen Sommer gelang es der Herzog August Biblio­thek (HAB), das „Große Freund­schafts­buch“ Philipp Hainho­fers anzuschaffen, mit Hilfe von Stiftungen und Sponsoren, für 2,8 Millionen Euro. Es enthält zahlreiche Widmungen von Kaisern, Königen und Fürsten, die pracht­voll mit Wappen, Bildern und Ornamenten ausge­schmückt sind.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 28.01.2021 (Bezahl-Artikel)

Wie aber erlangte der Augsburger Kaufmann Hainhofer (1578–1647) die Bekannt­schaft so vieler gekrönter Häupter? Was konnte er ihnen bieten, auf dass sie nicht nur Kunden wurden, sondern sich auch seiner Dienste als Gesandter versi­cherten?

„Handel mit Kunst und Politik“

Michael Wenzel hat darüber ein Buch geschrieben: „Philipp Hainhofer. Handel mit Kunst und Politik“. Sechs Jahre hat der promo­vierte Kunst­his­to­riker im Auftrag der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft dafür recher­chiert.

Lukas Kilian: Porträt Philipp Hainhofers, schwarze Kreide, um 1620/30, Stockholm, Nationalmuseum. Foto: Nationalmuseum Stockholm
Lukas Kilian: Porträt Philipp Hainho­fers, schwarze Kreide, um 1620/30, Stockholm, Natio­nal­mu­seum. Foto: Natio­nal­mu­seum Stockholm

Seit 2008 ist Wenzel an der HAB beschäf­tigt. Sein erstes Großpro­jekt war die Katalo­gi­sie­rung ihres Gemäl­de­be­stands (wir berich­teten). Dabei stieß er wieder­holt auf den Kunst­agenten Hainhofer. Ein Name, der ihm auch bei seiner Disser­ta­tion über Schön­hei­ten­ga­le­rien des Barock schon unter­ge­kommen war. Nun stellte sich heraus, dass der Großteil des schrift­li­chen Nachlasses Hainho­fers in Wolfen­büttel aufbe­wahrt wird.

Seitdem ist er Wenzels Topthema. Bis ins Detail hat der Kunst­his­to­riker das bemer­kens­werte Geschick des Augsbur­gers analy­siert, kaufmän­ni­sche Inter­essen und diplo­ma­ti­sche Missionen zu verbinden.

Ideelles Ziel im Dreißig­jäh­rigen Krieg

Eine These, die Wenzel aus der vielfäl­tigen Korre­spon­denz und den Reise­be­schrei­bungen Hainho­fers konden­siert: Der top vernetzte Kaufmann habe auch ein ideelles Ziel verfolgt: die verhär­teten Fronten zwischen den konfes­sio­nell gebun­denen Fürsten durch die vermit­telnde Wirkung der Kunst aufzu­wei­chen.

Dass Hainhofer nicht alles dem merkan­tilen Erfolg unter­ord­nete, sondern ein Programm verfolgte, zeigt sich laut Wenzel gerade während des Dreißig­jäh­rigen Krieges. Denn der Augsburger Kaufherr konnte zwar offenbar fast alles beschaffen, wie ein erhal­tenes Verzeichnis seines Stamm­kunden Herzog August des Jüngeren von Braun­schweig-Wolfen­büttel zeigt:

Hainhofer beschaffte Ferngläser, Kutschen, Prinzen­er­zieher

„Konfekt, Käse, Gläser, Tafel- und Scheer­messer, Brillen, Fernrohre; Wissen­schaft­liche Instru­mente, Handwerk­zeuge, Musik­in­stru­mente, Uhren; Büchsen, Pistolen und Pulver­fla­schen; Reise­kut­schen, Schreib­ti­sche, Truhen … Sekretäre, Ueber­setzer, Pagen und Prinzen­er­zieher; und nicht zuletzt eine große Zahl edler Pferde“.

Doch Hainhofer kapri­zierte sich zunehmend auf aufwen­dige Kunst­ar­tikel. Sein edelstes Angebot wurden raffi­niert ausge­stat­tete Kabinett­schränke mit einer Vielzahl von teils geheimen Fächern – samt Inhalt: Schreib­uten­si­lien, Brett­spiele, Geschirr, Gemälde, Bücher.

Er ging gewis­ser­maßen aufs Ganze: Hightech made in Augsburg, seiner Heimat­stadt, reich an begabten Handwer­kern. Die führte er in der Konstruk­tion und Ausfüh­rung der komplexen Artefakte zusammen und rekla­mierte sich durchaus als Mitschöpfer.

Nachfrage nach teuren Möbeln

Die Nachfrage nach den teuren Möbeln schuf er auch, indem er das Renommee ausmalte, das sie ihren Besitzern verschafften. Das war ein Vorzug, den der Kaufmann aus seinen diplo­ma­ti­schen Diensten zog: In Berichten von seinen Missionen schil­derte er ausführ­lich Ausstat­tung und Einrich­tung besuchter Höfe. Seine Dienste als Gesandter stießen zugleich neue Aufträge für sein Handels­haus an.

Den prächtigen Kunstschrank ließ Hainhofer von Augsburger Handwerkern fertigen. Der Rat der Stadt machte ihn 1632 König Gustav Adolf von Schweden zum Geschenk. Heute steht er im Museum Gustavianum in Uppsala. Foto: Museum Gustavianum / Museum Gustavianum
Den präch­tigen Kunst­schrank ließ Hainhofer von Augsburger Handwer­kern fertigen. Der Rat der Stadt machte ihn 1632 König Gustav Adolf von Schweden zum Geschenk. Heute steht er im Museum Gustavianum in Uppsala. Foto: Museum Gustavianum / Museum Gustavianum

Zugleich dokumen­tierte er adlige Bekannt­schaften und Kunden im „Großen Freund­schafts­buch“. Ihre von Künstlern reich verzierten Widmungen wurden wiederum zum Ausweis seiner Bedeutung.

Widmung von Kaiser Rudolf II.

Schon früh hatte Hainhofer Geschenke und einen größeren Kredit inves­tiert, um Kaiser Rudolf II. zu einem Eintrag zu bewegen. Das geliehene Geld sah er wohl nie wieder, was er später bedauerte. Aber dieses Pfund von Unter­schrift dürfte ihm viele weitere Widmungen beschert haben, meint Hainhofer-Fachmann Wenzel.

Die aufwen­digen Kabinett­schränke Augsburger Bauart wurden berühmt, etwa der Pommer­sche Kunst­schrank, den er Herzog Philipp II. von Pommern schmack­haft machte. Er wurde später im Kunst­ge­wer­be­mu­seum Berlin ausge­stellt, bis er im Zweiten Weltkrieg verbrannte. Ein anderes promi­nentes Beispiel ist der Kunst­schrank, den er für Herzog August fertigen ließ, welcher ihn 1647 dem schwe­di­schen Feldmar­schall Wrangel verehrte (der erhaltene Kabinet­tauf­satz findet sich heute im Kunst­his­to­ri­schen Museum Wien).

Pietra dura aus Florenz, Bernstein aus dem Norden

Je ausge­feilter und größer die Möbel wurden, desto schwie­riger gestal­tete sich aller­dings ihr Verkauf, schon allein aus logis­ti­schen Gründen. Der Krieg erschwerte Trans­porte und Hainho­fers Geschäfte insgesamt. Dass er mit seinen elabo­rierten Produkten wohl auch friedens­stif­tende Ziele verfolgte, begründet der Kunst­his­to­riker Wenzel etwa mit dem mögli­cher­weise program­ma­ti­schen Materi­almix der Schränke: Pietra dura aus dem katho­li­schen Florenz, einge­ar­beitet in süddeut­sche Tisch­ler­kunst und ergänzt um Amber, also Bernstein, als typisches Produkt des protes­tan­ti­schen Nordens.

Gegen Ende seines Lebens mehrten sich geschäft­liche und gesund­heit­liche Rückschläge. 1647, kurz vor Kriegs­ende, starb Hainhofer im Alter von 69 Jahren.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 28.01.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article231433339/Philipp-Hainhofer-der-koenigliche-Kunstagent.html (Bezahl-Artikel)

Michael Wenzel: „Philipp Hainhofer. Handel mit Kunst und Politik“. Deutscher Kunst­verlag, 456 Seiten, zahlreiche Abbil­dungen. 98 Euro.

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